StartAPO/68er und Kommunismus„Recht auf Rausch“

„Recht auf Rausch“

Bild: Pixabay

Da marschieren sie mal wieder Hand in Hand, Grüne und Linke: Im Schulterschluss mit der Linkspartei forderten vor knapp zwei Wochen auch die Berliner Grünen den straffreien Besitz harter Drogen. Kein Wunder: Die Autonomen-Szene, aus der sich viele ihrer Nachwuchskräfte rekrutieren, war schon immer ein kleiner Drogenumschlagsplatz.

Das waren noch Zeiten, als Deutschland sich kollektiv dem Kampf gegen Rauschgift verschrieben hatte: “Keine Macht den Drogen” stand da in dicken Großbuchstaben auf Litfaßsäulen und Plakatwänden, in Zeitschriften und Magazinen und an vielen Orten mehr im öffentlichen Raum. Doch dieser Kampf muss wohl ein CDU-Ding gewesen sein oder, präziser, ein Kohl-CDU-Ding, denn mit der ersten rotgrünen Koalition (1998-2005) verschwand die mit Bundesmitteln geförderte Kampagne in der Versenkung und wurde nie wieder ausgebuddelt.

Der Liberalisierungskurs der aktuellen Bundesregierung verhält sich zu der Anti-Drogen-Kampagne der Kohl-Jahre wie Feuer zu Wasser. Die Ampel setzt im Wesentlichen das um, was Grüne seit langem fordern und auch in deren Wahlprogramm für die letzte Bundestagswahl nachzulesen ist. Explizit steht dort: “Wir wollen einen Wechsel in der Drogenpolitik, der Gesundheits- und Jugendschutz sowie die Befähigung zum eigenverantwortlichen Umgang mit Risiken in den Mittelpunkt stellt.” Im Klartext: Wer alt genug ist, soll sich Rauschgift besorgen und zudröhnen dürfen. Denn: “Das derzeitige Verbot von Cannabis verursacht mehr Probleme, als es löst.” Die dahintersteckende Logik: Wenn Jugendliche sich auf dem Schwarzmarkt Drogen besorgen, sind sie in einem ungeschützten Raum. Daher plädieren die Grünen für die kontrollierte Abgabe von Rauschgift an Süchtige. Denn: “Wer abhängig ist, braucht Hilfe und keine Strafverfolgung.”

Wenn von einer Orientierung “an den tatsächlichen gesundheitlichen Risiken” die Rede ist und vor allem “klare Regelungen für die Teilnahme [der Zugedröhnten] am Straßenverkehr” gefordert werden, macht das die prinzipielle Denkrichtung in der Drogenfrage sichtbar: Rauschgift soll der legalen Droge Alkohol gleichgestellt werden. Noch radikaler als bei den Grünen sind die Forderungen der Liste Links, die inzwischen sogar für die kontrollierte Abgabe harter Suchtmittel wie Ecstasy, Heroin, LSD und Methamphetamin (die auch von Volker Beck favorisierte Modedroge Crystal Meth) eintreten. Das rhetorische Framing ähnelt dem des grünen Parteiprogramms bis hinein in einzelne Formulierungen: Von “kontrollierter Abgabe”, “therapeutischer Begleitung”, Entkriminalisierung bzw. dem Schutz vor Strafverfolgung ist etwa im jüngsten Antrag der Bundestagsfraktion der SED-Erben die Rede.

