Am Montag Abend, dem 20.01.2025 entfuhr dem Dolmetscher, der bei Phönix die Amtseinführung von Präsident Trump durchaus gut simultan gedolmetscht hatte, bei offenem Mikrofon der genervte Kommentar: „Wie lange wollt ihr bei dem Scheiß bleiben?“
Der Kollege hat damit 3 Gebote verletzt, die angehenden Dolmetschern während des Studiums eingebläut werden.
Gebot Nummer 1 – die Räuspertaste
Bei Husten, Anmerkungen oder Vokabelfragen an den Kabinenpartner ist zwingend die Räuspertaste zu drücken. Falls nicht vorhanden, ist das Mikrofon auszuschalten. Falls das Mikrofon anbleiben soll, ist es mit der Hand abzudecken. Erst dann kann man husten, sprechen, fluchen oder was auch immer.
Natürlich kann es bei extrem anstrengenden Situationen passieren, dass man vergißt, die Räuspertatste zu drücken – schließlich sind wir alle nur Menschen.
Ich war nicht vor Ort. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass der Kollege bei dem mit Zwangsgeldern finanzierten, öffentlichen Sender Phönix ein ordentliches Schaltpult und einen guten Ton hatte. Zudem sprach der Muttersprachler Donald Trump direkt in ein Mikrofon.
Solche Idealbedingungen führen gerade eben nicht dazu, dass einem Dolmetscher „der Kragen platzt“, wie ntv beschönigend schrieb.
Echte Stressfaktoren, bei denen mir regelmäßig nach einer Weile der „Kragen platzt“ und ich dennoch – ohne mir etwas anmerken lassen zu dürfen – weiterdolmetschen muss, sind:
- Sehr schlechter Ton, z.B. Interferenzen, Echo, Rauschen und Reiben eines Nackenbügelmikrophons an Hemd oder Bart.
- Sehr starker Akzent.
- Rasend schnelles Ablesen einer geschriebenen Rede.
- Ein verwaschenes Bild oder gar kein Bild des Redners, was die Verdolmetschung stark erschwert, da Mimik und Gestik als unterstützende Information fehlen.
- Die Verweigerung der Nutzung eines externen Mikrofons von Rednern bei Zoom-Konferenzen, weswegen man bei voll aufgedrehter Lautstärke dolmetschen muss und sich damit sein Gehör ruiniert.
All diese Stressfaktoren, bei denen man die Stummschaltung vergessen kann, waren beim Trump-Dolmetscher nicht gegeben. Eine berufs- oder technikbezogene Bemerkung bei offenem Mikro ist peinlich, aber kein Drama. Die abfällige Bemerkung des Kollegen fällt jedoch in eine ganz andere Kategorie und führt mich zur Verletzung des Gebots Nummer 2 .
Gebot Nummer 2 – die Professionalität
Der Kölner Stadtanzeiger führte folgende Ausrede für den „Ausrutscher“ an:
„Donald Trump ist seit Jahren bekannt dafür, bei seinen extrem langen Reden immer wieder abzuschweifen und permanent die Themen zu wechseln. Laut einer Analyse „New York Times“ seien die Reden des 47. Präsident der Vereinigten Staaten im Laufe der vergangenen Jahre immer länger, schärfer, unkonzentrierter und profaner geworden. Die Worte des 78-Jährigen in Echtzeit zu übersetzen, ist daher für Simultanübersetzer eine spezielle Herausforderung.“ (Grammatikfehler dieser Aussage habe ich so belassen).
Analysieren wir obige Aussage einmal Schritt für Schritt:
Extrem lange Reden
Genau deshalb gibt es 2 Kollegen in der Kabine, die sich all 20 bis 30 Minuten abwechseln. Eine „extrem lange“ Rede von Trump mag vielleicht 90 Minuten dauern. Professionelle Simultandolmetscher dolmetschen gewöhnlich bei internationalen Konferenzen zu zweit bis zu 6 Stunden am Tag. Jeder, der einmal eine Klimarettungskonferenz besucht hat, wird dies bestätigen können. Diese Aussage ist daher haltlos und zeugt von offensichtlicher Unkenntnis der Dolmetschbranche.
Abschweifen und permanentes Wechseln der Themen
Nach 30 Jahren Tätigkeit als freiberufliche Simultandolmetscherin kann ich eines mit Gewißheit sagen: Dass Redner abschweifen und permanent Themen wechseln, ist das täglich Brot eines Dolmetschers. Daher: Setzen, 6, da nicht einmal Grundkenntnisse über das Dolmetschen vorhanden sind.
Längere, schärfere, unkonzentrierte und profanere Reden als „spezielle Herausforderung“ für Simultandolmetscher
Wenn ein professioneller Dolmetscher eine Anfrage erhält, kann er als vogelfreier Freiberufler in diesem Staat noch immer selbst entscheiden, ob er den Auftrag annimmt oder ablehnt. Sagt er zu, muss er sich nicht über das „Auftragspaket“ beschweren: Denn wo Präsident Donald Trump draufsteht, ist auch Präsident Donald Trum drin.
Tatsächlich sind Trumps Reden – entgegen der Propaganda – alles andere als unkonzentriert und profan. Vielmehr sind sie ausgefeilt und wechseln zwischen einfacher und poetischer Sprache. Außerdem wiederholt Trump in jeder Rede die immergleichen Aussagen.
