StartRussland und die Ukraine - DebattenbeiträgeEckpunkte einer Nachkriegsordnung mit Russland

Eckpunkte einer Nachkriegsordnung mit Russland

– Raus aus der Ukraine, die NATO muss Expansion beenden
– NATO-Länder sollten die Rüstung auf das Doppelte beschränken
– Heimatländer denen, die in ihnen wohnen – auch im Donbass

Von Albrecht Künstle

Territoriale Entwicklung der Ukraine 1922 – 1954. (c) Spiridon Ion Cepleanu, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Der Kriege sind genug, die bisherigen forderten zu viele Tote und schufen neue Grenzen ohne Rücksicht auf die jeweilige Bevölkerung. Aus dem Deutschen Kaiserreich mit 541 000 km² wurde das Deutsche Reich mit 469 000 km². Und durch den Zweiten Weltkrieg wurde Mitteleuropa samt seiner angestammten Einwohner nach Westen verschoben bzw. vertreiben. Aus Ostdeutschland wurde die DRR und Polen, aus Ostpolen wurde die Ukraine usw. Und Westdeutschland wurde auf 249 000 km² geschrumpft und maß nur noch 46 Prozent des Kaiserreichs. Dabei hatten wir noch Glück, denn wie schrieb Bertold Brecht 1951: „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“

Die 15 Unionsrepubliken zwischen 1956 und 1991: 1. Armenien UdSSR 2. Aserbaidschan UdSSR 3. Belarus UdSSR 4. Estland UdSSR 5. Georgien UdSSR 6. Kasachstan UdSSR 7. Kir-gistan UdSSR 8. Lettland 9. Litauen 10. Moldavien 11. Russland 12 Tadschikistan 13. Turkmenis-tan 14. Ukraine 15. Usbekistan. CC BY-SA 3.0, Wikipedia.org

Nicht ganz so schlimm traf es die Sowjetunion, die einmal 22,4 Mio. km² umfasste. Das heutige Russland misst noch 17 Mio. km². Der Warschauer Pakt erstreckte sich von der Beringstraße vom 170. Längengrad über 11 000 km bis nach Berlin auf dem 13. Längengrad. Und im Norden vom 75. Breitengrad ca. 5 000 km bis zum 35. Breitengrad in Turkmenistan. Die OVKS unter der Führung Russlands musste Federn lassen; einige Länder wechselten die Seiten und gehören jetzt zur NATO.

Die entgegengesetzte Bilanz kann die Ukraine vorweisen. Sie war nie selbstständig, sondern ein Spielball von Russland, Polen, der Tschechoslowakischen Republik und Rumänien. Erst 1991 erhielt die Ukraine ihre volle Eigenständigkeit und wurde ein Land fast doppelt so groß wie Deutschland, aber mit nur etwa halb so vielen Einwohnern. Der Start von null auf 100 war wirtschaftlich getrübt, denn nach der Loslösung von der Sowjetunion ging das Bruttoinlandsprodukt um 60 Prozent zurück. Ohne den prosperierenden Südosten hätte es noch schlechter ausgesehen.

Aber Kriege und andere Kräfte oder Mehrheiten verändern Grenzen, die zu respektieren sind. Für Deutschland sind die Ostgebiete verloren, ebenso für Russland frühere Sowjetrepubliken. Sie militärisch zurückzuholen, verbietet sich nicht nur nach dem Völkerrecht, es wäre reiner Revisionismus. Deshalb hat Russland in der Ukraine nichts mehr verloren, schon gar nicht mit Truppen.

Russland muss ebenso aus der Ukraine raus, wie es einst zu Vietnam hieß, Ami go home! Auch die USA hat heute in Europa nichts mehr verloren. Kein NATO-Land wurde angegriffen und die Stationierung ihrer Waffensysteme samt Bedienungstruppen in den neuen Frontstaaten bedeutet für das benachbarte Russland eine Provokation, die gefährlich war und nun zum Krieg führte. Denn Russland will sich offensichtlich nicht noch einmal einen übermächtigen Gegner vor die Nase setzen lassen. Dass die Ukraine schon jetzt ein gefährlicher Feind für die Russen ist, zeigt sich an den Verlusten auch auf Seiten der Invasoren. Es ist ein völkerrechtswidriger Krieg.

Die jetzt die Ukraine verlassen, sind wirkliche Flüchtling, auch wenn sie das teilweise ihrem Präsidenten zu verdanken haben. Sie sollten nicht nur von den Nachbarländern, sondern auch von Deutschland aufgenommen werden. Aber solange das der Fall ist, muss für Migranten aus Asien und Afrika ein Aufnahmestopp verhängt werden. Das gilt auch für jene, die es nun über die Ukraine versuchen. Bei den 145 000 Ukrainern, die schon hier leben, sollten nicht nur Verwandte, sondern auch andere Landsleute einquartiert werden. Das entlastet unsere staatlichen Aufnahmekapazitäten, die schon jetzt überlastet sind. Die Hetze aus Brüssel gegen Polen und Ungarn sollte nun schon wegen der Flüchtlinge aus der Ukraine unterbleiben. Ein „Sondervermögen“ für die Ukraine darf nicht gebildet werden, weil es das Gegenteil von Vermögen wäre – Zusatzschulden!

Wie kann es nach dem Abzug der Truppen und Kriegsende weitergehen? Als Moderator könnte China eine maßgebliche Rolle spielen, welches zu beiden Ländern gute Beziehungen pflegt.

Hier einige Punkte zu einer Friedenslösung, aus Platzgründen nur thesenhaft.

  • Die NATO darf weder die Ukraine, noch Finnland und Schweden zum Beitritt auffordern und jede Forderung nach Aufnahme in die NATO sollte definitiv ausgeschlossen werden.
  • Der Beitritt zur EU muss ermöglicht werden, sobald die Konvergenzkriterien erfüllt sind. Das ist noch nicht der Fall, im Gegenteil fiel das Land mit seiner Korruption und anderer Defizite im Demokratieranking fast auf das „Niveau“ der Türkei zurück (Übersicht).
  • Keine weiteren Waffenlieferungen in die Ukraine, sie ist schon jetzt überrüstet. Die deutsche Ankündigung, doch Waffen zu liefern, löste bei Putin die Aktivierung von Atomwaffen aus.
  • Die Rüstungshaushalte der europäischen NATO-Länder sollten auf das Doppelte der Rüstungsausgaben von Russland beschränkt werden. Russland gab 2020 umgerechnet 66,8 Mrd. Dollar für das Militär aus, sodass sich die Kernländer in Europa auf 134 Mrd. Dollar beschränken könnten. Doch alleine Großbritannien, Frankreich und Deutschlands Militärhaushalte belaufen sich auf über 160 Mrd. Dollar (Quelle), die übrigen NATO-Länder nochmal so viel. Es gibt keine Rechtfertigung zur Aufrüstung.
  • Ukrainische Landesteile mit russischen Bevölkerungsmehrheiten sollte Autonomie zugestanden werden, also der Krim und dem Donezk, und von der Völkergemeinschaft anerkannt werden. Das muss nicht für Luhansk gelten, das mehrheitlich ukrainisch ist.
  • Das Selbstbestimmungsrecht muss umgekehrt auch für Volksgruppen von NATO-Ländern gelten, die das Säbelrasseln der NATO und die Reglementierung durch Brüssel nicht mehr mitmachen wollen. Spontan können mindestens eine Handvoll genannt werden.
  • Die ukrainischen Angriffe auf die autonomen Gebiete sind einzustellen, ebenso die Diskriminierung von Russen in der Ukraine. Umgekehrt von ukrainischen Minderheiten in russischdominierten Gebieten, gegebenenfalls unter Kontrolle der UNO.
  • Das Verbot der Ausstrahlung russischer Sender in Deutschland muss aufgehoben werden. Zwar sind diese ebenso einseitig wie unsere Medien, aber es war schon immer gut, dass im Krieg auch „Feindsender“ gehört und Westsender in der DDR verfolgt wurden.
  • Der Boykott russischer Rohstoffe, insbesondere von Gas ist aufzuheben. Nicht wegen der Interessen Russlands oder unserer Wirtschaft und Privathaushalte, sondern weil das LPG-Flüssiggas aus den USA schmutzigeres Gas ist, mit dem die CO2-Ziele kaum erreicht werden können. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel.
  • SWIFT sollte beibehalten werden, alleine schon, damit die deutschen Exportfirmen zu ihrem Geld kommen, siehe auch die SZ. Schon jetzt müssen die an Nordstream II beteiligten Firmen von Deutschland entschädigt werden, ohne SWIFT auch noch die bisherigen Lieferanten. Zusammen mit 100 Mrd. EUR mehr für die Aufrüstung? So kann man Deutschland auch zerstören, ohne dass auf unserem Boden ein Krieg stattfindet.
  • Ukrainer dürfen nach dem Krieg nicht vor Gericht gestellt werden, die zivil quasi als Partisanen gegen die regulären russischen Truppen kämpfen. Der nicht erklärte und dennoch eröffnete Krieg gegen die Ukraine rechtfertigt nicht nur den zivilen Widerstand mit Waffen, sondern macht diesen geradezu zur Pflicht.

Nach Redaktionsschluss eingetroffen, bestätigt die Politikwissenschaftlerin Tatjana Stanowaja die obige Sicht. Noch hält sie einen Friedenskompromiss für möglich. Sie meint, „dass die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeerhalbinsel Krim als russisch anerkannt wird, die russischsprachigen Regionen Luhansk und Donezk unabhängig bleiben. Dies und der neutrale Status der Ukraine könnten Putin dann zum Abzug der Truppen bewegen, meint sie. Genau dies forderte Putin am Montag. Aber wenn er kein Licht am Ende des Tunnels sieht, kann das alles schlecht ausgehen für alle”, sagt sie.

Im gleichen Artikel wird auch eine Kehrtwende verbreitet: „Die Allianz braucht die Ukraine nicht. Die NATO betont seit Monaten, dass jedes Land selbst darüber entscheiden dürfe, mit wem es ein Bündnis eingehen möchte – auch die Ukraine. Zugleich folgt daraus, dass es die NATO natürlich akzeptieren würde, wenn die Ukraine selbstbestimmt auf ihre Beitrittsambitionen verzichten würde, um zum Beispiel den Krieg dadurch zu beenden.“ NATO-Stoltenberg schickte Selenskyj zuerst ins Feuer und gibt ihm jetzt einen Korb, nachdem hunderte Ukrainer den Tod fanden. Er scheint auch keine bessere Moral zu haben als Putin.

Was für mich unerträglich ist: Orthodoxe russische und ukrainische Christen bekämpfen sich gegenseitig, obwohl ihre religiöse Verfassung, das Neues Testament das unmissverständlich verbietet. Auch dort versagen die Kirchen und bleiben bei bloßen Verlautbarungen. Man dürfte in dieser Situation aber erwarten, dass die Popen mit Kreuzen und Ikonen „bewaffnet“ den Panzern entgegentreten und den Soldaten auf beiden Seiten in den Arm fallen! Aber Hände falten ist ungefährlicher.

Weitere Hintergründe, Informationen und Meinungen:

Eine Expertenrunde https://www.servustv.com/aktuelles/v/aa-29cffj1w12111/

Florian Homm und Ernst Wolff bei Dominik Kettner info@kettner-edelmetalle.de

Zur Vorgeschichte https://www.rubikon.news/artikel/die-ukrainische-vorgeschichte

Ebenfalls Vorgeschichte https://multipolar-magazin.de/artikel/schwarze-tage-europas

Soeben von statista eingegangen Aktuelle Daten und Fakten zum Russland-Ukraine-Konflikt

Dieser Artikel erscheint auch auf der Webseite des Autors

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