In der Autonomen-Hochburg Berlin schließen sich die Grünen diesem radikalen Vorstoß bereits an. Mitte August hatte der Berliner Tagesspiegel von einem Positionspapier berichtet, das sich inhaltlich dem Antrag der Linkspartei annäherte. Von einem “Recht auf Rausch” sprach der Fraktionschef der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus Werner Graf. Beim Thema Exzess und Ekstase wächst zusammen, was ideologisch schon immer zusammengehörte. Schließlich passt in den Allgemeinen Studentenausschüssen deutscher Universitäten zwischen die Ableger der Grünen und der Marxisten, wo derartige Parolen mit ausgeheckt werden, kein Blatt Papier. Auch die Argumentationsmuster gleichen sich: Die Zunahme von Rauschgiftvergehen von 2019 auf 2020 um fast zwanzig Prozent (ca. 12.000 Fälle) betrachtet man im linken Lager nicht als Anlass dafür, den Kampf gegen das Gift zu intensivieren, sondern als guten Grund, in der Drogenfrage mal etwas lockerer zu werden. Denn all den Delikten nachgehen zu müssen, so formuliert es der aktuelle Linken-Antrag, das halte ja Justiz- und Sicherheitsbehörden von wichtigeren “Gemeinwohlaufgaben” ab.

So kann man es natürlich auch sehen. Vor allem sehen es wohl die linksextremen Autonomen-Milieus so, der real existierende Anarchismus, wie er in der Berliner Rigaer Straße oder der Hamburger Hafenstraße traurige Berühmtheit erlangt hat und der seit Anbeginn sowohl strukturell als auch inhaltlich mit Grünen und Linken eng verzahnt ist. Drogen sind dort so selbstverständlich wie versiffte Buden. Das Selbstporträt der Ex-Antifa-Aktivistin Julia von Heinz “Und morgen die ganze Welt” gewährt diesbezüglich deutliche Einblicke. Die wenigen öffentlich gewordenen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz aus dem linksliberal-grünen Lager (Michel Friedman, Volker Beck) sprechen überdies für eine hohe Dunkelziffer von Rauschgiftmissbrauchsfällen bei den Salonsozis.

Völlig unerheblich sind für die Forderungen ihrer politischen Repräsentanten zur Rauschgiftliberalisierung offenkundig die empirischen Daten aus den USA, wo sich die Folgen des von Beck & Co. erwünschten “regulierten Verkaufs von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften” ja begutachten lassen: Während der achtjährigen Amtszeit von Barack Obama war in mehreren Bundesstaaten die Ausgabe von Rauschgiften liberalisiert worden. Im Oktober 2017 verzeichneten die zuständigen US-Behörden einen Höchststand im Bereich der Opioid-Abhängigkeit: Gesundheitsnotstand. Das sollte eigentlich zur Vorsicht mahnen. Doch – schon die Bibel wusste das – nicht jeder, der Ohren hat, will auch hören.

Natürlich hat auch der in diesem Sommer wieder in vielen deutschen Städten veranstaltete CSD, ähnlich wie die ihm artverwandte “Love-Parade”, ein Drogenproblem. Im Juli 2019 folgte auf den Münchner CSD eine Polizeirazzia, in deren Zuge zwanzig Verdächtige festgenommen wurden. Das strikte Drogen- und Alkoholverbot, das bei anderen Veranstaltungen mit Protest- oder Manifestationscharakter seitens der Veranstalter nicht eigens verhängt werden muss, ist ein Indiz dafür, dass die CSD-Führungskader in Rauschmittelfragen ihrem eigenen Plebs nicht trauen.

Regenbogen und Rauschift Hand in Hand

Dass Regenbogen und Rauschgift Hand in Hand gehen, überrascht nicht. Die Freigabe von bewusstseinserweiternden Substanzen stand sowohl auf der Agenda der eher politisch motivierten Achtundsechziger ganz oben als auch auf der der Transformations-Esoteriker, die jenen in vielem das nötige philosophisch-religiöse Rüstzeug gaben. Was bei der Beschäftigung mit den Anliegen der Studentenbewegung Ende der Sechziger sofort auffällt, ist der hedonistische Impetus vieler Forderungen, die auf den ersten Blick mit Politik nicht viel zu tun haben. Das Motto “Sex und Drogen und Rock ‘n’ Roll” sagt alles. Die Drogen sollten dabei neue Horizonte eröffnen.

