Polen will die Ukraine aufteilen

Von Peter Haisenko, erstveröffentlicht bei anderweltonline.com

Territoriale Entwicklung der Ukraine 1922 – 1954. (c) Spiridon Ion Cepleanu, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons. Bild eingefügt von Maria Schneider.

Während der Westen noch an einen ukrainischen Sieg glauben will, plant Polen schon weiter. In Warschau kursiert ein Vorschlag, wie man sich die künftige Ukraine vorstellt. Ein großer Teil der Westukraine soll dem polnischen Staatsgebiet zugeschlagen werden.

Seit 100 Jahren ist die Rolle Polens zweifelhaft, um es vorsichtig auszudrücken. Nachdem das British Empire 1919 die Grenzen neu bestimmt hatte, hat sich Polen gegenüber seinen Minderheiten in seinem Machtbereich unerträglich verhalten. Entgegen aller Verträge hat Polen eine Polonisierung durchgezogen. Sie haben nicht-polnische Ethnien tyrannisiert und zum Beispiel ukrainische Universitäten geschlossen. Mord und Totschlag herrschten 20 Jahre lang. Auch der Umgang mit Juden in Polen war derart bösartig, dass noch bis 1939 mehr als 500.000 Juden in Hitlers Reich geflüchtet sind. Tausende deutschstämmige wurden ermordet. Mit der erwarteten Niederlage der ukrainischen Armee will Polen einen großen Teil der Westukraine in seinen Staat eingliedern. Die Gegend um Lemberg, das polnisch Lwow genannt wird. 
Mehr über das grausame Schicksal von Juden in Polen erfahren Sie in meinem Werk “England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert”. Sie können es direkt hier bestellen. 

Die Ukraine ist ein Kunstprodukt, das von Anfang an ein Pulverfass ist. Zwischen dem Westteil und dem Osten herrschen unüberwindliche Feindseligkeiten. Die Nationalisten im Westen hassen die Russischstämmigen im Osten. Es gibt weitere kleinere Gebiete an den Rändern, die von nicht-ukrainischen Ethnien bewohnt sind. Will man also wirklich Frieden schaffen in der Region, müssen die Gebietsdiktate des 20. Jahrhunderts revidiert werden. Das hat man in Warschau wohl erkannt und einen Plan in den Raum gestellt, der das leisten könnte. Was an diesem Plan aber nicht funktionieren kann, ist die Zuteilung der Westukraine zu Polen. Doch sehen wir uns zunächst die polnische Initiative an.

Auf den folgenden zwei Karten wird der Plan Polens vorgestellt und die zweite zeigt die Verteilung der Sprachpräferenzen innerhalb der aktuellen ukrainischen Grenzen. 
(Hinweis: Sollten die Bilder nicht vollständig angezeigt werden, bitte einfach Bild anklicken.) 

Linguistic Map of Ukraine, utilizing 2009 information from the Kiev National Linguistic University and data from the 2001 Ukrainian Census. Note that Ukrainian is highlighted in yellow. The mixed Russian-Ukrainian language Surzhyk is in orange. Russian is in red. Carpathian Ruthenian (spoken in Zakarpattia) is in the red-violet color. The Bulgarian, Greek, Hungarian, Polish, Romanian, Crimean Tatar, and Trasianka (Belarusian) minorities are also highlighted. Bildquelle.

Es fällt auf, dass der polnische Plan ziemlich genau der Verteilung der verschiedenen Sprachen folgt, die mehrheitlich dort gesprochen werden. Nun will ich darauf hinweisen, dass diese polnische Position kein Hirngespinst ist. Der ehemalige Abgeordnete des ukrainischen Parlaments Werchowna Rada, Ilja Kiwa, hat auf Telegram eine mutmaßliche Karte der ukrainischen Teilung gepostet, die im polnischen Fernsehsender TVP1gezeigt wurde. Kiwa betonte, dies zeige die Bereitschaft des Westens, die Grenzen der ehemaligen Sowjetrepublik zu ändern.

Auf dem veröffentlichten Bild sind die ukrainischen Regionen Lwow, Iwano-Frankowsk, Wolynien, Rownensk und Ternopol als Teil Polens dargestellt. Das Territorium der Regionen Odessa, Nikolajew, Cherson, Saporoschje, Dnepropetrowsk und Charkow sowie die Donbass-Republiken sind als zur Russischen Föderation gehörig gekennzeichnet. Rumänien verfügt auf der Karte über die Region Tschernowitskij, während Ungarn Sakarpatje gehört. Nach Angaben des polnischen Fernsehens werden nur die zentralen und nördlichen Regionen des Landes Teil der unabhängigen Ukraine bleiben.

