BARBIE im Kino. Das wirft sogleich die Frage auf: Wie »woke« ist der Film? Und wie schwer wird es für männliche Kinobesucher, die von ihren Frauen und Freundinnen mit in den Kinosaal geschleift werden, diesen Film zu ertragen?
Was macht man, wenn man mit einem hochgradig erfolgreichen Kommerzprodukt Millionen scheffelt, das in den Verdacht geraten ist, mit einigen Dogmen der linksfeministischtranssexuellverquerfühlenden Orthodoxie im Widerstreit zu liegen? Wie rettet man das Geldscheffelprodukt vor dem Zugriff der »woken« Erleuchteten des Transformationszeitalters?
Vor diese existenzielle Frage sah sich der MATTEL-Konzern gestellt. Richtig, das ist der Hersteller und Copyright-Inhaber der Barbie®, der spindeldürren Supermodel-Puppe mit den langen Beinen, dem langen goldblonden Haar und allen anderen Attributen weißen Suprematie-Denkens, die nach gängiger Meinung außerdem eine Einladung zu dem ist, was in den Kreisen psychisch labiler Jugendlicher mit Selbstannahmestörung »body shaming« genannt wird. Verblüffend einfach war schon die erste Reaktion des Konzerns auf Probleme mit der Akzeptanz im »woken« Diskurslenkungsmilieu. Er folgte der alten Trojaner-Kriegslist: Wenn du einen Gegner bezwingen willst, mach dich zu seinem Anwalt. Aktualisiert: Willst du nicht zum Opfer der Digital-SA der Regenbogenfaschos werden, schließ dich ihnen an. MATTEL ist also selbstverständlich für »Inklusion und Diversität«, sonst wäre der Puppenladen ja morgen ein Trümmerhaufen, und hat also einfach ein paar Barbies® hinzuerfunden, schwarze, asiatisch aussehende, mestizenhaft aussehende. Jetzt neu dabei ist die Transen-Barbie®, die aber natürlich – Framing ist alles – nicht so heißt, sondern Pride-Barbie®. Es gibt sogar eine dicke Barbie®. Nur wollte die keiner haben, wie im April 2017 der STERN meldete.
Echte Mädchen spielen mit Barbies
Nichts sind all diese Tricks und Kniffe indes im Vergleich zum neuesten Coup des Konzerns: des ersten großen, abendfüllenden »Barbie®«-Films in Kooperation mit der Produktionsfirma der Warner-Brüder. Er beginnt mit der Feststellung, dass es Puppen gibt, seit es kleine Mädchen gibt, die gern spielen, und einer gar nicht mal so geistlosen Verneigung vor Stanley Kubricks »2001 – Odyssee im Weltraum«. Dort waren es Affen, die auf dem Weg zur Menschwerdung die Vorzüge der Gewalt entdeckten. Hier sind es kleine Mädchen, die auf dem Weg zur Frauwerdung Puppen zertrümmern, die keine Barbies sind. Die Botschaft ist so einleuchtend wie raffiniert ironisiert: Echte Mädchen spielen nicht mit Puppen. Sie spielen mit Barbies®!
Damit sind zwar Konkurrenzprodukte, aber immer noch nicht das Problem mit den »woken« Spielverderbern aus der Welt. Und so versetzt der Film von Greta Gerwig seine Zuseher und Zuseherinnen (liebe Gendergegner, das geschlechtersensible Wortdoppel muss diesmal sein) in eine Welt, in der alle feministischen Mädchenwolkenblütenträume Wirklichkeit geworden sind: In Barbieland, einer Art »Truman-Show« ohne Kameras (außer denen natürlich, die die Regie für uns aufgestellt hat), in Barbieland also, wo wie in Hollywood ein entsprechender Schriftzug an malerischen Hängen prangt, sind die Kens ausnahmslos da zur Bespaßung der diversen Barbies®. Divers ist dabei durchaus im neo-orthodoxen Sinn zu verstehen: Mit Hari Nef ist ein Schauspieler mit an Bord, der beim Arbeitsamt »d« für »divers« ankreuzen würde, wenn er nicht aktuell so gefragt wäre.
