StartBuchrezensionDER VOGEL, DER NUR EINMAL SINGT

DER VOGEL, DER NUR EINMAL SINGT

In ‘Die Dornenvögel’ können Meggie (Rachel Ward) und Pater Ralph (Richard Chamberlain) einander nicht widerstehen … Foto: Hulton Archive / Getty Images

Es gibt eine Legende von einem Vogel, der nur ein einziges Mal in seinem Leben singt, doch dann singt er lieblicher und schöner als jedes andere Geschöpf auf der Erde. Ein unvergleichliches Lied, süßer als die Töne der Nachtigall oder das Jubeln der Lerche. Und die Welt steht still, um zu lauschen und Gott im Himmel lächelt ………………

Im Mai 1977 wurde ein Buch veröffentlicht, das einen Siegeszug um die ganze Welt antreten sollte: Der Roman  „Die Dornenvögel“ von Colleen McCullough. Zunächst erschien der Roman in Amerika und England. In den folgenden ca. 8 Jahren wurde auf der ganzen Welt kein anderes Buch so oft verkauft wie die „Dornenvögel“.  In viele Sprachen übersetzt, wurde er zu einem der erfolgreichsten Bestseller überhaupt. Die amerikanische Presse sang ein Loblied nach dem anderen. „The kind of book the word blockbuster was made for“ ( Ein Buch, für das das Wort „Bestseller“ erfunden wurde). Die Daily Mail in London schrieb: „Ich konnte es nicht aus der Hand legen. Hätte man es mir nicht zu den Mahlzeiten weggenommen, ich wäre verhungert.“  Auch die New-York-Times schrieb: „An impossible-to-put-down book.“  Und es ist wahr. Fängt man einmal an, die „Dornenvögel zu lesen, kann man nicht mehr aufhören.

Im Mittelpunkt des Romans steht die verbotene Liebe zwischen dem katholischen Priester Ralph de Bricassart und der Farmerstochter Meggie Cleary und ein teuflischer Racheplan der alternden Millionärin Mary Carson. Mary ist sehr reich, sehr einsam, sehr despotisch und eifersüchtig. Sie ist schon lange daran gewöhnt, zu bekommen was sie will und sie will Pater Ralph. Der jedoch weist ihre Liebeserklärungen zurück. „Ich bin Priester, Mary, heute, morgen und immer.“ Mary fühlt sich gedemütigt und außerdem ist sie die Einzige, die Ralph de Bricassart völlig durchschaut. Sie allein erkennt seinen maßlosen Ehrgeiz, in der Kirche Karriere zu machen, große Macht und Einfluß zu haben. Und sie weiß genau, daß ihm dazu das nötige Geld fehlt.  „Die Kardinalsrobe würde Ihnen gut stehen, Ralph. Aber keine Sorge, Ihr Tag wird schon noch kommen. Noch nicht sofort, aber kommen wird er und ich werde wie der Teufel sein. Zweifeln Sie nicht daran, daß ich Sie mit Hilfe Ihrer eigenen Schwäche zu Boden zwingen werde, daß ich Sie dazubringen werde, sich wie eine geschminkte Hure zu verkaufen! Glauben Siewirklich, daß ich das nicht kann?“

Natürlich kann sie es! Ein paar Jahre später wird Ralph sich wie eine Hure verkaufen für eine Kirchenkarriere und eine Fahrkarte in den Vatikan. Genauer gesagt: für 13 Millionen Silberlinge!  Aber ichsollte von vorn beginnen:

Kapitel Eins

Im Jahr 1920 bittet Mary Carson ihren einzigen noch lebenden Verwandten von Neuseeland nach Drogheda zu kommen, der größten und reichsten Farm in Neusüdwales in Australien. Es handelt sich um ihren Bruder Paddy Cleary, der es im Leben zu nichts gebracht hat, außer zu einer großen Familie mit vielen Söhnen die er kaum ernähren kann. Die Familie ist arm. Mary möchte ihren Bruder zu ihrem Erben machen und somit Ralph`s Hoffnungen zerstören. Einige Wochen später fährt Pater Ralph zum Bahnhofnach Gillanbone , um die Clearies abzuholen und nach Drogheda zubringen. Und dort im Staub und in der Hitze des Bahnhofs begegnen Meggie Cleary und Ralph sich zum ersten Mal. Meggie ist zehn Jahre alt, Ralph18 Jahre älter. Vom ersten Moment an berührt Meggie sein Herz, wie nicht einmal Gott es jemals vermochte. Ralph weiß noch nicht, daß es so bleiben wird für den Rest seines Lebens. Bis zu seinem Tod.