Die Grundidee aus Polen könnte also wirklich ein Weg sein, diese Region dauerhaft zu befrieden. Was allerdings nicht funktionieren kann, ist der Anspruch Polens auf die Westukraine. Gerade dort leben die ukrainischen Nationalisten, die einen tiefen Hass auf alles Polnische seit 100 Jahren in sich tragen. Nicht ohne Grund. Sie haben niemals vergessen, was Warschau ihren Landsleuten zwischen den großen Kriegen angetan hat. Auf der anderen Seite aber haben auch die Polen nicht vergessen, dass diese ukrainischen Nationalisten 1945 noch schnell 60.000 Polen massakriert haben. So kann ich nur lachen, wenn heute von einer ukrainisch-polnischen Freundschaft schwadroniert wird. Die gibt es nicht und gab es nie.

Der Griff Polens auf die Westukraine kann nicht funktionieren 

Wie weit der irrationale Hass der ukrainischen Nationalisten auf alles Polnische ging, hat mein Vater 1944 selbst erleben müssen. Wie er in seinem autobiographischen Roman “Der Weg vom Don zur Isar” in Band zwei erzählt, wollten diese ihn erschießen, nur weil er polnisch sprechen konnte und einen polnischen Freund hatte. Er war zusammen mit seinen ukrainischen Freunden auf der Flucht vor der vorrückenden Roten Armee, als sie von polnischen Partisanen angegriffen wurden. Die Polen hätten sie ermordet, wenn nicht mein Vater dabei gewesen wäre und der Anführer der Polen ihn erkannte, als den Mann, der ihm Jahre zuvor zur Flucht aus sowjetischer Zwangsarbeit verholfen hatte. Trotz dessen, dass er allen das Leben gerettet hatte, war der Hass auf alles Polnische so groß, dass mein Vater nur durch Flucht dem Tod entrinnen konnte. Die beiden Bände “Der Weg vom Don zur Isar” können Sie direkt hier beim Verlag bestellen.

Der Griff Polens auf die Westukraine kann nicht funktionieren. Aber die polnische Großmannssucht macht hier nicht halt. Schon sind in Warschau Stimmen zu hören, die Anspruch auf Ostpreußen/Königsberg anmelden. Das aber gehört zu Russland und wie das laufen sollte, muss außerhalb polnischer Träume unverständlich bleiben. Auf der anderen Seite aber ist die polnische Einschätzung der Lage realistisch. Die ukrainische Armee wird in Kürze zusammenbrechen und dann wird das große Schachern beginnen und dabei will sich Polen eben ein Stück vom Kuchen abschneiden. So, wie es sich schon nach dem Einmarsch Hitlers in der Tschechoslowakei Teile derselben einverleibt hatte. Lesen Sie dazu die Werke von Reinhard Leube im AnderweltVerlag.

Nationale Grenzen müssen ethnische Gegebenheiten respektieren

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs hat England erst in Europa und dem Nahen Osten, später in anderen Teilen der Welt, einfach Grenzen neu bestimmt. Anschließend wurde durchgesetzt, dass diese Grenzen fortan unantastbar sein müssen. Allerdings hat England diese Grenzen ohne Rücksicht auf Ethnien gesetzt und so für immerwährende Konflikte gesorgt. Man denke nur an den arabisch-türkischen Raum oder den Kaschmir-Konflikt. Nirgendwo ist dauerhafter Frieden eingekehrt – seit 100 Jahren. Obwohl England Volksabstimmungen durchführen ließ, haben sie Ergebnisse einfach ignoriert, wenn sie nicht in ihr Konzept passten. Vergessen wir nicht, schon 1853 wollten die Herren in London die Krim erobern, um die Südflanke Russlands einzuhegen. Kein Wunder also, dass sie heute die Rückkehr der Krim zu Russland verdammen.

Nationale Grenzen können nur dann friedliche Kontinuität bringen, wenn sie ethnische Gegebenheiten respektieren. Ist das nicht der Fall, werden diese Staaten immer Pulverfässer bleiben. Es ist die Großmannssucht psychopathischer Politiker, die immer größere Machtbereiche erschaffen wollen. Eben ohne Rücksicht auf gewachsene ethnische Strukturen, aber auch unter geopolitischen Vorzeichen. In den Regionen, auf die das zutrifft, ist nie dauerhafter Frieden eingekehrt. In diesem Sinn muss die Welt erwachen und erkennen, dass es unumgänglich ist, nach bestem Wissen und Wollen unsinnige Grenzziehungen neu zu gestalten. Dazu müssen Volksabstimmungen abgehalten werden, die das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Menschen respektieren. So, wie es auf der Krim stattgefunden hat.

