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Betrachtungen zu JOSEPH von Nazareth

Eine Betrachtung in zwei Teilen – TEIL 1

Von Dr. Juliana Bauer

Joseph mit dem Jesuskind. Caspar Jele (1814-1893), Public domain

 „Ein Mann der Stille, um denjenigen aufzunehmen, der das Wort Gottes sein wird“, So Michel Aupetit, der emeritierte Erzbischof von Paris, über Joseph von Nazareth in einer außergewöhnlichen Predigt

Einleitung: Meine persönlichen Gedanken zum biblischen Joseph im Spiegel des Evangeliums von Jesu Geburt

In Gottesdiensten wie auch im Brauchtum der Advents- und Weihnachtszeit spielt Joseph immer wieder eine Rolle. Die Evangelien von Matthäus und Lukas, die aus der Kindheit Jesu berichten und von denen je nach Leseordnung im Advent ausgewählte Texte vorgetragen werden, sprechen von ihm: Von Joseph. „Dem Mann Marias.“ Gleich zu Beginn seines Evangeliums bezeichnet ihn Matthäus mit diesem Wort (Mt 1,16), er spricht „von Joseph, dem Mann Marias.“ Einige Sätze weiter präzisiert er dasselbe Wort noch mit der Feststellung: „Er (Joseph) erkannte sie (Maria) aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar“ (1,25). Nun steht das Wort erkennen im biblischen Kontext von Mann und Frau für ihr Einswerden, auch ihr leibliches Einswerden, in der Ehe, einer von Gott geheiligten Verbindung. In engem Zusammenhang mit der Schwangerschaft Mariens durch den Heiligen Geist und der Geburt Jesu wechselt der Evangelist zu dem Begriff des Verlobten „Als Maria … mit Josef verlobt war“ (Mt 1,18), dem Begriff, den offenbar auch Lukas vor Jesu Geburt nennt: „er (Joseph) wollte sich eintragen lassen, mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete“ (Luk. 2,5).

Auch das Weihnachtsevangelium (Luk.2,4 ff.) und die aus diesem folgenden Erzählungen um Flucht und Rückkehr aus Ägypten ist ohne Joseph nicht denkbar. Joseph. Der Verlobte Mariens. Der Mann Mariens. Ein Mann, mit dem vielseitige, idyllische Vorstellungen verbunden werden – die Idylle von Jesu Geburt, die jedoch alles andere als eine poetische Idylle war. Die gerade auch für Joseph der Spiegel einer hart-existenziellen Wirklichkeit darstellte.

Doch tritt eines, gerade in den Zeilen von Matthäus, lebendig hervor: die liebevolle Fürsorge Josephs für das Kind und „seine Mutter“, ein vielfältiges Motiv der bildlichen und erzählenden Kunst. Aber auch ein Thema in Predigten. Michel Aupetit, der emeritierte Erzbischof von Paris, verweist in Weihnachtspredigten darauf, wenn er davon spricht, dass die Liebe Marias und „die Arme Josephs genügten,“ um Gott in unserer Welt zu empfangen (24.12.19), dass sich Christus ganz „der Zärtlichkeit Marias und der Zärtlichkeit Josephs“ überließ (23.12.18).

Zwei spezielle Festtage im Jahreskreis

Die Kirche feiert zwei Josephstage. Der ältere Festtag Josephs am 19. März besteht seit dem Mittelalter; seine früheste Erwähnung findet er um 850 im Martyrologium der Insel Reichenau. Wahrscheinlich sollte dieses Datum jenes der römischen Göttin Minerva, der Göttin der Handwerker, ersetzen. Wichtig wurde Joseph jedoch vor allem als Schutzpatron der Eheleute und der Familie, aber auch der ehelos bzw. jungfräulich Lebenden.

