StartAllgemeinDas Prinzip des Scheiterns: (K)ein Erfolgsmodell

Das Prinzip des Scheiterns: (K)ein Erfolgsmodell

(www.conservo.wordpress.com)

Von Wolfgang van de Rydt *)

Warum die „hohe“ Politik zur tragischen Lachnummer verkommen ist, liegt vor allem am verfügbaren Personal. Wer seinen akademischen Grad auf ehrliche Weise erworben hat, dem stehen weitaus bessere Türen offen, als ein trauriges Dasein in einem der vielen Parlamente. Dorthin gelangt man nicht durch Leistung, sondern durch Buckeln, Schleimen und Ränkeschmieden. Allenfalls den Platz an der Spitze zu behaupten, erfordert etwas mehr Kompetenz als zum Putzen einer Kloschüssel notwendig ist. An dieser Hürde ist jüngst erst Andrea Nahles gescheitert, zuvor konnte Genosse 100 Prozent den Krug nicht lange mit ruhiger Hand halten und entgleiste jämmerlich als Schulzzug und auch der nächste Suizidaldemokrat wird den Schleudersitz nicht schadlos überstehen.

Um den Nachwuchs ist es parteiübergreifend nicht gut bestellt. Freilich gibt es Ausnahmen, man betrachte nur die Personalie Philipp Amthor: Der „Hoffnungsträger“ hat ein 1,4er Abi hingelegt, sein Studium der Rechtswissenschaften mit Prädikatsexamen abgeschlossen und arbeitet eigenen Angaben nach noch an seiner Dissertation und ganz nebenbei auch als freier Mitarbeiter bei der US-amerikanischen Wirtschaftskanzlei White & Case. Eine ziemlich reife Leistung, die Respekt verdient hat, aber reicht das, um die Union aus der Klemme zu führen? Die Performance des Jungpolitikers hat etwas Clowneskes – und das auf unfreiwillige Art. Wenn Amthor scheitert, dann nicht an seiner Intelligenz, bei den meisten Politikern ist es andersherum.

Das „Prinzip des Scheiterns“ ist ein Begriff aus der Schauspielkunst – und zwar aus der hohen Schule der Clowns, der Königsklasse dieser Disziplin. Nicht umsonst hat der berühmte Galli mehrere Bücher zum Thema verfasst. Kurzum, was einen guten Clown ausmacht – und nebenbei bemerkt bin ich rein zufällig mit einer Clownin verheiratet – ist nicht nur die Kenntnis über dieses Prinzip, sondern auch Bewusstsein über die eigene Rolle, sprich Selbsterkenntnis. Wer von der Bühne herab die Herzen des Publikums gewinnen will, spielt mit den eigenen Schwächen und spart sich Witze auf Kosten anderer. Betrachtet man sich die Szene heutiger „Comedians“ und sonstiger „Unterhaltungskünstler“, so mögen viele davon zwar sehr erfolgreich sein, aber ihre „Kunst“ ist oft mehr an Stammhirnreflexe oder gleich an die Political Correctness der Kulturdezernenten adressiert. Wird man sich in zwei oder drei Jahrzehnten noch genauso an eine Carolin Kebekus erinnern, wie an den großen Charlie Chaplin, die genialen Laurel & Hardy, die Marx Brothers, Buster Keaton, Louis de Funes, Loriot, Heinz Erhardt oder Karl Valentin?

Auch die Politik ist nur eine Bühne, doch sind sich die meisten Akteure nicht ihrer Rolle bewusst. Leider sind die Wähler nur zum Platz im Publikum verdammt und haben so gut wie kein Mitspracherecht bei der Auswahl der Kandidaten, erst recht nicht beim Drehbuch. Nur in der allerletzten Runde des Castings sind sie am Drücker. Wahrscheinlich ist DSDS noch demokratischer als die Bundestagswahlen, aber das soll nicht Gegenstand meiner Betrachtung sein.

Nicht nur die Politik, auch das Leben ist eine Bühne. Die Dramaturgie des eigenen Daseins erschließt sich leider oft nur im Erleben, dafür aber ist der Blick auf die Biographie anderer Menschen um einiges klarer. War der Absturz von Andrea Nahles nicht vorhersehbar? Warum hat die SPD ihr die Rolle gegeben? Hier haben gleich alle Beteiligten versagt, der Regisseur, der Drehbuchautor, die Besetzung genauso wie der Produzent dieser billigen Seifenoper. Wenn ein Clown den Helden spielt, artet jeder vermeintliche Blockbuster zur griechischen Tragödie aus – es sei denn, der Clown heißt Jackie Chan und hat das Zeug, die Gratwanderung zwischen beiden Rollen zu beherrschen. Fehlt dieses Bewusstsein, ist das Desaster vorherbestimmt. Jeder hat es kommen sehen, nur die Akteure nicht …

Mit dem Wissen im Hintergrund, dass alles irgendwie Dramaturgie ist, kann man viele Entwicklungen abschätzen und ist weniger überrascht, wenn ein Donald Trump statt einer Hillary Clinton den Stuhl im Weißen Haus erobert. Doch man sollte nie den Fehler machen, die Rolle des Publikums und die für das Entstehen einer gelungenen Performance so wichtige Wechselwirkung des Akteurs mit dem Zuschauer zu unterschätzen und die Beobachtungen von einer Bühne auf die nächste übertragen. Ein Donald Trump funktioniert nicht in Deutschland. Ein Strache wäre hier ebenfalls schon deutlich früher „gestrauchelt“, ob ein Habeck den Macron „deutscher“ Machart erfolgreich geben kann, wird sich in der nahen Zukunft erweisen. Die Groko hat ihr Ensemble verbraucht und kann nur noch Statisten und Standby-Charaktere liefern. Einer davon wäre vielleicht ein Philipp Amthor als Justizminister. Auch die Linke hat keine echte Diva im Angebot, Sarah Wagenknecht ist langsam zu alt für die Rolle und besitzt nicht ansatzweise so viel Glamour wie eine Eva Peron, was aber dringend notwendig wäre, um der Rückkehr der Klassenkämpfer ein bißchen Klasse zu verleihen.

Wer den Laden aufmischen will, muss Akteure ins Feld schicken, die Method Acting beherrschen, um das Publikum auf emotionaler Ebene zu erreichen, statt es mit Fakten zu erschlagen, auch wenn sie noch so richtig sein mögen. Es reicht nicht, im Rahmen der erlaubten Redezeit die Fehler der anderen herunter zu beten, als ginge es um einen Wettbewerb im Schnellsprechen, der mit dem Dieter Thomas Heck Award belohnt wird. Würde sich die Politik an der hohen Schule der Schauspielkunst orientieren, dann wäre Method Acting das Mittel der Wahl für alle Konservativen. So schrieb Lee Strasberg als einer der wichtigsten Vertreter dieser Schule, dass die Wirklichkeit das Material des Schauspielhandwerks sei (Der Schauspieler und er selbst, 1965).

Schlummert da irgendwo ein Marlon Brando abseits der Blockparteien? Wenn ja, dann sollte er sich schleunigst ein anderes Theater suchen, als im Bundestag sein Talent zu verschleudern. Alles was in diesem Kino geboten wird, reicht bestenfalls für eine unfreiwillige Tragödie von griechischen Ausmaßen. (Original: https://dieunbestechlichen.com/2019/06/das-prinzip-des-scheiterns-kein-erfolgsmodell/)

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*) Wolfgang van de Rydt gehört zum Autorenteam des Blogs „Die Unbestechlichen“   (https://dieunbestechlichen.com), mit dem conservo in regem Artikel-Austausch steht.

www.conservo.wordpress.com     19.06.2019

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Wolfgang van de Rydt
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