StartLandesverratKommentar zu dem Spiegel-Dreiteiler „Elf Tage in Kabul“

Kommentar zu dem Spiegel-Dreiteiler „Elf Tage in Kabul“

Bild: Netzfund

Mir geht es bei diesem Kommentar nicht darum, auf einzelne Fehler oder Versäumnisse kritisch hinzuweisen. Vielmehr geht es mir um das Gesamtbild am Ende des Einsatzes, das für mich als ehemaligem Berufssoldaten nicht zu verstehen und nicht zu vergessen ist.

In meinen 39 Jahren als Vorgesetzter und Truppenführer habe ich Vorfälle erlebt, die für alle Beteiligten unerfreulich waren, aber das komplette Versagen der politisch Verantwortlichen sowie der militärischen Führung, wie es in dem Dreiteiler des „Spiegel“ in aller Deutlichkeit sehr eindringlich beschrieben wird, ist für mich nicht erklärbar und nicht zu rechtfertigen.

Während des laufenden Krieges gab es in den Medien hin und wieder Berichte, die von einzelnen Fehlern und Versäumnissen berichteten. Sie blieben in der Regel an der Oberfläche.

Der Spiegel-Dreiteiler „Elf Tage in Kabul“ hingegen zeichnet ein in die Tiefe gehendes Desaster – vom Mannschaftsdienstgrad bis zu Ministern.

In meinen 4,5 Jahren als Operationschef in einem NATO-HQ habe ich mit meinem Team pro Jahr zwei Großübungen konzipiert, vorbereitet, durchgeführt und ausgewertet. Eine Übung diente der Vorbereitung auf den Verteidigungsfall, die zweite galt dem nationalen und internationalen Krisenmanagement – auch innerhalb des Programms „Partnership for Peace“.

Dafür wurden anspruchsvolle Übungen durchgeführt, um Fehler zu erkennen und abzustellen.

Einen Bericht wie im Spiegel hat es nicht gegeben. In Nachbereitungen wurden Fehler besprochen und Verbesserungen in die Abläufe eingearbeitet.

Mein Fazit: Der Bericht „Elf Tage in Kabul“ zeigt ein Bild auf, das ich noch heute nicht verstehen kann.

Lehren aus dem Debakel

Es waren nur wenige Mannschaftsdienstgrade, die sich falsch verhalten haben.

Gravierende Fehler wurden in den Spitzen der Politik und des Militärs gemacht.

Deswegen fordere ich einen „Parlamentarischen Untersuchungsausschuss“, der seinen Bericht bis Ende des Jahres 2022 vorlegen muss – mit Hinweisen für strukturelle, materielle und personelle Veränderungen, die in der ersten Jahreshälfte 2023 begonnen werden müssen.

Als sofortige Führungsmaßnahme fordere ich – wie seit Jahren – einen Nationalen Sicherheitsberater mit einem interdisziplinären Stab, der die sicherheitspolitischen Entwicklungen systematisch und permanent beobachtet, um der deutschen Regierung ein proaktives Handeln zu ermöglichen. Bislang scheitert die Einrichtung an Partikularinteressen des BND und einzelner Ressorts, die eigene Machtverluste und schwindenden Einfluss auf die Regierung befürchten. Das ist eine klare Ursache auch für das Debakel in Kabul.

Der damalige Außenminister Maas wurde falsch beraten und blamierte sich mit seiner folgenschweren Einschätzung der noch verfügbaren Zeit für einen „geordneten Rückzug“.

Diese Fehleinschätzung hat deutsche Menschenleben gekostet und viele afghanische Ortskräfte ihrem Schicksal unter der Herrschaft der Taliban überlassen.

Man kann es auch Verrat nennen.

Die vorbereitende Ausbildung und Erziehung müssen deutlich umgestaltet werden – besonders für zivile und militärische Führungskräfte, denn die machen die entscheidenden Fehler.

Sie müssen zunächst getrennt von den Mannschaften und Unteroffizieren auf ihre schwierigen Aufgaben vorbereitet werden. Dafür ist der Report des „Spiegel“ eine angemessene Vorlage.

In nationalen und internationalen Stäben muss es eine klare „ einheitliche Führung“ geben – mit einer klaren Aufgabenteilungen.

In einer ersten Phase am Einsatzort ist die Infrastruktur zu erkunden. Es müssen klare Verantwortlichkeiten festgelegt werden. Schwachstellen müssen erkannt und beseitigt werden.

Führungskräfte müssen ihre Nachfolger einführen. Sie selbst müssen ihr Team, ihre Nachbarn und ihr Umfeld kennenlernen. Sie sollten die englische Sprache in ihren Bereichen hinreichend „beherrschen“ – bereits in der Vorbereitung.

Die nächste große Krise kommt bestimmt in den nächsten 10-15 Jahren – sei es durch Naturkatastrophen oder militärische Einsätze.

Deutschland sollte personell und materiell besser vorbereitet sein. Eine gute Vorbereitung ist die „halbe Miete“.

Kommentarregeln: Bitte keine beleidigenden oder strafbaren Äußerungen. Seid nett zueinander. Das Leben ist hart genug.

