Von Peter Helmes
Macron in Stichwahl wiedergewählt
In Frankreich hat Präsident Macron die Stichwahl gegen seine Herausforderin Le Pen deutlicher als erwartet gewonnen. Aber es war kein grandioser Sieg. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erreichte Macron gut 58 Prozent der Stimmen. Das ist deutlich weniger als bei der Wahl vor fünf Jahren. Le Pen kam demnach auf 41 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung fiel mit 72 Prozent niedriger aus als 2017.
Nur scheinbar ist es eine Krönung; denn das Wahlergebnis zeigt deutlich, wie polarisiert Frankreich ist. Gute Ergebnisse erzielten bei dieser Wahl außer Macron nur extreme Kandidaten am rechten und am linken Rand. Für den Zustand der französischen Gesellschaft ist das kein gutes Zeichen. Und auch der Legitimität des Siegers ist es nicht zuträglich, daß er unter den gemäßigten Bewerbern keine ernstzunehmenden Gegner hatte.
Europas Polit-Elite sollte Macrons Zittersieg als das erkennen, was es wirklich ist: ein Warnsignal. Denn schon oft haben konservative oder „rechte“ Parteien in den letzten Jahren respektable Ergebnisse eingefahren. Das Versagen der Linken und zerstrittene „Rechte“ haben dabei (zu) viele Wähler in die Extreme getrieben – angespornt von einer bürgerfernen Politik, die zwar auf Resultate abzielt, Menschen dafür aber auf der Strecke bleiben läßt.
Mit 44 Jahren hält Emmanuel Macron gedämpft triumphal Einzug in den sehr exklusiven Club der Präsidenten der Fünften Republik, die für eine zweite Amtszeit gewählt wurden. In Wahrheit aber steht seine Marmorstatue auf tönernen Füßen. Und Emmanuel Macron weiß das sehr genau. Er ist von keinerlei Enthusiasmus im Volk getragen. Er kann sich keiner großen Anhängerschaft rühmen – im Gegenteil: Er, der Verführer, der es so sehr liebt, zu gefallen und gemocht zu werden, ist für weite Teile der Öffentlichkeit eine Zielscheibe für Feindseligkeit und teils auch Haß.
Macrons Führungsrolle in Europa bei einem zögernden Deutschland
Einen wichtigen Nebeneffekt will ich aber nicht verschweigen: Frankreich wird die Führungsrolle Europas übernehmen. Daß Macron sich nicht zur Wiederwahl stellen kann, macht ihn in gewisser Weise auch zu einem befreiten Präsidenten. Er hat nun mehr Spielraum, seinen Überzeugungen zu folgen, ohne ständig auf Meinungsumfragen Rücksicht nehmen zu müssen. Bundeskanzler Scholz wird in Zukunft früher wachwerden müssen.
Nach dem politischen Rückzug von Angela Merkel und dem unerträglichen Stottern und Zaudern ihres Nachfolgers Olaf Scholz wird Deutschland in Europa immer mehr zum politischen Zwerg.
Es ist der französische Präsident, zusammen mit dem US-Präsidenten, der in vielen Fragen zum Krieg in der Ukraine den Ton angeben wird: von der Bewaffnung der Ukrainer über den Wiederaufbau ihres Landes bis hin zu den nächsten Schritten in Richtung einer Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union. Nach der Wahl wird Macron mutiger agieren können. Dasselbe gilt auch für das Verhältnis Europas zu China. Hier wirkt „Europa“ geradezu kopflos.
Den Weg zum Podest am Eiffelturm ging Emmanuel Macron dieses Mal gemeinsam mit seinen jungen Unterstützern – langsam, begleitet von vielen Handschlägen. Die Inszenierung war eine völlig andere als vor fünf Jahren, als er auf dem großen Hof des Louvre völlig allein zum Podest marschierte, um sich zu präsentieren. Zwar war der Sieg am Sonntag keineswegs knapp; seine rechte Herausforderin Le Pen kam aber dennoch über 40 Prozent der Stimmen. Nicht alle davon dürften tatsächlich von „Rechtsextremen“ stammen – wie die Linken gerne behaupten. Parallel dazu zeigt auch die zweitniedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte Frankreichs die Enttäuschung der französischen Bevölkerung über ihre politischen Institutionen.
