StartFeuilletonMit Tinte und Herzblut (letzter Teil)

Mit Tinte und Herzblut (letzter Teil)

Bild: Pixabay

Von Doris Mahlberg.

Und damit bin ich beim letzten Kapitel meines Themenaufsatzes angekommen, den ich einer aussterbenden (oder schon ausgestorbenen ??) Form der Kommunikation gewidmet habe : Dem Briefeschreiben. Wenn ich heute in meinen Briefkasten sehe, finde ich allenfalls zu Weihnachten oder zu meinem Geburtstag noch zwei oder drei Grußkarten mit einigen handgeschriebenen Zeilen, worüber ich mich natürlich sehr freue. Der Rest ist meistens für die gelbe Tonne. Welch ein Glück, daß es damals noch keine SMS oder E-Mails gab!!

Natürlich hat auch die moderne Kommunikation ihre Vorteile. Aber wer weiß schon, was von all den Daten in unseren Computern eines Tages übrig bleiben wird.

Liebste Freundin, mein teurer Freund, ………………. So oder ähnlich lautete wohl die Anrede in unzähligen Briefen vergangener Zeiten. Briefe berühmter und auch weniger berühmter Zeitgenossen, die uns viel erzählt und überliefert haben aus der Zeit, in der sie geschrieben wurden. Briefe berühmter Liebespaare, Briefe von Freundin zu Freundin, von Mutter zu Tochter, von Vater zu Sohn. Briefe von Komponisten und Künstlern, Briefe von Dichtern und Gartenfreunden, die ihre Erfahrungen austauschen wollten, und natürlich Briefe von Liebenden, die nicht zusammen sein konnten.

Theodor Storm und Dorthea Jensen

So ein Paar finden wir ganz oben im Norden in Husum, in der grauen Stadt am Meer. Als dort der 30jährige Dichter Theodor Storm der 19jährigen Dorothea Jensen begegnete, entwickelte sich daraus eine geheime Liebe voller Sinnlichkeit und Leidenschaft. Als nach einem Jahr die Gerüchteküche ordentlich brodelte, beschloß das Paar sich zu trennen, auch aus Rücksicht auf Storms Ehefrau Constanze. Sechzehn Jahre lang blieb Dorothea ihrem Theodor und Husum fern, hielt ihm aber unverbrüchlich die Treue und hielt die Verbindung durch sporadisch geschriebene Briefe aufrecht. Erst Constanzes Tod brachte das Paar wieder zusammen und führte zu ihrer Eheschließung. Damals schrieb Storm an einen Freund : „Ja, mein Freund, nun willst Du wissen wie sie heißt. Sie heißt Dorothea, sie ist 37 Jahre alt und arm wie eine Kirchenmaus. Wer nähme sie wohl an sein Herz, wenn ich es nicht täte. Aber ich tu es und bei keinem Schritt meines Lebens bin ich mehr von dem Gefühl der Sicherheit und inneren Zufriedenheit erfüllt gewesen. Und daß ich es nur gleich gestehe, die ganze törichte Leidenschaft der alten Zeit ist wieder in mir erwacht für diese ganz verblühte Frau.“

Clara Wieck und Robert Schumann

Auch Clara Wieck, die ähnlich wie Elizabeth Barrett in London unter ihrem despotischen Vater zu leiden hatte, schrieb im Dezember 1837 an Robert Schumann : „Mein liebster Robert, ein paar Zeilen zu dem Weihnachtsfest, was so viele glücklich feiern, wir getrennt und doch vereint. Möchtest Du das Fest recht glücklich und zufrieden verleben. Ich bin in der Fremde und feiere es doch in der Heimat. Meine Heimat ist bei Dir, mein Leben ist nur für Dich. Alles ist mir gleichgültig, außer der Kunst, die ich in Dir finde. Du bist meine Welt, meine Freude, mein Schmerz, alles, alles …………… .“ Erst drei Jahre später fand die per Gerichtsbeschluß schwer erkämpfte Heirat statt.

