Osterei und Osterhase

Eine Hommage an ein Stück wunderbare Kulturgeschichte

Gefärbte Eier zum Osterfest, dem Fest des Lebens und der Auferstehung, zu verschenken, ist ein Brauch, der in unserem Kulturraum seit dem 16.Jahrhundert bekannt ist. Das Ei war seit jeher vielen Völkern ein Sinnbild für neues Leben. Seine Symbolgeschichte werde ich daher hier einmal im wesentlichen Überblick nachzeichnen.

Bild: Maria Schneider

Schuttern in der Ortenau – ein kleiner Ort mit faszinierender Kulturgeschichte. Nicht nur zu Ostern. Aber auch.

Zunächst aber möchte ich dazu ein Stück ganz besondere Kulturgeschichte erzählen. Eine Oster-Geschichte aus meiner Heimatregion, die nahezu einmalig dasteht.

Fährt man mit Zug oder Auto von dem von Straßburg unweit gelegenen Offenburg nach Freiburg im Breisgau grüßt schon bald nach Offenburg der höchste Kirchturm der Ortenau aus der Oberrheinebene: der barocke Turm der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Schuttern, der ehemaligen Klosterkirche der einst bedeutenden Benediktinerabtei Schuttern – einer Abtei, die zu den wichtigsten Reichsklöstern des Karolingischen Reiches zählte (heute ist Schuttern Teilort einer seiner Nachbargemeinden).

Bei einer Führung erfahren die Teilnehmer nicht nur bedeutsame Momente der Abteigeschichte, seiner Kunst und Kultur, sondern auch jener berühmten Personen, die mit dem einstigen Kloster eng verbunden sind. So zeigt man voll Stolz ein Mosaikmedaillon mit dem Brudermord von Kain an Abel, auf das man bei Grabungen unter der Kirche stieß und das, aus dem 11.Jh. stammend, wohl das älteste nicht-römische Bodenmosaik auf deutschem Boden ist. Den Führungs-Teilnehmerinnen bleibt häufig ein besonderer Bericht lebendig in Erinnerung: nämlich jener, dass Marie-Antoinette, die letzte Königin von Frankreich, auf ihrem Brautzug 1770 von Wien nach Versailles im Kloster Schuttern ihre letzte Nacht auf habsburgischem Boden verbrachte.

Ein Abt, der den Kindern aus Schuttern Ostereier versteckte

Doch zurück zu Ostern und damit der angekündigten lokalen Geschichte eines unserer wunderschönen Osterbräuche. Einer Heimatgeschichte, die in Schuttern spielt und die jedes Jahr in einer namhaften Figur des Ortes verkörpert wird: in der Figur des Abtes Jacob Vogler, der den dortigen, mit gefärbten Eiern geschmückten Osterbrunnen ziert. Siehe: https://www.friesenheimaktuell.de/2021/03/24/wenn-bei-schuttern-der-abt-in-der-mittagssonne-schwebt/

Es ist eine Geschichte, die urkundlich überliefert ist, die sich im erhaltenen Tagebuch des Abtes findet. Jacob Vogler, von 1688-1708 Abt des Reichsklosters, notierte in seinen Aufzeichnungen am 16.April 1691:

„Den hiesigen Kindern gebe ich zu Ostern im Garten versteckte Eier.“

Den Brauch erwähnt er im Zusammenhang mit der in der Kirche seit dem 12. Jahrhundert üblichen Segnung der Eier, der Benedictio ovorum (und anderer Osterspeisen): die Kinder durften am Ostermontag im Klostergarten die eingefärbten Eier suchen, die der Abt am Ostersonntag im Gottesdienst gesegnet hatte. Das Tagebuch Jacob Voglers ist heute im Besitz des Landesarchivs Baden-Württemberg, Abteilung Generallandesarchiv Karlsruhe – kurz Badisches Landesarchiv Karlsruhe genannt.