Nach diesen “neuen Horizonten” hielten auch die Anhänger der esoterischen New-Age- bzw. Aquarius-Bewegung Ausschau, auf die das später von der säkularen LGBT-Bewegung – offenbar auf Initiative des homosexuellen US-Politikers Harvey Milk – übernommene Regenbogen-Symbol zurückgeht. Schon Anfang der Siebziger gab es “Aquarius”-Märsche in der Homo-Hochburg San Franzisko. Im Trans-Kult der Gegenwart fließen beide Strömungen gefällig zusammen. Seit jeher eint sie der Traum von einer ganz anderen Gesellschaft, einer Weltgesellschaft, in der alle trennenden Gräben zugeschüttet sind: die zwischen Religionen, die zwischen Nationen und die zwischen Geschlechtern. Die Vokabel Transformation findet sich im aktuellen Wahlprogramm der Grünen so häufig, dass man es nicht mehr zählen kann. Sie strebten “die größte Transformation der Menschheitsgeschichte” an, bekannte ihre neue Frontfrau Ricarda Lang am 29. Juni in der ARD-Sendung Maischberger ohne falsche Bescheidenheit. Allmählich fallen also die Masken.

Der Begriff der Transformation ist nämlich zugleich der Kernbegriff aller, die den Beginn eines neuen Zeitalters mit esoterischen Sonderlehren begründen. Das dazu nötige global zu erwirkende “neue Bewusstsein” – und damit bekommt die “verantwortungsvolle Drogen- und Suchtpolitik” auf Seite 129 des Grünen-Parteiprogramms eine ganz neue Qualität – wird durch die Einnahme von Rauschgift begünstigt: “Die historische Bedeutung der Psychedelika als Einstiegsmittel, wodurch die Menschen zu anderen transformativen Technologien gelangten, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden”, schrieb Regenbogen-Ikone Marilyn Ferguson (1938-2008) in ihrem Buch „The Aquarian Conspiracy“ (1980). Die so „ausgelöste Veränderung in der Chemie des Gehirns“ führe zur höchst erwünschten „Metamorphose der vertrauten Welt“. Keine Macht den Drogen? Bei den Verfechtern der großen Transformation hat dieser Slogan ausgedient.

Kommentarregeln: Bitte keine beleidigenden oder strafbaren Äußerungen. Seid nett zueinander. Das Leben ist hart genug.

DR. PHIL MEHRENS
DR. PHIL MEHRENS
DR. PHIL MEHRENS ist Autor und Publizist.

4 Kommentare

  1. Das Schlagwort vom angeblichen ‘Recht auf Rausch’ ist mir noch aus den 90-er Jahren erinnerlich , wo es von einem damaligen Lübecker Richter namens Neskovic vertreten wurde. Dieser wurde später in Anerkennung seiner Verdienst zum Bundesrichter (BGH) berufen und kandidierte schließlich für die SED Partei ‘Linke’ für den Bundes tag,

    Berlin – Er werde sich am nächsten Wochenende um Platz vier der Brandenburger Landesliste bewerben, sagte der 57-jährige Richter der “Berliner Zeitung”. Der Landesvorstand der Linkspartei unterstütze ihn dabei. Zur Kandidatur habe ihn die Einsicht bewogen, “dass Ungerechtigkeit kein Naturereignis ist”, sagte Neskovic.

    Neskovic arbeitet seit 2002 am Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Die Ernennung des politischen Linksaußen durch die damalige Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin war auf heftigen Widerstand der konservativen Richterschaft gestoßen.

    Bundesweit bekannt geworden war Neskovic 1992. Als Vorsitzender Richter am Lübecker Landgericht hatte er damals in seinen Urteilen ein “Recht auf Rausch” gefordert. Cannabis sollte rechtlich Alkohol gleichgestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht wollte ihm 1994 dabei nicht folgen, lockerte aber immerhin die Strafverfolgung beim Besitz von kleinen Mengen Haschisch.

  2. Ja, man muss dem Buerger doch etwas Freiheit geben, wenn man ihm all die bisherigen Freiheiten wegnimmt. Aber Freiheit gibt es nur gegen Mehrwert- und Gewerbesteuer. Jawollll

    100% Strohmann Argument im Artikel: Die Abgabe von Cannabis erhoeht irgendwie die Opioid-Abhaengigkeit??? Opioide sind in den USA weiterhin verschreibungspflichtig, allerdings werden verschreibefreudige Aerzte von den Pharmariesen immer wieder auf luxurioese ‘Seminare’ eingeladen, und der Schwarzmarkt blueht. Mit Cannabis koennte man die Opioid-Abhaengigkeit deutlich verringern, und, wie bei Soldaten mit PTSD, auch mithilfe von LSD (und anderen Psychedelics) usw. Nur Opioide machen suechtig, das andere Zeug nicht.

    Ich meine, gerade weil man die Rauschmittel so stark eingeschraenkt hat, und dann noch auf die schaedlichsten und suechtig machenden einschraenkt (Alkohol, Opioide), steigt der Missbrauch immer weiter. Diese willkuerlichen Verbote schraenken leider auch die medizinische Forschung ein.

  3. Danke für diesen Beitrag. Er zeigt, wie heruntergekommen und verrottet dieses Land inzwischen ist und das gilt nicht nur für das Shithole Berlin. Den links-grünen Dreck haben die Menschen in ganz Deutschland so gewollt.
    Traurig. Sehr, sehr traurig, vor allem für unsere Kinder. Ich frage mich oft, inwieweit es verantwortungsbewußten Eltern heutzutage überhaupt noch möglich ist, ihre Kinder vor dieser verkommenen Gesellschaft zu schützen. Meine Kinder sind Gott sei Dank erwachsen.

  4. Deutschland im Rausch

    Der Mensch ist nun mal suchtgeneigt
    da braucht man nichts ersinnen,
    er Geld und Mühe gern abzweigt,
    um Freude zu gewinnen.

    Freudegewinn ist legitim,
    ohne wär’s Leben nicht viel wert,
    gar viele Mittel helfen ihm
    dem Menschen, das ist nicht verkehrt.

    Vieles bereitet uns Genuss,
    was keiner je gezählt,
    manches vertreibt nur den Verdruss,
    der viele Menschen quält.

    Leicht schießt man dabei übers Ziel,
    dann ist’s bei Psychologen Usus,
    greift man zu viel ins Nervenspiel,
    sprechen sie von Abusus.

    Beginnt man diese Litanei,
    gerät man leicht in den Verdacht,
    vom Alkohol die Rede sei,
    doch schlimmste Droge ist die Macht.

    Bekannt ist, Drogen töten können,
    vergleicht man all die Drogentoten,
    so hat, ich kann’s nicht anders nennen,
    die Machtsucht allerhöchste Quoten.

    Vor gar nicht allzu langer Zeit
    in Deutschland waren es Millionen
    schon ist das Land wieder so weit,
    opfert im Rausch von Emotionen.

    Die Macht haben und haben wollen
    mit eiseskaltem Machtkalkül,
    die schöpfen dabei aus dem Vollen,
    zu narren menschliches Gefühl.

    Versprechen Menschen Lustgewinn,
    sagen ihnen, ihr müsst euch sputen,
    gebt Zukunft, Erbe, Freiheit hin,
    dann zählt ihr zu den Guten.

    Sind wieder voll bis an den Rand
    die Mächt’gen und die Folgsamen.
    Ernücht’rung braucht das ganze Land,
    bevor es wieder steht in Flammen.

    Macht fürchtet immer den Entzug,
    fürchtet des Volkes Weigern,
    verstärken muss sie den Betrug,
    die Droge zwanghaft steigern.

    Doch einmal ist vorbei das Fest,
    dann wird der Rausch verfliegen,
    das Volk erwacht in Ost und West,
    lässt sich nicht mehr betrügen.

    Zu wenigen vergeht das Lachen,
    sehen, das Land zu Grunde geht.
    Klar ist, es wird ein bös’ Erwachen,
    vielleicht ist’s dafür längst zu spät.

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