StartPolitik DeutschlandAfD-Landesparteitag in Ketsch. Die Freiheit schwimmt in der Spätzles-Soß

AfD-Landesparteitag in Ketsch. Die Freiheit schwimmt in der Spätzles-Soß

Markus Frohnmaier und Konsorten auf der Bühne während des Mitgliederparteitags der AfD in Ketsch am 16.11.2024.

Heute war ich mal frohgemut auf dem Landesparteitag der AfD in Ketsch. Die Aufstellungsversammlung in Ulm hatte ich mir erspart, obwohl ich eigentlich erwogen gehabt hatte, mich für die Bundestagswahl aufstellen zu lassen. Vorsichtige Erkundigungen vorab hatten mich eines Besseren belehrt. Lediglich Leisetreter und Leute auf Alice-Linie wurden auf der Liste zugelassen. Abgeordnete und gelernte DDRler wie Dr. Christina Baum, die sich mit 2 Coronasymposien verdient gemacht hatte, wurden wegen zu viel Kanten aussortiert. Mir war daher sogleich klar: Der Weg nach Ulm, in Ulm und Ulm herum war mithin sinnlos geworden.

Hauptziel: Entmachtung der Basis

Nun Ketsch. Sorgfältig hatte ich alle 34 Seiten der Änderungsanträge und den Leitantrag des Vorstands ausgedruckt. Hauptziel des Leitantrags dieses Parteitags des Zentralkomitees: Die Einführung von Delegiertenversammlungen wie bei den Altparteien – vermarktet mit dem Wieselwort „Professionalisierung“. Wesentliche Argumente, die stakkatoartig und mit viel Gebrüll von den Vorständen Markus Frohnmaier, Martin Hess, Emil Sänze, Marc Bernhard und ihren an den Saalmikrofonen bereitstehenden Adlaten regelrecht in die Hirne der herbeigeholten Herde eingehämmert wurden, waren:

Strategie der Dringlichkeit, Alternativlosigkeit und Angst

  • Der Landesverband Baden-Württemberg zählt ca. 7.200 Mitglieder. Wenn nur 20% Mitglieder am Parteitag teilnehmen, haben wir Schwierigkeiten, eine von den lediglich 10 – 15 Hallen in Baden-Württemberg zu bekommen. Großes Geschlotter, große Angst!
  • So ein Parteitag ist nicht nur unlustig, sondern so ein Parteitag ist auch teuer. SEHR TEUER! Und das bei SO VIEL Aufstellungsversammlungen. Jetzt SO KURZ vor einer SO WICHTIGEN Wahl. Wir haben doch nur rund 1 Million. Und die ist dann weg. Ganz weg. Der Pleitegeier kreist schon über uns und wird uns holen. Und dann können wir gar keine Wahl mehr gewinnen. Und dann ändert sich in diesem Land nix. Rein gar nix. Alles wird ganz, ganz schlimm, wenn wir nicht unbedingt, JETZT, SOFORT UND GLEICH eine Delegiertenversammlung einberufen.
  • Und dann unsere Feinde, die Altparteien. Die gönnen uns nix und hassen uns wie die Pest. Deswegen müssen wir das ganze schöne Geld der Mitglieder UNBEDINGT, SOFORT UND GLEICH in den Wahlkampf stecken.

Und DESHALB muss JETZT, SOFORT UND GLEICH die Delegiertenversammlung mit 400 Delegierten her. Damit wir schlagkräftig sind. Damit wir effizient sind. Damit wir die Wahl gegen die bösen Altparteien gewinnen. Und daher schaffen wir jetzt die Basisdemokratie als Alleinstellungsmerkmal der AfD mal einfach ab!

Bin ich hier bei einer Altpartei?

Frau wundert sich. Ich wundere mich und trete ans Mikrofon. Meine Argumente:

  • Ständig wird uns die Million um die Ohren geschlagen. Eventuelle Spenden werden nicht erwähnt.
  • Alternativlösungen werden nicht debattiert.
  • Es wird absolute Dringlichkeit signalisiert.
  • Es wird nur auf entweder / oder abgehoben.
  • Ich fühle mich nicht wie bei der AfD, sondern wie bei einer Altpartei.
  • Die Basisdemokratie als Alleinstellungsmerkmal der AfD wird einfach geschliffen und die Delegiertenversammlung als zusätzliche Machtebene eingeschoben.
  • Es wird intensiv Angst vor Hallen- und Geldmangel geschürt, obwohl die AfD immer stärker in der Gesellschaft akzeptiert wird und daher weder Hallen noch Geld ein Problem sein sollten.
  • Und überhaupt: Wo bleibt der „Mut“ als weiteres Alleinstellungsmerkmal der AfD?

Der Vorstand ist „angefressen“ ob der Widerworte

Die Reaktion des Vorstands? Am besten treffen es wohl die Begriffe „angefressen“ und „angepißt“ ob der Widerworte eines normalen Mitglieds. Herr Hess empört sich lauthals, dass ich von „Entweder / oder“ gesprochen habe und es gar gewagt habe, einen Vergleich mit den paternalistischen Altparteien zu ziehen, die den Wählern wie eine Mutter beim Kleinkind zwei paar Schuhe zur Auswahl vor die Nase halten, während sie hinter ihrem Rücken einen großen Schrank mit vielen bunten, unterschiedlichsten Schuhen fest verschlossen halten.

Es folgt weiterhin massiver Druck auf die Mitglieder. Die “kostbare” Million schwirrt weiterhin bedrohlich durch den Saal. Händeringend werden fehlende Hallen beschworen. Die Stimmen der Stiernacken auf der Bühne werden immer lauter und die Einschüchterungen wecken ungute Erinnerungen an Coronazeiten. Allen voran Napoleon – Verzeihung – Markus Frohnmaier und unser ehemaliger Freund und Helfer Martin Hess als „Enforcer“. Man könnte meinen, dass er jeden Augenblick den Knüppel zückt, um uns zu zeigen, wie man abstimmen soll.