Ralph merkt sehr schnell, daß Meggie in der großen Familie für niemanden wichtig ist. Niemand kümmert sich um sie, am allerwenigsten Fee, ihre eigene Mutter. Fee ist eine sehr wortkarge, emotional völlig versteinerte Frau, die keinen Hehl daraus macht, daß nur ihre Söhne für sie wichtig sind. „ Ist das bei anderen Müttern anders? Eine Tochter? Was ist eine Tochter? Nur die jüngere Version von einem selbst! Sie wird das gleiche Schicksal erleiden, die gleichen Fehler machen, die gleichen Tränen weinen. Nein, ich versuche zu vergessen, daß ich eine Tochter habe.“

In den folgenden Jahren kümmert Ralph sich darum, daß Meggie zur Schule geht und Mary Carson das Schulgeld bezahlt. Er sorgt dafür, daß sie Reitunterricht bekommt. Er versucht, sie auf ihre gesellschaftliche Stellung vorzubereiten. Er verbringt jede freie Minute mit ihr und zwischen den beiden entsteht ein sehr inniges Verhältnis. Meggie liebt Ralph über alles, so vergehen 5 Jahre. Mit wachsendem Hass und großer Bosheit und Eifersucht beobachtet Mary Carson die zugleich unschuldige und doch tiefgreifende Zuneigung zwischen Meggie und Ralph. Sie brütet einen teuflischen Plan aus. Sie beobachtet genau, daß Ralph sich nur scheinbar damit abfinden kann, ein kleiner Landpfarrer im gottverlassenen Outback bleiben zu müssen. Demut und Bescheidenheit sind nicht sein Ding. Es gibt Momente, in denen er nicht akzeptieren kann, daß sich seine Wünsche nicht erfüllen. „  Ich werde niemals haben, was ich mir wünsche, niemals sein, was ich mir wünsche. Und ich weiß nicht, wie soll ich aufhören zu wünschen?“

Kapitel Zwei

Weitere drei Jahre vergehen. Mary Carson bereitet ein großes Fest zu ihrem 75. Geburtstag vor. Dieser Tag soll alles verändern.  Sie verfasst ein zweites Testament, in dem sie der katholischen Kirche ihr gesamtes millionenschweres Vermögen hinterläßt unter der Bedingung, daß man Pater Ralph eine Karriere in der Kirche ermöglicht und er als der alleinige Verwalter ihres Vermögens eingesetzt wird. Die Clearies dürfen auf Drogheda bleiben, werden aber niemals etwas besitzen und immer auf Pater Ralph angewiesen sein. Und das gilt natürlich auch für Meggie. Die ist inzwischen 18 Jahre alt und zu einer bildhübschen jungen Frau geworden. Als das Fest beginnt, gibt es keinen jungen Mann der sich nicht wünscht, sie für sich zu gewinnen. Die Party ist noch in vollem Gange, als Mary sich von ihren Gästen verabschiedet und sich auf ihr Zimmer zurückzieht und ihrem Leben ein Ende macht.

Am nächsten Tag liest Ralph die Totenmesse, danach folgt die Testamentseröffnung. Rechtsanwalt Gough ist erstaunt über das zweite Testament. Unter vier Augen beschwört er Ralph, es zu vernichten und Paddy`s Familie nicht um ihr rechtmäßiges Erbe zu bringen.  „Kommen Sie Ralph, vernichten wir es. Niemand weiß davon und ich werde nicht reden. Verdammt nochmal, Ralph, wir beide wissen, daß die Kirche kein Anrecht auf diese Besitztümer hat!“ Aber das sieht Ralph de Bricassart ganz anders. Alles, was er sich immer gewünscht hat, kann nun in Erfüllung gehen. Er nimmt die Erbschaft an. Der Abschied von Meggie ist schwer. Es kommt zu einem leidenschaftlichen Kuss. „Ich liebe dich, meine Meggie, ich werde dich immer lieben, aber es darf nicht sein.“ Er läuft davon. Wenige Tage später reist er ab, um in Sydney seine Karriere als Kirchendiplomat zu beginnen.