In Italien, wie auch in vielen anderen katholischen Ländern, wird seit dem 20. Jh. am 19.März auch der Vatertag gefeiert. Gerade als Beschützer der Familienväter zählt San Giuseppe zu den beliebtesten und verehrtesten Heiligen. An seinem Festtag geht es in den Küchen Italiens hoch her: die traditionellen Zeppole di San Giuseppe, feinste, in Ölivenöl frittierte Dolci, werden zu seinen Ehren und zu Ehren der Väter gebacken. Einst in Kampanien, der Region um Neapel beheimatet, sind sie seit Jahrzehnten in ganz Italien verbreitet.

Der zweite Gedenktag von Sankt Joseph wurde auf den 1. Mai gelegt. Papst Pius XII. führte ihn im Jahr 1955 als Reaktion der katholischen Kirche auf die Arbeiterbewegung ein, als einen Gedenktag, der die Würde der arbeitenden Menschen betonen soll. Damit sind wir mit Joseph wieder verstärkt bei den Existenzfragen des Menschen angelangt. Joseph, der Schutzpatron der Eheleute und der Väter, erlangte nun, er, der Zimmermann und Bauhandwerker, als Patron für die holzverarbeitenden Handwerke einen besonderen Platz: er wurde u.a. der Schutzpatron der Zimmerleute, der Schreiner, der Bildschnitzer, der Holzfäller und anderer mit Holz Schaffender. Aber auch der Menschen in Wohnungsnot, die ein Dach über dem Kopf brauchen. 

In einer außergewöhnlichen und gleichermaßen faszinierenden Predigt widmete sich Mgr Aupetit vor einigen Monaten den wesentlichen Facetten Josephs. Die Homilie sei im Folgenden vorgestellt.

Michel Aupetit: „Ein Mann der Stille…“

Saint-Joseph-Artisan

Die Pariser Pfarrgemeinde Saint-Joseph-Artisan (Zum Hl. Josef, dem Handwerker) feiert stets am 1.Mai ihr Patronat. Deren neogotische Kirche, im 10. Arrondissement gelegen, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts anstelle einer Kapelle der deutschen Einwanderer erbaut und hörte daher ursprünglich auf den Namen „Saint-Joseph-des-Allemands“ („Sankt Joseph der Deutschen“). In der Festmesse zum Patronat dieses zu Ende gehenden Jahres hielt dort kein Geringerer die Festpredigt, als der inzwischen emeritierte Erzbischof von Paris, Michel Aupetit. Und wie so häufig überraschte und begeisterte er auch zu jenem Festtag wieder mit einer ungewöhnlichen, ja eigenwilligen Predigt. Mit einer gerade für Katholiken ungewöhnlichen Predigt über den Mann Mariens und den irdischen Vater Jesu! Und – er traf mit einigen Aussagen in dieser Predigt empfindlich den Nerv bestimmter politischer und kirchlicher Kreise. Waren sie es, die sich rund sechs Monate später rächten und ihn sein Amt kosteten?

„Er ist der Sohn des Zimmermanns“

Der zu dem Festtag ausgesuchte Evangelientext war kurz (Matth.13,54-58). Ebenso kurz und knapp war darin der Hinweis auf Joseph: in einem einzigen Satz wird er erwähnt und hier, im Vergleich zum Lukas-Text („Man hielt ihn für den Sohn Josefs“, Luk.3,23), über seinen Beruf definiert: „Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns?“ So fragten die Bewohner Nazareths, als sie Jesus in der Synagoge lehren hörten.

Die Sätze sind der Ausgangspunkt für Mgr Michel Aupetits Predigt.

„Er ist der Sohn des Zimmermanns!“ Die Frage münzt der Erzbischof in eine sichere Feststellung um. „Er ist der Sohn des Zimmermanns!“ Michel Aupetit wandelt sie in die Feststellung, dass Jesus der einfache Sohn eines einfachen Mannes ist. Eine Aussage, die gleich der Frage, das Erstaunen der Leute über die Weisheit und die Wunder Jesu untermauert, die aber auch die weitere, ungläubige Frage impliziert, woher Jesus diese Weisheit denn nehme.

„Gibt es daher zu jener Zeit nicht die gleiche Verachtung für die mit den Händen Arbeitenden, wie wir sie in unserer heutigen Gesellschaft so stark empfinden?“ fragt Michel Aupetit. Um seine Kritik an dieser Arroganz, die sich letztlich in inhaltlicher Leere dreht, direkt anzufügen:

„So viele Gelehrte, so viele intellektuelle Experten kommen, um uns mit ihrer wichtigtuerischen Geschwätzigkeit in den Nachrichtenkanälen zu überschütten und um sich unaufhörlich gegenseitig zu widersprechen.

‚Das Wort aber wurde Fleisch‘, zitiert er dann den Evangelisten Johannes (Joh.1,14) und provoziert, die gesellschaftliche Arroganz fast aufspießend: „Schlimmer noch, das Wort wurde Zimmermann.“

Um anschließend seine Zuhörer zu fragen: „Könnt ihr euch eine gute Pariser Familie vorstellen, deren Kinder die besten katholischen Schulen besuchen und die gerne möchte, dass ihr Sohn Zimmermann wird? Nein, es ist undenkbar, dass dieser keine Hochschule abschließt!“

An dieser Stelle geht Erzbischof Aupetit konkret auf den Vater Jesu ein: „Und doch ist Jesus in der Tat der Sohn des Zimmermanns, er ist sogar selbst ein Zimmermann. Was könnte auf dem Erdengrund prächtiger sein?

Gott, der Vater, vertraute seinen Sohn einem bemerkenswerten Mann an. Keinem Debattierer abstruser Ideen – keinem Debattierer abstruser Ideen –

oder einem Spezialisten für das Wort Gottes, einem Schriftgelehrten oder einem Pharisäer. Nein, er gab ihn jemandem in Obhut, der Dächer auf Häusern errichtet, um Familien zu schützen, um Familien ein Obdach zu schaffen.“

Michel Aupetit, selbst engagiert für Bedürftige und Obdachlose, verdeutlicht mit diesem Wort die für den Menschen unabdingbar wichtige Bedeutung eines schützenden Hauses, das gerade auch durch das schützende Dach zum Schutz und zur Sicherheit wird. Nicht umsonst ist der heilige Joseph daher auch der Schutz-Patron der sich in Wohnungsnot befindenden Menschen. Der „Senzatetto“, wie es die Italiener ausdrücken, der Menschen „ohne Dach“ oder, wie die Franzosen sagen, der „Sans-Abris“, der Menschen „ohne Obdach, ohne Schutz.“ Der Erzbischof sieht hier die innere Verbindung von Josephs schöpferischem beruflichem Wirken für den Menschen, das dessen Charakter präge, und seiner Fürsorge als Mensch, als Mann und Vater, in dessen Schutz Gott seinen Sohn wie auch dessen Mutter Maria stellte.

Begegnung mit Zimmerleuten und Restauratoren: Michel Aupetit auf den Dächern von NOTRE DAME:

„Ich stellte mir den heiligen Joseph inmitten dieser Handwerker vor“

Daher ist es nur logisch, dass Mgr Aupetit eine weitere Verbindung zu Joseph zieht: zu den Arbeiten auf den Dächern von Notre Dame, genauer auf den Dachstühlen, einem Arbeitsfeld, auf dem auch Joseph als Zimmermann hätte tätig sein können. Und so erzählt Michel Aupetit den Gläubigen: „Vor ungefähr zehn Tagen (d.w. im April) war ich mit dem Präsidenten der Republik und der Bürgermeisterin von Paris auf den Dächern der Kathedrale Notre-Dame. Wir haben uns mit den Handwerkern getroffen, die unsere geliebte Kathedrale restaurieren. Menschen voller Begeisterung, die es lieben, anonym an einem großartigen Projekt zu arbeiten, das über sie hinausgeht. Sie zeugten von der außergewöhnlichen Atmosphäre, die auf der Baustelle herrschte. Wie im Mittelalter wird keiner von ihnen seinen Namen auf einem Stein oder einem Rahmen hinterlassen, damit er der Nachwelt überliefert werden kann, wie es die Künstler machen, die oft mehr um ihren persönlichen Ruhm besorgt sind, als um die faszinierende Darstellung der Transzendenz.

Ich stellte mir den heiligen Joseph inmitten dieser Handwerker vor. Er muss wie sie ausgesehen haben, dieser aufrechte Mann, dem man vertrauen kann, der sich keiner großen Worte bedient.

Ein Mann, dessen Schweigen bemerkenswert ist, dessen Gesten jedoch noch bemerkenswerter sind. Er empfängt das Wort des Engels mit Zuversicht und nimmt Maria und das göttliche Kind auf. Er beschützt sie, indem er sie nach Ägypten bringt, und tritt aus deren Gesichtskreis heraus, als das Kind ein Mann geworden ist, der seinen Auftrag erfüllen wird.“

Hier zeichnet Erzbischof Aupetit den Heiligen, wie ihn Matthäus mit einem einzigen Wort charakterisiert: als Gerechten (Matth.1,19). Als Erster wird er im Neuen Testament ein Gerechter genannt. Ein Gerechter, wie er an das Psalmwort erinnert: „Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum; er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon (Ps 92,12). Ein Gerechter, der, ganz im jüdischen Verständnis nach Gottes Geboten, für Familie und Volk sorgt, der für Arme und Wehrlose eintritt, der jedoch gleichzeitig auch über das reine Gesetzesdenken hinauszuwachsen beginnt und, wie es Matthäus schildert, dem speziellen Anruf Gottes Raum lässt.

Ein Mann der Stille“, so Michel Aupetit über Joseph von Nazareth, „um denjenigen aufzunehmen, der das Wort Gottes sein wird. Ein Mann der Stille, der sich daran erinnert, dass das Wort Gottes ein kleines Kind werden wird.

Das Wort enfant (Kind) kommt aus dem lateinischen infans, was „ohne Worte” bedeutet. Vor allem in der Stille wird sich das Wort Gottes Gehör verschaffen. Und indem er seine Arme öffnet, wird Joseph das fleischgewordene Wort Gottes willkommen heißen. Weil dieses Wort zuallererst Liebe ist, das auch wir aus Liebe willkommen heißen müssen.

Es ist kein kompliziertes Gehirn, welches das Wort Gottes verstehen kann. Es ist ein offenes und großzügiges Herz, das sich allein von dem verwandeln lassen kann, der sich aus Liebe gibt. Joseph wurde von Gott unter allen Menschen erwählt und unter allen Menschen gesegnet.

Vertrauen wir ihm unsere Familien an, wie der Vater ihm seinen Sohn anvertraute. Wir werden nie enttäuscht werden.“

Homélie de Mgr Michel Aupetit – Messe à St Joseph-Artisan – Fête de Saint Joseph travailleur. Saint-Joseph-Artisan – Dimanche 2 mai 2021, Homélies – Diocèse de Paris.
www.saint-andre-europe.org
Übersetzung: Dr. Juliana Bauer

Eine kleine Anmerkung zur Darstellung des Heiligen Joseph mit Lilie oder blühendem Stab

Joseph wird in der Kunst, unabhängig von den Weihnachtsmalereien, meist mit dem Jesuskind, aber auch als Schlafender dargestellt, der die Worte des Engels vernimmt. Seine Attribute (Beigaben) sind häufig der Wanderstab, der mitunter auch knospen oder blühen kann (siehe das Gemälde von Raffael Vermählung Mariens von 1504), sowie die Lilie, die gleichermaßen ein Attribut Mariens veranschaulicht. Sie ist ein Symbol der Herzensreinheit, darüber hinaus jedoch ein Sinnbild des Lichtes und der Erwählung. Gerade als Zeichen der Erwählung durch Gott erscheint sie, ebenso wie der blühende Stab, auch bei Joseph (vgl. zu Joseph auch die Erwählung des Hohepriesters Aaron, dessen Stab grünte und blühte: 4.Buch Mose, 17,23).

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