Zudem: Was ist eigentlich so schlimm an profaner, schlichter Sprache? Diese Behauptung würdigt nicht nur Trump, sondern auch einfache Arbeiter herab, die häufig unstrukturiert sprechen und ihre Sätze nicht beenden. Soll man deswegen die Verdolmetschung ihrer Beiträge, z.B. bei Europäischen Betriebsräten, wegen „Profanität“ verweigern?
Ein plaudernder Trump, der bekannte Phrasen wiederholt, ist wahrlich keine „spezielle Herausforderung“ für Simultandolmetscher. Schon gar nicht, wenn man sich sorgfältig vorbereitet hat. Nun zum wichtigsten Gebot:
Gebot Nummer 3 – die Neutralität
Aufgabe eines Dolmetschers als Sprachmittler ist es, zwischen zwei Parteien die Verständigung herzustellen und dabei getreu und ohne Voreingenommenheit die Inhalte in eine andere Sprache zu übertragen. Neutralität ist oberstes Gebot. Man darf sich mit keiner der beiden Parteien gemein machen, da man sonst das Vertrauen der Parteien auf die Gewährleistung einer neutralen Kommunikation verliert.
Auch wenn er das Gesagte nicht gutheißen sollte, hat der Dolmetscher seine Meinung für sich zu behalten und muss danach streben, den Sinn und die Zwischentöne des Gesagten authentisch zu dolmetschen, damit die Zuhörer wirklich in der Tiefe verstehen, worum es geht und sich ein echter Austausch entfalten kann.
Beim Anhören der Verdolmetschung der Antrittsrede im ZDF und auf Welt TV kann man den Eindruck gewinnen, dass der Geist und die Gefühle in Trumps Rede unterschlagen wurden. Die Verdolmetschungen wirkten eher tonlos und unbeteiligt. Dies läßt eventuelle Rückschlüsse auf eine ablehnende Haltung des Dolmetschers zu.
Zurück zur schnoddrigen Anmerkung des Phönix-Dolmetschers. Der lässige, fast arrogante Unterton läßt vermuten, dass offensichtlich alles, was Trump von sich gibt, in seinen Augen „Scheiß“ ist und jeder in der Regie selbstverständlich seiner Meinung ist. Vermutlich hat auch Phönix dies erkannt und deshalb erklärt: „Aufgrund einer technischen Panne war heute die Kommunikation zwischen Dolmetscher und Regie hörbar. Sie spiegelt selbstverständlich nicht die Meinung des Senders wider.“
Die abschätzige Meinungsäußerung des Dolmetschers ist die eigentliche Verletzung des Berufsethos und der entscheidende kommunikative Vertrauensbruch.
Würde ich als Redner erfahren, dass ein Dolmetscher meine Aussagen so entwertet hat, würde ich sofort auf seinem Austausch bestehen. Denn wie kann ich noch darauf vertrauen, dass er meine Bemerkungen sinn- und wortgetreu dolmetscht? Genauso verhält es sich letztlich mit den linksgrünen Netzwerken, an die sich zahlreiche Dolmetscher angebiedert und ebenfalls ihre Neutralität verloren haben. Selbst als Linker würde ich bei einem Dolmetscher, der mit mir fraternisiert, nicht mehr darauf vertrauen, dass er die Inhalte eines Rechten wirklich neutral verdolmetscht, da ich ja bereits die politische Einstellung des Dolmetschers kenne.
Mein Fazit: Der Kollege mit dem „geplatzen Kragen“ hat die Gebote der Professionalität und Neutralität massiv verletzt und sollte konsequenterweise Donald Trump nicht mehr verdolmetschen.
Epilog: Was Sie vielleicht (oder auch nicht) schon immer wissen wollten:
- Schriftliche Übertragung in eine andere Sprache wird als Übersetzen bezeichnet.
- Die mündliche Übertragung in eine andere Sprache wird als „Dolmetschen“ bezeichnet.
- Das sekundenversetzte Dolmetschen wird als „Simultandolmetschen“ bezeichnet.
- Der Begriff „Übersetzen“ bezieht sich also ausschließlich auf das geschriebene Wort und nicht auf das Dolmetschen gesprochener Sprache.
Das war alles aber kein Ausrutscher. Das ist die allgemeine Einstellung von woken jungen Systemlingen die fest in ihrer Bubble leben.
Auch den zu dolmetschenden Personen passiert sowas wie dem ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan am 11. August 1984. Der wollte auf seiner Ranch in Kalifornien eine fünfminütige Radioansprache an das amerikanische Volk aufnehmen und zum “Aufwärmen” mit den Anwesenden herumflachsen: „Liebe Landsleute, ich freue mich, ihnen heute mitteilen zu können, daß ich ein Gesetz unterzeichnet habe, das Rußland für vogelfrei erklärt. Wir beginnen in fünf Minuten mit der Bombardierung“, sprach Reagan ins Mikro, das er für ausgeschaltet hielt.
Manchmal sind auch Kamera und Mikrofon noch eingeschaltet, wenn Politiker ihr eigenes Geschwätz lügen strafen. Wie Steinmeier am 14.05.2020 in einer Berliner Notambulanz. Seine Rede hielt er mit Maske, danach nahm er sie ab, gab sie einem Mitarbeiter und plauderte munter weiter. Sein Pech: Das Ganze ging viral, siehe hier:
https://youtu.be/WDrh8sWpeXE?si=uXvWZrLlU1vmdYnf
Also nicht nur Dolmetschern passiert sowas