Ukraine, Krim und Russland (Bild: Archiv von Prof. Dr. phil. Dr. h.c. Reinhard Olt). Bild eingefügt von Maria Schneider

Gerade die Krim ist das beste Beispiel, wie das funktionieren kann. Seit sich die Krim von der Ukraine verabschiedet hat, ist es die einzige Region innerhalb der ehemaligen Grenzen der Ukraine, in der es den Menschen endlich besser geht. Viel besser als vorher. Mit dieser Erfahrung sollte eine vernünftige Aufteilung des Staatsgebiets der Ukraine positiv gesehen werden. Dass der Status quo nicht funktioniert wird bewiesen dadurch, dass es mit der Wirtschaft und den Menschenrechten in diesem Kunstgebilde seit 30 Jahren nur bergab gegangen ist. Eben bis zum Bürgerkrieg im Osten des Landes.

Die USA und England halten Krisenherde seit 100 Jahren am Kochen

Niemand bei Verstand kann annehmen, dass sich die Menschen in der Ostukraine jemals wieder dem Terror aus Kiew unterwerfen werden. Nach acht Jahren Beschuss und 14.000 Toten. Betrachtet man sich dazu die Wahlergebnisse der letzten Jahrzehnte, ist die grundsätzliche Spaltung zwischen West- und Ostukraine nicht zu übersehen. Sie folgt im Wesentlichen den Sprachgrenzen und zeigt auch auf, wie sinnvoll die Pläne aus Polen sind. Die polnische Karte der Aufteilung folgt ziemlich genau den diametralen Wahlergebnissen. So ist anzunehmen, dass Volksabstimmungen zur Neugestaltung der politischen Landschaft im Gebiet der jetzigen Ukraine in etwa mit der polnischen Einschätzung übereinstimmen werden. Einzig der Plan, die Gebiete im Westen um Lemberg Polen zuzuschlagen, wird keine Mehrheit finden können. Zu groß ist der gegenseitige Hass.

Russland hat mit seiner Operation in der Ukraine das festgefahrene Dilemma aufgebrochen. Die Arroganz des angloamerikanischen Blocks, an willkürlich festgelegten Grenzen unter allen Umständen festzuhalten, kann jetzt endlich überwunden werden. Nicht nur in der Ukraine. Wird man zum Beispiel auch über einen vereinten Kurdenstaat abstimmen dürfen, um diesen ewigen Krisenherd zu befrieden, der auch von London geschaffen worden ist? Oder Zypern und der gesamte Nahe Osten?

Vergessen wir nicht, es sind die USA und England, die diese Krisenherde seit 100 Jahren am Kochen halten und immer wieder mit Krieg überziehen. Die Tschechoslowakei, auch ein britisches Kunstgebilde, hat sich aufgeteilt in Tschechien und die Slowakei und es herrscht Frieden. Warum sollte das nicht mit der Ukraine funktionieren? Aber es kann nur funktionieren, wenn den kriegsgeilen Angelsachsen endlich der Stecker gezogen wird und das hat Putin gerade eingeleitet. So schrecklich es ist, dass Russland sich gezwungen sah, mit einer Militäroperation diesen Vorgang einzuleiten, wird die Zukunft zeigen, ob diese Operation letztlich Frieden bringen wird. Wenn es so ausgeht, schuldet die ganze Welt Russland Dank, weil es die Welt von den ewigen Kriegen der USA befreit hat.

Zum Abschluss noch ein Wort zu den Zerstörungen in Mariupol. Da sieht man Bilder von ausgebrannten Wohnblöcken, die aber nicht durch Beschuss entstanden sein können. Wie ist das aber sonst zu erklären? Die Antwort ist schrecklich. Die Asow-Brigaden haben sich in diesen Wohnblöcken versteckt, Zivilisten als Geiseln genommen und aus den Wohnungen auf russische Soldaten geschossen. Nicht nur mit Gewehren, sondern auch mit Panzerfäusten. Diese Waffen sind nur für den Gebrauch in freier Natur vorgesehen. Sie stoßen beim Abfeuern einen mächtigen Feuerschweif nach hinten aus und der entzündet unweigerlich die gesamte Wohnung, aus der gefeuert wird. So entstehen die Bilder von ausgebrannten Wohnblöcken, die ansonsten keine Spuren von Granatenbeschuss aufzeigen. Wie aus Mariupol berichtet wird, geben die verbliebenen Einwohner den Asow-Brigaden zu 85 Prozent die Schuld an den Verwüstungen ihrer Stadt. 

Nachtrag: Was aus Mariupol berichtet wird, bestätigt in grausamster Weise ein kurzes Video. Bitte nicht ansehen, wenn Sie noch etwas essen wollen. Das ist wirklich nur für starke Nerven. Ukrainer prügeln auf verletzte russische Soldaten ein und schießen einigen in die Beine, die schon gefesselt auf dem Boden liegen. https://t.me/neuesausrussland/3135 

Hier noch eine Analyse, die ich bereits 2014 erstellt habe, wie Frieden in der Region möglich sein kann. Sie ist verdammt nah an dem, was Polen heute vorschlägt:
https://www.anderweltonline.com/politik/politik-2014/kann-die-tschechoslowakei-das-modell-zur-loesung-der-ukraine-krise-sein/

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