Brig. General a.D. Dieter Farwick
Brig. General a.D. Dieter Farwick
Brig. General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen und anschließend Berufssoldat. Einen Höhepunkt seiner Karriere bildete die Tätigkeit im Planungsstab von Bundesverteidigungsminister Dr. Manfred Wörner, wo er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig war. In den 90er Jahren fand er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte Verwendung und war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt. Schon während seiner Dienstzeit verfasste Farwick mehrere Bücher und andere Publikationen zu Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte. Im „Ruhestand“ engagierte er sich viele Jahre als Chefredakteur eines Newsservice für sicherheitsrelevante Themen und organisiert heute noch Tagungen zu diesem Thema an renommierten Instituten.

11 Kommentare

  1. Wer immer noch darueber raetselt, ob die Freunde und Befuerworter der Atlantik-Bruecke Gutes im Sinn haben fuer Deutschland, der darf weiter schlafen.
    Die Taliban sind nach 20 Jahren wieder an der Macht.. Afghanistan brauchen die Geldsaecke in Westen nicht mehr, Covid Impfstoffe verdienen mehr als der Drogenanbau und man muss sich dabei nicht mit den wilden Paschtunene herumschlagen.
    Die Handelsueberschuesse der Aufbaujahre von Deutschland und der von Japan, (erst war es der Kaefer, Herbie genannt, das einzige Familienmitglied des einfachen Amerikaners, das in der Garage wohnte und danach der Corolla von Toyota) befinden sich immer noch ausserhalb. Das Gold ist weg, kommt nicht wieder.
    Vielleicht wird das Fluessig-Gas aus den USA auch ein Verkaufs-Schlager, zu Gunsten der deutschen Bevoelkerung sicher nicht.

  2. Der General sagt nichts anderes, als: Wir brauchen ENDLICH FACHKRÄFTE an der Bundeswehrspitze, keine karrieregeilen, duckmäuserischen und unfähigen Lamettaträger,

    Mein Reden.

    Vielleicht könnten wir ein paar – als “Ortskräfte” hereingeflüchtete Taliban-Warlords – als FACHKRÄFTE in den Generalsrang erheben, die unserer mit Stöckelschuhen in der Wüste herumstolzierende Oberkommandierende Genossin mit Rat und Tat zur Seite stehen ?

    1
    1
  3. Sie verstehen es wirklich nicht.

    Wenn Onkel Sam seine Soldaten loslässt (überkommene Nato-Treuepflicht) rennt die BW mit. Das ist hier leider Staatsdoktrin.
    Die BW hat im Ausland NICHTS aber auch GARNICHTS zu suchen!

    Wenn ich dran denke das Biden jederzeit…..
    Da wird mir echt Angst und Bange!

    • Und es kommt noch schlimmer:
      Baerbocks Märchenstunde zur Bundeswehr in Mali

      In Schimpf und Schande mussten die Truppen Frankreichs nach fast zehn Jahren Kriegseinsatz aus Mali abziehen. Die Militärregierung in Bamako hat sich jede weitere Einmischung der ehemaligen Kolonialmacht verbeten und reagiert auch auf die Deutschen zunehmend reserviert. Die als „Antiterroreinsatz“ gegen islamistische Milizen gestartete Militärintervention „Barkhane“ hat den islamistischen Terror erst richtig befeuert und dem westafrikanischen Land nicht Sicherheit, sondern Chaos gebracht.

      Auf Vorwürfe ihres Amtskollegen in Bamako ging die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock
      nicht ein, als sie beim „Tag der offenen Tür der Bundesregierung“ die Notwendigkeit einer weiteren deutschen Militärpräsenz in Mali betonte. Auch wenn die deutschen Soldaten den malischen Behörden offenbar zunehmend als Besatzer gelten, sollen sie die Stellung halten und anstelle der Franzosen Flagge zeigen.

      Baerbock setzte die Gäste im Außenamt in die Raum-Zeit-Maschine, als sie allen Ernstes ein altbekanntes Märchen vom Bundeswehreinsatz in Afghanistan erzählte: „(…) ich möchte eigentlich in Mali bleiben. Weil das ist eine Mission, die garantiert, dass zivile Hilfe, dass Entwicklungshilfe überhaupt stattfinden kann. (…) Wenn wir da einfach abziehen würden, dann können wir ganz viele dieser Projekte – das sind Wasserprojekte, das sind Dorfgemeinschaftsprojekte – (…) nicht mehr umsetzen. Und ich habe einfach große Sorge, wir lassen da Hunderttausende von Menschen wirklich im Stich.“ ——
      (bei ‘PI’)

      Was sagt das über die Geistesverfassung dieser Person aus?

  4. Für FRIEDEN auf dieser Erde – braucht man weder Generäle noch Soldaten. Und Waffen schon gar nicht.

    Hätte ein Soldat oder General Hirn im Kopf – wüssten sie, dass sie für unterschiedliche Zwecke
    MISSBRAUCHT
    werden.
    Verteidigung des Vaterlandes ???? Da fehlt es doch an Angreifern.

    Aber dringender Bedarf an diesen Gehirnlosen – um aggressiver Markteroberung zu unterstützen.

    Oder wie seit C-19 Bürger zu bekämpfen.
    Aber General – haben sie den Soldaten im YU-Krieg erklären können, dass ihre Kameraden mit Deutschen Waffen
    umgebracht wurden?

Kommentarfunktion ist geschlossen.