Kapitel Drei

Weitere zwei Jahre vergehen. In ihrer großen Naivität glaubt Meggie immer noch, Ralph würde die Kirche irgendwann für sie verlassen und zu ihr zurück kommen. Eines Tages bricht auf Drogheda ein verheerendes Feuer aus. Ein trockener Sturm, begleitet von schrecklichen Blitzen, trifft auf das ausgedörrte, vertrocknete Land und entfacht ein wahres Inferno. Meggies Vater Paddy kommt im Feuer ums Leben und auch einer ihrer Brüder stirbt. Ralph kehrt sofort nach Drogheda zurück, er findet Meggie in einem schrecklichen Zustand. Er reißt sie in seine Arme und fordert den Austausch von Zärtlichkeiten geradezu heraus, stößt sie dann aber brutal von sich. „Was tust du mir an? Was würdest du mir antun, wenn ich dich ließe?“

Während ich den Roman las, habe ich darauf gewartet, daß Meggie endlich versteht, daß Ralph ein eitler und in sich selbst verliebter Mensch ist. Er treibt ein fortwährendes Vor-und-zurück-Spiel mit ihr. „Ja, ich liebe dich, du bist mein Traum, meine Rose, mein Herz  —–, aber nein, sorry, die Kirche winkt und ich liebe Gott mehr.“ Dabei stimmt nicht einmal das. Was er liebt ist nur das Gefühl, Macht über Menschen zu haben.

Das scheint nun auch Meggie zu begreifen. Als sie 22 Jahre alt ist, lernt sie den Schafscherer Luke O`Neill kennen, der sich sehr um sie bemüht und ihretwegen auf Drogheda Arbeit annimmt. Als er ihr einen Heiratsantrag macht, nimmt sie ihn an und folgt Luke nach Queensland, wo er auf den Zuckerrohrfeldern viel Geld für eine Farm verdienen will. Meggie glaubt, daß sie nun ein eigenes Heim und eine Familie haben wird und einen Mann, der nicht ständig etwas anderes will als sie. Arme Meggie, sie hätte sich nicht mehr irren können, denn Luke entpuppt sich als geldgieriger, geiziger, gefühlloser, übler Charakter. Schon die Hochzeitsnacht ist ganz furchtbar, ja, man könnte fast von einer Vergewaltigung sprechen. „Schrei nicht so! Stell dich nicht so an! Dreh dich nach links, tu dies und tu das!“ Meggie schreit vor Schmerz, sie weiß gar nicht was geschieht. Niemand hat ihr etwas erklärt oder sie darauf vorbereitet. Es wäre die Aufgabe ihrer Mutter gewesen!  In den nächsten Tagen steckt Luke sich Meggies Mitgift von 14.000 Pfund in die Tasche, bringt sie als Hausmädchen bei einem Ehepaar unter und verschwindet monatelang, um sein Leben als Junggeselle fortzusetzen.

Unterdessen wird Ralph in Rom bereits zum Bischof geweiht.

Kapitel Vier

Meggie ist nun ein Jahr in Queensland. Sie hat kein Zuhause, keine Familie, keinen Mann und auch kein Geld.  Wieder ist sie so naiv zu glauben, alles könnte sich ändern, wenn sie ein Kind bekäme. Ein Kind würde Luke zur Seßhaftigkeit zwingen, ein Kind würde alle Probleme lösen, ein Kind würde aus dem Herumtreiber Luke einen braven Familienvater machen. Als Luke sich nach langer Abwesenheit nochmal sehen läßt, gelingt es ihr tatsächlich schwanger zu werden. Bei der Geburt ihrer Tochter droht sie fast zu sterben, als plötzlich Ralph auftaucht, um ihr beizustehen. Nach der Geburt verabschiedet Ralph sich wieder und Meggie bekommt einen Wutanfall. Sie sagt ihm, daß er sich endlich zum Teufel scheren soll. „Geh! Geh weg! Ich kann deinen Anblick nicht mehr ertragen!“

Wochen vergehen. Meggie erholt sich nicht. Sie scheint am Ende ihrer Kräfte zu sein. Zu Weihnachten schenken ihr ihre Arbeitgeber einen 2monatigen Urlaub auf der Ferieninsel Matlock Island, um sich zu erholen und auszuruhen. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist Meggie ganz allein mit sich selbst und kann in Ruhe über alles nachdenken. Und wer taucht plötzlich wieder auf wie der Heilige Geist? Pater Ralph, inzwischen zum Erzbischof aufgestiegen, hat auch über vieles nachgedacht. