StartRussland und die Ukraine - DebattenbeiträgeDer weißrussische Diktator Lukaschenko knickt ein, Putin verliert seinen Kriegspartner

Der weißrussische Diktator Lukaschenko knickt ein, Putin verliert seinen Kriegspartner

Von Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Publizist

Quelle: understandingwar

Putin hatte seinen Partner Lukaschenko im weiteren Angriff gegen die Mitte und den Westen der Ukraine fest eingeplant und damit auch die Sicherung seiner rechten Flanke vollzogen.

Das war Putins Plan, aber Lukaschenko machte nicht mit. Eine Ohrfeige für Putin.

Vor der Umsetzung des Operationsplan von Putin sagte Lukaschenko seine Teilnahme an dem Angriff ab.

In den weißrussischen Streitkräften gab es starken Widerstand gegen den Angriff gegen die Ukraine bis in die höchsten Dienstgrade. In der Truppe kam es zu Befehlsverweigerungen und zahlreichen Fahnenflüchtlingen.

Da sich Lukaschenko der Loyalität seiner Soldaten im Angriff nicht mehr sicher sein konnte, zog er seine frühere Zusage zum gemeinsamen Angriff zurück.

Sicherlich eine schwere Entscheidung, denn beide Diktatoren haben in den letzten Jahren eine enge Zusammenarbeit gepflegt – wie auch bei den „ illegalen Demonstrationen“ durch ukrainische Widerstandskämpfer in Weißrussland, von denen viele in weißrussischen Gefängnissen landeten.

Die Führenden in den Demonstrationen für die Selbstständigkeit und Freiheit der Ukraine mussten ins Ausland fliehen, setzten von dort jedoch ihren Befreiungskampf fort.

Diese Gemengelage war für Lukaschenko offensichtlich zu riskant für sein Land.

In der Vergangenheit hat die Sowjetunion – und dann Russland – mehrfach versucht, Lukaschenko und Weißrussland einzuverleiben, was Lukaschenko jedoch verhindern konnte, ohne die Unterstützung und das Wohlwollen des Kreml zu verlieren.

Es bleibt zu beobachten, wie Putin auf den „ Verrat“ und die Demütigung reagieren wird. Er muss auf jeden Fall Truppen in seiner rechten Flanke einsetzen, die ursprünglich für einen Einsatz im Dombass vorgesehen waren. Nachdem Putin angeblich den Schwerpunkt in den Dombass verlegen wollte, muss er seinen weiteren Operationsplan ändern.

Es ist noch nicht klar, zu welcher Lösung er sich durchringt. Er verliert Zeit und Raum durch erfolgreiche Gegenattacken der Ukraine im Süden und Osten.

Unter diesen operativen Veränderungen gewinnt die Ukraine Zeit für Geländeverstärkungen in und um Mariupol.

Die Bilder von wüsten Zerstörungen in und um Mariupol belegen die Kriegsverbrechen durch Russland. Es mordet unschuldige Frauen und Kinder. Seine früheren Versprechen, humanitäre Korridore für die Evakuierung der bedrängten Bevölkerung zu schaffen und zu respektieren, hat Russland wiederholt gebrochen und die ukrainischen Menschen sogar in diesen Korridoren beschossen.

Am 2. April 2022 konnten Bewohner von Mariupol zum ersten Mal einen Korridor unbehelligt nutzen.

Die Einzelheiten der Kämpfe in und um Kiew und Mariupol lassen sich kaum aufklären. Man muss einen Waffenstillstand verabreden und die Toten und Schwerstverwundeten von Kiew und Mariupol  bergen und identifizieren.

Schon heute ist davon auszugehen, das Präsident Selenskyi und die Brüder Klitschko durch ihr heldenhaftes Verhalten den Widerstand der Bewohner von Kiew und anderen zerbombten Städten wesentlich gestärkt haben.

Solch verlustreicher Widerstand wäre in Deutschland nicht vorstellbar gewesen. Eine Warnung für eine unsichere Zukunft.

Wie lange kann Russland seinen Angriff fortsetzen ?

Diese Frage kann man nicht allein durch militärische Entwicklungen beantworten.

Die Bewertungen von wirtschaftlich- industriellen Faktoren zahlreicher Wirtschaftsexperten und entsprechender Institute aus aller Welt zeichnen ein düsteres Bild der Zukunft Russlands. Wesentliche Ursachen:

  • Putin hat der Zeitaufwand für einen „Blitzsieg“ dramatisch unterschätzt.
  • Die Truppenstärke der Angriffskräfte war zu niedrig, um großflächig aus mehreren Richtungen anzugreifen.
  • Der Ausbildungsstand der russischen Angriffskräfte des Heeres war unzureichend für ein „Gefecht der verbundenen Waffen“ im Heer.
  • Die Abstimmungen von Heer und Luftwaffe waren offensichtlich schlecht. Gemeinsame Operationen von Heer, Luftstreitkräften und Marinekräften waren die Ausnahme – ausgenommen die gemeinsamen Operationen von Heer und Marine im Asowschen Meer bei der Beschießung von Mariupol.