Richard Wagner und Cosima Liszt

Auch Richard Wagner hatte es nicht immer leicht, bevor er an den Hof Ludwig II nach Bayern gerufen wurde. Wie wir wissen, hegte Ludwig eine geradezu exaltierte Bewunderung für Wagner. Zu der Zeit hatte der Komponist sich aus einer unglücklichen Ehe getrennt und war geplagt von finanziellen Schwierigkeiten. Er schrieb an seinen Freund Franz Liszt : „Gib mir ein Herz, einen Geist, ein weibliches Gemüt, in das ich mich ganz untertauchen könnte, das mich ganz fasste, wie wenig würde ich dann nötig haben von dieser Welt.“ Diesen Wunsch erfüllte ihm Franz, indem er ihm seine Tochter Cosima sandte, die ebenfalls in einer glücklosen Ehe mit von Bülow gefangen war. Wie hätte Franz Liszt ahnen können, daß Cosima und Wagner füreinander bestimmt waren. In Cosima fand Wagner seine Seelenfreundin, seine Sonne, seine Muse und später auch seine Lebensgefährtin. Ludwig van Beethoven, der ja sehr viel unterwegs war, schrieb einst an seine unsterbliche Geliebte: „Du leidest, mein teuerstes Wesen, weil du wahrscheinlich erst am Sonnabend eine Nachricht von mir erhältst. Ich habe eben erst erfahren, daß nur montags und donnerstags eine Postkutsche von hier nach Karlsbad geht. Außerdem muß man die Post hier schon in aller Herrgottsfrühe aufgeben.“

Auch Adalbert Stifter beschwerte sich in einem Brief von 1863 an seine Frau Amalie, daß ihm die, “jungen Mädchen von heute so selbstsüchtig und oberflächlich“ erschienen. Tja, manche Dinge ändern sich nicht. Mit der Post war man nicht zufrieden und mit der Jugend auch nicht.

Als Mütter drücken wir uns die Hand

Einen Brief ganz anderer Art schrieb eine französische Lazarettschwester an die Mutter eines verwundeten deutschen Soldaten. Abgedruckt wurde der Brief in der Zeitschrift Die Dame im Dezember 1915 : „Geehrte Frau, Madame! Erschrecken Sie nicht, daß Sie diesen Brief erhalten, denn Ihrem Sohn geht es gut und er ist nicht in Gefahr. Er hat Ihre Briefe empfangen und die Pakete, die Sie ihm geschickt haben und ist sehr überrascht, daß Sie nichts von ihm erhalten haben. Er hat Ihnen mehrere Male geschrieben. Er ist am Unterleib verwundet und ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß er hier gut versorgt ist. Ich bin Französin, liebe tief mein Vaterland, und ich wäre unfähig einer Handlung oder eines Gedankens, die dem entgegen stehen, was ich ihm schulde. Aber gegenüber den Leiden der Wesen, die mehr Kinder als Männer sind, erinnere ich mich, daß auch ich Mutter bin und daß auch mein Sohn in diesem Augenblick kämpft. So versuche ich die abwesende Mutter zu ersetzen, die in der Ferne weint und sich beunruhigt. Gestern Abend stand er noch unter der Einwirkung der Narkose und ich habe versucht, ihn durch mütterlichen Zuspruch zu ermutigen. Sein Kopf lag auf meinem Arm, seine Hand lag in der meinigen und er sprach zu mir von Ihnen, die er so sehr liebt und ich habe versprochen an Sie zu schreiben. Als Feinde müssen wir uns hassen, Madame, aber als Mütter drücken wir uns die Hand, wenn Sie es wollen, denn wir weinen beide.

Als eine Art offenen Brief kann man die Nachricht in der Zeitschrift Die Schwestern vom Roten Kreuz verstehen, der dort im Mai 1915 zu lesen war: „Gleich dem Soldaten muß die Schwester unter allen Entbehrungen, schwerer Arbeit, Ansteckungsgefahr, kurz unter den schwersten Bedingungen ihre Freudigkeit und Zufriedenheit behalten. Sie muß ihren Verwundeten Mut und Zuversicht einflößen durch eine stets gleichbleibende Heiterkeit. Trotz Angst und Sorge um das Wohlergehen der eigenen Familie muß sie immer nur die selbstsichere und innerlich starke Schwester bleiben.“ Tja, trotz solcher heroischen Worte waren die meisten Lazarettschwestern bereits nach dem 1. Kriegsjahr am Ende ihrer Kräfte.