Rund um Brauch und Symbolik des Ostereies

Abt Jacob Vogler bewegte sich in der Kulturgeschichte seiner Zeit und seiner Region. Denn aus dem Oberrheingebiet stammen für diesen Brauch die bislang ältesten Zeugnisse.

In seiner Abhandlung „De ovis paschalibus“ („Von den Ostereiern“) von 1682, also neun Jahre vor der Überlieferung aus dem Dorf Schuttern, beschreibt der u.a. in Straßburg und Heidelberg tätige Botaniker und Mediziner Georg Frank erstmals

die im Elsass sich ausbreitende Sitte, für Kinder die Ostereier zu verstecken.

Auch erwähnt er darin den damit bereits zusammenhängenden Kinderglauben an den Osterhasen als Überbringer der Eier, der seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in der Pfalz und am Oberrhein – vorwiegend im Elsass und den angrenzenden Gebieten – bezeugt ist – eine Vorstellung, auf die ich noch zu sprechen komme.

Das EI als völkerübergreifendes Symbol für neues, beginnendes Leben wurde ab dem Mittelalter in die christliche Kultur übernommen. Von Armenien aus verbreitete sich diese Tradition über den Mittelmeerraum bis nach Mitteleuropa. Seit dem frühen 13. Jahrhundert ist im deutschen Sprachraum das Färben von Eiern in der Karwoche bekannt. Dabei wurde für lange Zeit, bevor es üblich wurde, die Eier verschiedenfarbig zu gestalten, Rot als einzige Farbe verwendet – wies doch auch sie einen engen symbolischen Bezug zum Leben, aber auch zur Passion Jesu auf.

Sie steht als Farbe des Blutes sowohl für Leben, als auch für das Martyrium und den Opfertod Christi. Mit Blick auf die Auferstehungsfreude ist sie ebenso ein Ausdruck der Lebensfreude.

Noch heute stellt die Farbe Rot in Südosteuropa, vornehmlich in Griechenland, in Verbindung zum Blut Jesu wie auch zu seiner Auferstehung und damit zur Rückkehr des Lebens, die ausschließliche Farbe des Ostereies dar.

Der Hase – der liebenswerte Überbringer der Ostereier. Ein Lieblingstier der Kinder.

Wenn nun, wie oben erwähnt, der Hase seit dem Ende des 17.Jahrhunderts in der Kulturlandschaft des Oberrheins als „Osterhase“ heimisch wurde, wenn man dort die sich entwickelnde Tradition, den Kindern die Eier zu verstecken, mit dem Hasen als Überbringer wohl schon bald verknüpft hatte, dauerte es noch gut über 100 Jahre, bis dieser auch in weiteren deutschen Regionen als Gabenbringer eine Rolle spielte und andere Tiere wie den Storch oder den Hahn verdrängte; insbesondere in Süddeutschland wurde er rasch populär.

So nahmen sich die Konditoren der Hasen bevorzugt an und gossen zu Ostern in aufwändiger Handarbeit solche aus Schokolade wie auch rote Zuckerhasen. Weite Verbreitung erfuhr der Hase, eines der Lieblingstiere der Kinder, vor allem ab den 1950er Jahren in ganz Deutschland, als ihn die Süßwarenindustrie für sich entdeckte. Insbesondere den Hasen aus Schokolade konnte diese nun günstig und in reichhaltigen Mengen für die Kinder aller Schichten anbieten.