Viele Wahlenthaltungen
Die größte Baustelle ist in erster Linie eine demokratische. Die hohe Wahlenthaltung in beiden Runden dieser Präsidentschaftswahl ist ein Symptom einer seit Langem bestehenden demokratischen Schwäche. Die zweite große Baustelle ist sozialer Natur. Denn vor allem den ärmsten und schwächsten Bürgern steht eine schwere Zeit bevor – sie werden am meisten unter den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, den steigenden Energiepreisen und der Inflation leiden. Emmanuel Macron muß jetzt beweisen, daß er nicht nur der Präsident der Reichen ist.
Macron erklärte in seiner Siegesrede am Eiffelturm in Paris, er wisse, daß viele ihn nicht für seine Ideen gewählt hätten, sondern um einen Rechtsruck zu verhindern.
Er fühle sich auch diesen Menschen und ihren Anliegen verpflichtet. Außerdem müsse die Wut derjenigen angesprochen werden, die für seine Rivalin Le Pen gestimmt hätten. Auch müsse darauf reagiert werden, daß so viele Wähler den Urnen ferngeblieben seien. Die Wahlbeteiligung liegt den aktuellen Zahlen zufolge bei etwa 72 Prozent und damit niedriger als vor fünf Jahren. Macron erklärte zudem, die nächsten fünf Jahre würden nicht eine bloße Fortsetzung seiner ersten Amtszeit werden. Es werde sich einiges im Land ändern müssen.
Le Pen gesteht Niederlage ein
Le Pen gestand ihre Niederlage ein. Sie sagte zu ihren Anhängern jedoch auch, das „historische Ergebnis“ verschaffe eine hervorragende Ausgangsposition. Jetzt beginne die große Schlacht um die Parlamentswahl. Ihre Partei Rassemblement National sei offen für alle, die sich gegen Emmanuel Macron verbünden wollten. Sie werde ihr Engagement für Frankreich und die Franzosen fortsetzen mit der Energie, der Ausdauer und der Verbundenheit, die man von ihr kenne.
Zemmour für nationalistischen Block bei Parlamentswahl
Der extrem rechte Erstrundenkandidat Zemmour sagte nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses, die nationalistischen Kräfte in Frankreich müßten sich zusammentun. Die politische Situation vor der Parlamentswahl zwinge zum Handeln.
Mélenchon: Macron in einem Meer ungültiger Stimmen
Der Drittplatzierte der ersten Wahlrunde, der Linkspopulist Mélenchon, erklärte, Frankreich habe es eindeutig abgelehnt, Le Pen seine Zukunft anzuvertrauen. Er ergänzte, Macron sei der Präsident mit dem schlechtesten Ergebnis der fünften Republik. Er überlebe in einem Meer von Enthaltungen, leeren und ungültigen Stimmzetteln.
Mélenchon blickt ebenfalls bereits auf die kommenden Parlamentswahlen. Er rief diejenigen, die unzufrieden mit Macrons Politik sind, dazu auf, nicht aufzugeben. Es sei möglich, den Präsidenten und dessen Partei La République en Marche bei der Wahl im Juni zu schlagen.
Grünen-Politiker Jadot: Schlimmstes verhindert
Der gescheiterte grüne Präsidentschaftskandidat Jadot zeigte sich erleichtert über das Ergebnis. „Danke an alle, die einen Damm gegen die extreme Rechte errichtet haben“, schrieb er bei Twitter. „Das Schlimmste ist verhindert worden, aber das Land ist gespaltener als je zuvor.“ Jetzt komme es auf die Parlamentswahlen im Juni an.
Diese Wahl wird entscheidend dafür sein, ob Macron ein echtes Mandat für die Umsetzung seiner Politik von der Legislative bekommt. Macron braucht eine Mehrheit für seine Partei, die weniger eine ideologische Haltung verkörpert als eine Politik der Mitte. Andernfalls wird er auf Absprachen mit der Linken oder mit den gaullistischen Republikanern angewiesen sein, um sein Programm durchzusetzen.
Europas Zukunft bleibt ungewiß
Die Entscheidung zwischen Macron und Le Pen war lange ein knappes Rennen. In den Augen der Europäischen Union und der Mainstream-Medien wurde bei dieser Wahl auch über die Zukunft Europas entschieden. Als Mutterland der europäischen Werte sehen sich nicht nur die Franzosen als Verteidiger dieses Wertebundes. Paris ist auch der Initiator und Motor des europäischen Integrationsprozesses. Ein Wahlsieg Le Pens hätte Europa zu mehr Nationalismus zurückgeführt. Aber die anti-europäischen Stimmen werden mit Le Pens Niederlage nicht verschwinden. Die Zukunft Europas bleibt ungewiß.
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