Es gelang jedoch nicht, die geplante Landverbindung entlang des Küstenstreifen bis Odessa zu besetzen, als Ausgangspunkt für den weiteren Angriff bis zur Grenze Moldawiens.

  • Relativ schnell zeigten sich logistische Probleme, die den Vormarsch verzögerten.
  • In den früheren Kriegen der Sowjetunion – Beispiele Sowjetunion und Deutschland – hatten Russland/Sowjetunion jeweils einen starken Verbündeten – den General Winter. Die Angreifer blieben im Schnee und Eis stecken – ohne Winterausrüstung bei Fahrzeugen, Pferden und Soldaten.
  • 2022 kam – zu früh – das überraschende Tauwetter, das Bewegungen abseits der Straßen erschwerte oder gänzlich verhinderte. Die ukrainischen Landstreitkräfte verfügten nicht über ausreichende Kampfdrohnen. Für diese wären festgefahrene Einzelfahrzeuge oder Kolonnen leichte Ziele gewesen. Bei den Kolonnen sah man keine Soldaten an den Fahrzeugen, die keine Nahsicherung aufgebaut hatten.
  • Putin hat den Widerstand des „Feindes“ stark unterschätzt – sowohl der Soldaten als auch der Zivilverteidigung. Ein eigene Überlegenheit, die russischen Landstreitkräfte angeblich aus den Einsätzen im „Nahen Osten“ mitgebracht haben sollten, war nicht erkennbar – weder bei den Führern  noch bei den niederen Dienstgraden – in den Kampffahrzeugen
  • Die eigene Überschätzung und die Unterschätzung der Gegner sind schwerwiegende Fehler, die im Laufe eines längeren Gefechts nicht ausgemerzt werden können.

Insgesamt sind die Leistungen von russischen Streitkräften überraschend schwach.

Der Einsatz von Streuwaffen ist weltweit verboten – und damit ein weiteres Kriegsverbrechen. Zu fordern ist daher, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag gegen Russland ermittelt. Schwerwiegende Fehler in der taktischen Führung, in der Ausbildung, in der Logistik und in der Kampfmoral führen zwangsläufig zu Niederlagen im Gefecht.

Wir sollten solche Erfahrungen auch auf unser Land übertragen, zumal wir ein Sondervermögen von 100 Milliarden für die Bundeswehr zur Verfügung haben.

Für die Auswahl von dringend notwendigen Beschaffungen sollten erfahrene Troupiers sorgfältig ausgesucht werden.

Für Russlands wirtschaftlich – industriellen Komplex gibt es limitierende Faktoren

  • Der Rubel ist keine frei handelbare Währung mehr.
  • Die Zentralbank musste den Leitzins von 9,5 auf 20 Prozent anheben.
  • Gasprom wird seine Filialen in Deutschland aufgeben.
  • Russland ist in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit den 90er Jahren.
  • Experten gehen von einer Minderung der Wirtschaftsleistung um 10 Prozent aus.
  • Abwanderung von Fachkräften und ausländischen Firmen.
  • Durch Öl- und Gassanktionen der USA und Großbritannien verliert Russland jährlich 30 Milliarden an Einnahmen.

Die riesigen Vorkommen Russlands an Öl und Gas haben in der Vergangenheit die Abhängigkeit Deutschlands von Russlands Lieferungen dramatisch erhöht.

Die Regierung Merkel hat Abhängigkeiten von Russland und China ( Automobilindustrie) hingenommen, da sie den „ besten Freunden“ vertraute.

Der neuen Regierung ist es gelungen, den deutschen Bedarf an Öl und Gas zu verringern, da der Weltkonsum durch verschiedene Krisen gesunken ist – wie z.B. durch die Coronapandemie und die Wirtschaftskrisen.

Darüber hinaus haben Wirtschaftsexperten festgestellt, dass Sanktionen auch denjenigen treffen, der sie verhängt hat. Diese Experten haben festgestellt, dass ein Embargo von Öl und Gas Russland härter trifft als den Westen.

Das Schwert, das Russland in Zukunft in der Hand hält, ist stumpf geworden.

Fazit für Russland und die Ukraine:

Es kann durchaus sein, dass ein Waffenstillstand zwischen Russland und die Ukraine nicht durch Waffen herbeigeführt wird, sondern durch finanzielle und wirtschaftliche Zwänge.

Aber auch das bekommt die Ukraine nicht geschenkt, „Gebernationen“ dürfen nicht zu früh mit ihrer Unterstützung aufhören.

Der Wiederaufbau der kriegsführenden Staaten wird lange Jahre und Jahrzehnte dauern. Die psychologischen Wunden müssen zeitgleich geheilt werden.

Es ist leider zu erwarten, dass Naturkatastrophen die Welt innerhalb der nächsten 10-12 Jahren heimsuchen werden.

Das Risiko für Naturkatastrophen muss daher minimiert werden.

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