FORMEN für ZUCKERHASEN. Aus Gusseisen. Ende 19./Beginn 20. Jahrhundert. Historisches Café „Süßes Löchle“. Mit Museums-Backstube, LAHR/Schwarzwald

Beliebt, ja vor allem von den Kindern geradezu heiß geliebt, waren die roten Zuckerhasen, die seit Ende des 19. Jahrhunderts vor allem in Süddeutschland allerorten hergestellt wurden. Sie erleben seit etlichen Jahren ein regelrechtes Come-Back. Rot fand/findet auch hier wieder als Hauptfarbe seine Verwendung, wenngleich auch Karamell-Hasen in Honig- oder Goldgelb hergestellt wurden/werden. Im 19.Jahrhundert reichte die Symbolik von Rot noch „in die Hasen“ hinein, die durchaus auch heute wiederentdeckt wird – das Rot als Sieg des Lebens und der Lebensfreude, während das Gelb an das Osterlicht, das die Nacht durchbricht, erinnern soll. Doch darf bei den roten Zuckerhasen eines nicht übersehen werden: dass das leuchtende Rot die Lieblingsfarbe der Kinder ist.

Wer sich ein lebendiges Bild von wunderbaren Zuckerhasen und ihrer delikaten Handwerkskunst machen möchte, findet im Internet die „Zuckerhasenwerkstatt.“

Die Symbolik des Hasen

Die Gründe, die Kulturhistoriker für die Verbindung von Hase und Osterei suchten, sind vielfältig. Ebenso ergaben die Recherchen aufschlussreiche, mögliche bis offensichtliche Zusammenhänge.

Aus altem Volksglauben

Wenn der Hase, wie im Oberrheingebiet, vor mehr als 300 Jahren zu Ostern eine Rolle zu spielen begann, kann dies auf die Weitertradierung oder auch eine Neubelebung seiner ursprünglichen Symbolik im Volksglauben hinweisen. So trat z.B. das vermehrungsfreudige Tier als Begleittier der Mondgöttinnen vieler Religionen in Erscheinung, wo es als Sinnbild für Fruchtbarkeit und neu aufbrechendes Leben stand. Elemente aus altem Volksglauben wurden jahrhunderte-, sogar jahrtausendelang weiter überliefert und finden sich in zahlreichen Bräuchen und Erzählungen, vornehmlich in Märchen, wieder.

Hochaltar Freiburger Münster, Innenseite, Maria bei Elisabeth
Hans Baldung Grien, 1512-16. Abbildung Hochaltar im Münster „Unsere Liebe Frau“ in Freiburg/Br.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Freiburg_Minster_2008_(16).jpg. (2. Bildfeld von links)

In der christlichen Kunst des Spätmittelalters erfuhr der Hase eine vergleichbare, volkstümliche Deutung. In dem entsprechenden Zusammenhang von Fruchtbarkeit und Leben sind beispielsweise die Kaninchen zu sehen, die auf einem Flügel des Hochaltars von Hans Baldung Grien im Freiburger Münster dargestellt sind: auf der Bildtafel, welche die Begegnung Marias mit Elisabeth schildert, tollen die Tiere zu Füßen der beiden schwangeren Frauen. Auch das Gemälde des venezianischen Künstlers Tizian, „Die Madonna mit dem Kaninchen“, das sich im Louvre in Paris befindet, verweist mit seiner Darstellung der Jungfrau Maria in frühlingshafter Naturidylle, die, während sie sich dem Jesusknaben zuwendet, ein Kaninchen an ihrer Seite liebkost, auf die gleiche Symbolik.

Tizian, „Die Madonna mit dem Kaninchen“, um 1530, Musée du Louvre, Paris

Ideen aus frühchristlich-allegorischer Naturlehre

Vorstellungen, die für uns moderne Menschen befremdend, ja geradezu verwegen anmuten, sind Deutungen von Kirchenlehrern der Alten Kirche, wie sie einer frühchristlichen Naturlehre zugrunde lagen.

So setzten die Kirchenlehrer Ambrosius und Basilius (4. Jahrhundert) den Hasen in einen engen Deutungsbezug zu Christus und der Auferstehung. Mit solchen Interpretationen bezogen sie sich auf Erklärungen der genannten, frühchristlichen Naturlehre, Physiologus genannt, der Pflanzen und Tiere allegorisch, insbesondere mit Blick auf den göttlichen Heilsplan beschreibt.