Stiernacken, Rammböcke und Liebdiener

Ich staune große Bauklotztürme. Erst gestern bestätigten meine Schwester und ich uns gegenseitig, dass wir keine Lattemänner mit Dutt, sondern echte Männer wie in der AfD wollen, die den Rammbock geben, um die Grenzen zu schließen, illegal Eingewanderte abzuschieben und wieder Recht und Ordnung einzführen. Rammböcke, die der Islamisierung Einhalt gebieten und unsere Rechte als Frauen schützen würden. Dafür war und bin ich noch durchaus bereit, Chauvinisten, Prahlhälse und ein Übermaß an Testosteron in Kauf zu nehmen.

Nichtbefassung und Konformität wie in der CDU

Womit ich jedoch nicht gewettet hatte, war, dass ich als Mitglied und Frau von so vielen Böcken auf der Bühne gerammt werden würde. Manch eine Müsli-Feministen mag nun weise mit dem hageren Kinn nicken und sagen: „Ich habe es Dir gesagt – lauter Nazis!“ Nein – denn das ist ja das Traurige: Lauter machthungrige Männer wie in der kommunistisch unterwanderten CDU, die nichts unversucht ließen, jegliche Widerworte und Debatten zum Delegiertenversammlungsbeschluß abzubügeln. Auch die nächsten Tagesordnungspunkte wurden nach Gutsherrenart unterstützt oder unliebsame Anträge mit „Nichtbefassung“ im Keim erstickt.

Effizient, brutal und still wurde die Debattenkultur zu Grabe getragen. Corona – die Meisterin aus Deutschland – hat dem Vorstand viel Nachhilfe in Machtausübung durch Angstmache und Einschüchterung erteilt.

Loyalität? Ja! – Sachkenntnis? Nein!

Beredtes Zeugnis dieser vorab abgesprochenen Pfründe und Belohnungsämter innerhalb dieser Machtgruppe war auch die Wahl der Vorstände des Parteienkonvents. Bis auf einige integre Kandidaten, welche die Stufen der Bühne erklimmen mußten, kandidierten verschiedene Vorstandsmitglieder oder sonstige Getreue für den Konvent, indem sie sich kurz von ihrem Stuhl auf der Bühne erhoben und ein paar Schritte zum Mikrofon gingen. Fast, aber nur fast, würde dieses Vorgehen wie Trumps Strategie anmuten, ausschließlich absolut loyale Kabinettsmitglieder in seinen Stab zu berufen. Leider fehlen dieser AfD-Machtgruppe jedoch wesentliche Faktoren, die Trump in seinem Team sichergestellt hat: Sachkenntnis, Rückgrat und ein Plan zur aktiven Gestaltung des Landes, wie etwa im 900-seitigen Werk „Project 2025“ des Trump-Teams.

Humorlosigkeit und null Charisma

Der entscheidendste Unterschied zwischen Trump und dem Vorstand der AfD Baden-Württemberg ist jedoch die absolute Humorlosigkeit, das autoritäre Gebaren, das Abbügeln von Debatten, Arroganz, Paternalismus sowie Respektlosigkeit, Belehrungen und Beleidigungen des Vorstands gegenüber den zahlenden Mitgliedern, die eben jenem Vorstand gerade die Posten ermöglicht haben, welche sie nun benutzen, um selbstherrlich Macht auszuüben und sich von den eigenen Mitgliedern in Delegiertenversammlungen und Konventen abzuschotten.

Die AfD Baden-Württemberg ist nicht rechtsextrem, sondern sehr bequem

Daher: All Ihr Grünen und Linken da draußen – Ihr könnt Euch beruhigt in Eure Hängematten kuscheln und weiter auf unsere Kosten Reiswaffeln futtern. Die AfD Baden-Württemberg ist weder rechtsextrem noch rechts. Für mich ist sie lediglich ein müder Abklatsch der Altparteien und ein eifriger Lehrling des Coronaterrors. Der frische Wind, den ich mir von der AfD erhofft hatte, ist zumindest in Baden-Württemberg verflogen und stickiger Vetternwirtschaft gewichen. Emil Sänze beispielsweise mutet mir visuell und auditiv wie ein Wiedergänger von Winfried Kretschmann an.

Eingepeitscht und durchgepeitscht

Inzwischen ist es 15:15 Uhr und ich gehe ein Stockwerk tiefer, um etwas zu essen. Während ich genüßlich meine vorzüglichen Käsespätzle kaue, verfolge ich das Geschehen weiter auf dem Bildschirm. Um 15:25 Uhr erscheint unvermittelt die deutsche Fahne mit dem Text der Nationalhymne und ich höre den Gesang der Mitglieder von oben. „Ist es denn schon vorbei?“, frage ich die Umstehenden. Tatsächlich! In nur fünfeinhalb Stunden wurde der Parteitag mittels Abwürgen, Beenden der Debatten und Nichtbefassung durchgepeitscht. So etwas kannte ich bisher nur vom Militär oder kommunistischen Parteitagen im ehemaligen Ostblock oder China. Die AfD war für mich bislang die Verheißung der direkten Demokratie, des Rebellentums und der echten Veränderung. Ich nehme einen letzten Bissen und lasse meinen Blick auf der Suche nach der verlorenen Freiheit umherschweifen. Schließlich werde ich auf meinem eigenen Teller fündig. Dort schwimmt sie – die Freiheit – in meiner Spätzels-Soß.

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