Von Alex Cryso
Noch immer machen sich viele Hungertouristen auf den weiten Weg ins gelobte Land: Nach Westeuropa, wo das Sozialgeld in Strömen fließt und man seinen persönlichen Beitrag zum Umsturz des bisherigen kapitalistisch-demokratischen Systems beisteuern kann. Für etliche ist der Weg äußerst beschwerlich, für andere gestaltet sich die Ankunft anders als bisher erhofft. Erneut sind sehr viele Kinder und Jugendliche die Leidtragenden. Unter anderem geht der Rechercheverbund „Lost in Europe“ davon aus, dass alleine zwischen 2018 und 2020 rund 18.000 Minderjährige in unseren Breitengraden spurlos verschwunden sind.
Vor allem die elternlosen, unbegleiteten Kinder trifft es ganz besonders. Belgien, Italien, Griechenland oder Spanien gelten als Hotspots in Sachen vermisster Personen. Andere Länder wie Frankreich oder Dänemark führen erst gar keine Statistik darüber. Deshalb wird die Dunkelziffer als noch viel höher eingeschätzt als die bis 2020 bezifferten 18.292 Flüchtlingskinder. In Deutschland wurden im besagten Zeitraum 7806 junge Menschen als vermisst gemeldet. Die Meisten davon stammen aus Afghanistan, Marokko, Eritrea und Algerien. Erschreckend ist, dass selbst Asylantenheime, Aufnahmelager oder soziale Einrichtungen keinen wirklichen Schutz bieten. Dort, wo eigentlich der Startschuss für die Eingliederung in die hiesige Gesellschaft fallen sollte, werden Kinder verschleppt, hauen von alleine ab oder es passiert mit ihnen, was eben sonst noch so alles passieren kann. Die Registrierung dieser Personen passiert bisweilen nur unzureichend bis überhaupt nicht.
Hingegen sind Fälle von Zwangsprostitution genauso bekannt wie das Abtauchen in kriminelle Milieus. Kinder werden zum Opfer jedweder Ausbeute oder selber zu Straftätern. Geschätzte 15 bis 25 Prozent aller jugendlichen Neuankömmlinge verschwinden wieder aus ihren Wohngruppen und der Notunterbringungen. Dann sind sie Fremdlinge in einer unbekannten Welt, beherrschen die Sprache nicht, sind mit den kulturellen Gepflogenheiten nicht vertraut und schon von Haus aus von einem eher untersetzten Niveau versehen. Nicht selten läuft man dann einem Menschenhändler in die Arme oder landet bei seinesgleichen in der entsprechenden Verwahrlosung. Andere begeben sich zu Verwandten oder Bekannten in ganze andere Städte (auch im europäischen Ausland), wo jedoch Schulbesuche oder die allgemeine Integration sehr schnell ins Hintertreffen geraten. Auch die staatliche Eingliederung wird gerne mit Polizei und Repression gleichgesetzt. Dazu gibt es Flüchtlinge, die gar nicht gefunden werden wollen: Dann werden Ausweise gefälscht oder weggeworfen, neue Namen und neue Identitäten angenommen. Vor allem bei Migranten mit gewissen Vorbelastungen ist dies gerne der Fall. Der Umstand, dass selbst das Bundeskriminalamt bei vielen Fällen im Dunkeln tappt, wurde öffentlich schon als Skandal bezeichnet.
Dennoch ist die Zahl der vermissten minderjährigen Flüchtlinge weiter angestiegen, so der Stand vom Dezember 2021. Bislang gibt es wohl noch keine Untersuchungen in Bezug auf die Problematik in Verbindung mit der Corona-Krise. Grundsätzlich gehen die Ermittler von einer Gefahr von Leib und Leben bei verschwundenen Kindern und Jugendlichen aus, egal bei welcher Herkunft auch immer. Kriminelle Netzwerke verstehen es hervorragend, die Hilflosigkeit und Naivität dieser Menschen auszunutzen, um sie dann beispielsweise als Drogenkuriere einzusetzen. Ungefähr 20 Prozent aller Vermissten in Deutschland sind minderjährige Geflüchtete. Ihr Durchschnittsalter ist zwischen 14 und 17 Jahren.
Alex Cryso
Links:
https://www.tagesschau.de/investigativ/rbb/fluechtlinge-kinder-verschwunden-101.html
https://www.dw.com/de/junge-gefl%C3%BCchtete-die-tausendfach-verschwinden/a-57268575
https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/wo-die-meisten-gefluechteten-jugendlichen-vermisst-werden/
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