Dank des deutschen Einlenkens kann sich die EU nun an die Umsetzung eines geplanten Erdölembargos bis Ende des Jahres machen. Das ist ein großer Fortschritt. Die EU setzt am richtigen Hebel an. Sie kann mit einem Erdölembargo die Kriegsfinanzierung erschweren und die wirtschaftlichen Kosten des Krieges für Russland hochschrauben; das könnte den Druck hinsichtlich eines Waffenstillstands erhöhen. Gleichzeitig entlasten sich die EU-Staaten, weil sie weniger stark dem Vorwurf ausgesetzt sind, Kriegsfinanzierung zu betreiben.
Den Skeptikern zum Trotz sei versichert: Ein wirksamer Ölboykott gegen Russland ist möglich, aber man darf dann die Probleme bei der Gasversorgung nicht übersehen. Es spricht deshalb alles für die Erschließung weiterer Vorkommen. Denn Europas Plan, auf russisches Gas zu verzichten, ist noch weit weg von der Realität. Das größte Hindernis ist das Zögern Europas, die Gasproduktion zu erhöhen, weil es befürchtet, daß eine solche Maßnahme die europäische Klimaagenda untergraben würde. Dies ist ein Irrtum. Europa kann Wege finden, um sicherzustellen, daß eine Steigerung mit seinen Klimazielen vereinbar ist.
Das geplante Öl-Embargo wird nach Einschätzung des Ökonoms Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, nur mäßige Auswirkungen auf die Wirtschaft in Deutschland haben. Hüther sagte heute im Deutschlandfunk, es bestehe eine vergleichsweise geringe Abhängigkeit von russischem Öl, zudem sei eine ausreichende Menge Öl auf dem Weltmarkt verfügbar. Mögliche Preissteigerungen, etwa beim Sprit, könnten durch Hilfspakete für private Haushalte und Unternehmen kompensiert werden. Zudem werde sich der aktuelle Preisanstieg wieder beruhigen.
Auch die EU-Kommission schlägt ein Ölembargo gegen Russland vor
Das erklärte Kommissionspräsidentin von der Leyen vor dem Europäischen Parlament. Dann dürften europäische Firmen kein Öl mehr aus dem Land importieren. Man wolle russische Rohöllieferungen innerhalb von sechs Monaten und den Import raffinierter Erzeugnisse bis Ende des Jahres auslaufen lassen.
Das ist von sehr großer Bedeutung, weil gerade die Ölverkäufe einen besonders hohen Wert haben und deswegen auch die Einnahmen im Staatshaushalt diejenigen sind, die die Kriegsmaschinerie von Putin am Laufen halten.
„Auf diese Weise maximieren wir den Druck auf Russland und halten gleichzeitig Kollateralschäden für uns und unsere Partner weltweit möglichst gering“, sagte v.d. Leyen lt. Dlf von heute. Wenn man der Ukraine helfen wolle, müsse die eigene Wirtschaft stark bleiben.
Zu geplanten Ausnahmen für Ungarn und die Slowakei sagte die Kommissionspräsidentin nichts, nach Medienberichten sind aber umfangreiche Ausnahmeregelungen für beide Länder geplant. Ein Sprecher der ungarischen Regierung äußerte sich dennoch kritisch: Es gebe derzeit keine Pläne oder Garantien für die vereinbarte Übergangszeit. Aber das, was jetzt ausgehandelt wurde oder vielleicht als Kompromiß noch wird, ist auf jeden Fall besser, als kein Sanktionspaket zu haben.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Roth, schrieb auf Twitter, Putin verliere mit dem Embargo seinen mit Abstand wichtigsten Markt. Daß es nach den Plänen der EU-Kommission für Ungarn und die Slowakei zunächst noch Ausnahmen gebe, sei ärgerlich, so der SPD-Politiker; das von der EU ausgesandte Signal bleibe aber wichtig.
Neue Sanktionen gegen Banken
Von der Leyen kündigte im EU-Parlament auch Pläne für weitere Strafmaßnahmen an, darunter gegen russische Banken. Sie sehen ihren Angaben zufolge vor, die größte russische Bank, die Sberbank, und zwei weitere Banken vom internationalen Finanzkommunikationssystem Swift abzukoppeln.
„Dadurch treffen wir Banken, die für das russische Finanzsystem relevant sind, und schränken Putins Fähigkeit zu weiteren Zerstörungen ein“, sagt von der Leyen.
Zudem sollen europäische Wirtschaftsprüfer, Berater und sogenannte Spin-Doktoren nicht mehr für russische Unternehmen und den Kreml von Präsident Wladimir Putin arbeiten dürfen. Auf die EU-Liste der Personen, deren Vermögenswerte eingefroren werden, sollen auch Akteure kommen, die für die russischen Gräueltaten in ukrainischen Städten wie Butscha und Mariupol verantwortlich sind.
Zustimmung aller Mitgliedsländer erforderlich
Damit die geplanten Sanktionen in Kraft treten können, ist noch die Zustimmung der Regierungen aller 27 EU-Staaten nötig. Heute wollen deren ständige Vertreter in Brüssel mit den Beratungen beginnen.
Das neue Sanktionspaket ist bereits das sechste, das die EU-Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst auf den Weg bringt. Die wirtschaftlichen Strafmaßnahmen sollen vor allem dazu beitragen, Russland die finanziellen Ressourcen für eine Fortführung des Angriffskrieges gegen die Ukraine zu nehmen.
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