Barbies® haben aber natürlich auch mal Lust auf andere Dinge als nur auf Spaziergänge mit Ken: heiße Duschen, schicke Schminke und feucht-fröhlich-feministische Mädelsabende. Die sind zwar nur halb so witzig wie bei »Desperate Housewives«, aber es gibt trotzdem ein paar Einzeiler, über die man (ja, Mann!) lachen kann. Denn sich selbst nicht bierernst zu nehmen, bekanntlich die Definition von Humor, ist wichtig. Sprich: Selbstironie und parodistische Übertreibung gehören zum Konzept der Komödie, die schrill ist, aber nicht subversiv. Nun will aber natürlich kein Mensch stundenlang dabei zusehen, wie Barbie® in potthässlichen rosa Klamotten durch eine feministisch-deerotisierende Traumwelt tapert. Also muss etwas geschehen. Dazu dient im neuen amerikanischen Verblödungskino bekanntlich der Riss im Raum-Zeit-Kontinuum, den wir bereits aus diversen Verwirrungsfilmen aus dem Hause Marvel wie »Dr. Strange und das verrückte Multiversum« oder »Spider-Man – Wo bitte geht’s denn hier zum Spiderversum?« (oder so) kennen. Durch diesen Riss ist Barbieland mit der realen Welt der Menschen verbunden, die mit Barbies® spielen.
Als aus der Dusche der Original-Barbie® (Margot Robbie) morgens kein Tropfen Wasser kommt, ist klar: Etwas ist aus den Fugen geraten. Die kluge Blondine – diesmal kein Oxymoron – findet durch eine Problembesprechung mit Psycho-Barbie® heraus, dass eine Störung des Traumlebens in der rosa Traumwelt erfolgt, wenn in der realen Welt eine Barbie®-Spielerin destruktive Ansätze entwickelt. Per Telepsychokinese ist die Entsprechung der Puppe, mit der das morbide Kind spielt, in Barbieland von dem Defekt unmittelbar betroffen.
Ken muss auch für etwas gut sein
Mittels einer geheimen Transzendenz-Formel stranden Barbie® und Ken (Ryan Gosling), der mit darf (er muss ja schließlich für irgendwas gut sein), den Riss im Kontinuum nutzend, in der Welt der Menschen und Barbie®-Spielerinnen, um wieder gerade zu rücken, was aus dem Lot geraten ist. Hier trifft Barbie® den Vorstandsvorsitzenden von MATTEL (Will Ferrell) und die Erfinderin der Barbie®-Puppe, was sie aber, im Gegensatz zum nicht auf den Kopf gefallenen Zuschauer, zu diesem Zeitpunkt nicht weiß. Anschließend geht’s zurück ins Barbieland. Doch – o Schreck! – durch ihren Ausflug in die reale Welt, ist hier nun vollends alles aus den Fugen geraten: Die Kens haben die Macht übernommen und Barbieland das Matriarchat ausgetrieben. Die Kens saufen und raufen und schubsen ihre Barbies® nur noch herum. Das Patriarchat – der schlimmste aller Albträume – ist Wirklichkeit geworden im Land der rosa Jogginghosen, filigranen Handtäschchen und Haarbürsten. Barbies® Ken rennt auf einmal in einem mafiösen Ich-bin-wer-Umhang herum und veranstaltet mit seinen Kumpels wilde Partys. Barbie® muss sich jetzt dringend was überlegen.
So lächerlich, wie das alles klingt, ist der Film tatsächlich. Es sei konzediert, dass Barbieland optisch einiges hermacht. Margot Robbie, obwohl streng genommen natürlich zu dick für eine Barbie®, auch. Nett anzusehen sind, außer Psycho-Barbie®, auch die anderen heißen Puppen. Positiv zu Buche schlägt ferner, dass der Film die eine oder andere feministische Exzentrizität durchaus durch den Kakao zu ziehen wagt und – natürlich – jugendfrei ist. Ob das aber verhindern wird, dass Barbie® – der Film sich in schätzungsweise zwei Jahrzehnten in der Rubrik »SchleFaZ« (»Schlechteste Filme aller Zeiten«) einen Stammplatz erobert haben wird? Wenn die Welt noch zu retten ist, wohl nicht. Aber vielleicht hat sie sich bis dahin ja in den beträchtlichen Teil von Barbieland verwandelt, der nicht lustig ist.
Filmstart: 20. Juli