Es gibt noch soviel mehr über die Briefe vergangener Zeiten zu erzählen, aber an dieser Stelle beende ich meinen Beitrag. Viele Menschen schrieben sich so die Sorgen und den Alltagsfrust von der Seele, den es schon immer gab. Rosenfreunde tauschten Tipps und Erfahrungen aus und wer gerne verreiste, berichtete von seinen Erlebnissen und Abenteuern, die dann in der Heimat mit Begeisterung gelesen wurden. Es gibt so unendlich viele Dinge, die wir heute nicht wüßten, wenn unsere Vorfahren keine Briefe geschrieben hätten. Bis heute finde ich es sehr bedauerlich, daß das Lesen und Schreiben so lange Zeit nur einer privilegierten Gesellschaftsschicht vorenthalten blieb. Vielleicht haben meine Geschichten über das Briefeschreiben ja den einen oder anderen Leser erfreut.

Kommentarregeln: Bitte keine beleidigenden oder strafbaren Äußerungen. Seid nett zueinander. Das Leben ist hart genug.

9 Kommentare

  1. Ja liebe Doris wie Recht du hast, wieviele Briefe habe ich meinem zukünftigen Mann geschrieben, in der noch handylosen Zeit.
    Aber was ein Brief für Wirkung hat , wenn er zu den sich im Krieg befindeten Soldaten kam, ein Gruß aus der Heimat, der die Lebendsgeister wach rüttelte und Hoffnung gab, wieder nach Hause zu kommen, ist mit nichts zu ersetzen.

    Wie viele Briefe sind in Kästchen gewandert und in Sorgenzeiten immer wieder gelesen worden.
    Unsere Jugend wird sicher nicht mehr zur Feder greifen, aber vielleicht sollten wir es doch auch wieder tun und nicht nur wenn man einen Trauerbrief schreibt, der Hoffnung und Anerkennung geben soll.

    Gut gemacht Doris, mal wieder mit viel Tiefgang.

    • @Liebe Ingrid, solche Briefe, wie Du sie erwähnst, wird man niemals wegwerfen. Man wird sie ein Leben lang aufheben und hüten wie einen Schatz, denn sie gehören zu unserem Leben. Ich habe heute noch jedes Bild, das meine Kinder im Kindergarten für mich gemalt haben zu Muttertag oder zum Geburtstag. Als mein Sohn auf seiner allerersten Klassenfahrt (in der Grundschule) war, schrieb er uns eine Postkarte : “” Liebe Mama, wir sind hier gut angekommen und bald kommen wir wieder nach Hause, bis dann, euer XXXXXX.”” Darüber können wir heute noch lachen.

      • Super diese kleinen Liebenswürdigkeiten liebe Doris, ich weiß, du hast den Tiefgang. Den bekommt man aber auch durch unser gemeinsames Schicksal.
        Man nimmt die Welt denn anders war.
        Alles Liebe Ingrid

    • Liebe Elisa, ganz wie ich es vermutet habe, es wird nichts übrig bleiben in den ganzen clouds und zahllosen Dateien. Liebe Grüße zurück, auch an die stillen Mitleserinnen …………………

  2. “Intelligenz und Intelligenzquotient werden als unbekannte Begriffe im nächsten Jahrhundert nur noch im Lexikon verewigt sein, denn die gesetzlich gesicherten 24 Fernsehstunden schließen aus, daß überhaupt noch jemand schreiben und lesen kann.” Josef von Ferenczy (1919-2011) Ich fürchte, er wird recht behalten. Danke, Doris, für diese wunderbaren Zeilen.

    • Ja, liebe Heidi, das kann wohl sein, daß Josef von Ferency recht behalten wird. Die schöne deutsche Sprache verkommt auch immer mehr. Alles ist nur noch mega oder Hammer oder geil ! Unsere Kinder sind “kids” und man geht auch nicht mehr einkaufen, sondern nur noch ” shoppen “. Ich bin viele Jahre in England gewesen und mag auch die englische Sprache, aber dieses verhunzte Kauderwelsch-Deutsch geht mir schon lange auf die Nerven.

      • Was dabei heraus kommt, sieht man daran, dass die Personalchefs die “kids” dann erst einmal in Deutsch und Mathematik unterrichten lassen müssen. Ansonsten sind sie nicht arbeitsfähig. Die Anglizismen in der deutschen Sprache nehmen überhand und das Schlimmste ist, dass viele überhaupt nicht wissen, was sie bedeuten. Hauptsache man ist “cool”. 🙁

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