Darin findet der Hase u.a. seinen Platz sowohl als Sinnbild für Wachsamkeit, als auch für Verwandlung und damit für Erneuerung und Auferstehung.

Die anatomische Tatsache, dass er nur sehr kleine Augenlider hat und seine Augen während seines kurzen Schlafs nicht völlig schließt, wurde dahin gedeutet, dass er nie schlafe. Dadurch wollten die Theologen eine Ähnlichkeit mit Christus erkennen, der im Tod nicht entschlief. Als Zeichen für Wandlung und Erneuerung interpretierte dann Ambrosius den Schneehasen, der in Herbst und Frühjahr die Farbe seines Fells wechselt.

Offensichtlich ist, dass die Legenden, die den Hasen mit der Osterzeit verbinden bis hin zu der Mär, er bringe den Kindern die Eier, unterschiedliche alte Vorstellungen aus Volksglaube und Volksbrauchtum sowie Symboldeutungen um Frühling und christlichem Auferstehungsfest miteinander verwoben. Offensichtlich ist aber auch, dass sich der „Osterhase“ zu einer Traditionsfigur für Kinder entwickelte, zu einer Figur, die die Phantasie und die Freude der Kinder anregte und beseelte.

Soziale Hintergründe der Agrargesellschaft

Unterschätzt werden darf bei der Prägung kultureller Entwicklungen jedoch auch nicht der Einfluss der jeweiligen Gesellschaft und ihrer Lebensweise. Die wirtschaftlich-soziale Realität der überwiegend bäuerlichen Gesellschaft vergangener Epochen bestimmte die Entfaltung entsprechender Traditionen mit.

Es kann daher mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass diese ebenso die Verknüpfung von Hase und Ei und die mit ihr zusammenhängenden Bräuche beeinflusste:

Eier, aber auch Kleinvieh wie Geflügel und Hasen zählten zu den Zins-Abgaben, die der „kleine Mann“ seinem Herrn regelmäßig zu entrichten hatte. Die vorgegebenen Zins-Termine waren neben Martini und Lichtmess vor allem der Gründonnerstag, also der Donnerstag vor Ostern. Das im 14.Jahrhundert erwähnte „Osterei“, das, wie es das Deutsche Rechtswörterbuch überliefert, in der Bedeutung des „Zinseies“ erscheint, das zu Ostern abzuliefern war, bestätigt den entsprechenden Zusammenhang.

Alles in Allem bleibt eines unbestritten: dass die Kinder nach wie vor den Osterhasen und die Geschichten, die sich um ihn ranken, in ihr Herz geschlossen haben.

Unbestritten ist auch, dass Süßwarenindustrie und Supermärkte nicht auf ihre jährlichen Umsätze zur Osterzeit verzichten müssen.

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2 Kommentare

  1. Ich habe mal in einer sehr schönen Osterpredigt von Jakob Tscharntke, einem der letzten wirklich bibeltreuen Pastoren in Deutschland, die Erklärung gehört, dass das (Oster-)Ei vor allem deshalb für die Wiedergeburt Jesu Christi steht, weil man ihm von aussen nicht ansieht, dass das blühende Leben in ihm ist. Der Osterhase sei eher ein Kaninchen, weil es um die Behausung geht, in der Jesus Christus drei Tage vor seiner Widerauferstehung zugebracht hat: Eine Höhle, ähnlich einem Kaninchenbau.
    Wie auch immer, ich mag solche alten Traditionen (ganz im Gegensatz zum Weihnachtsmann, der eine Verhöhnung der Menschwerdung Gottes ist).

  2. Sinnbild für Fruchtbarkeit und neu aufbrechendes Leben ist soweit richtig, aber viel Länger als 300 Jahre Da hiess die Mondgöttinn ? ganz einfach ( seit Urzeiten und weit vor der Christianisierung ) germanische Frühlingsgöttin. Der überlieferte Name ist : ” OSTARA ” . Daher auch der adaptierte Name ” Oster “.-Fest.

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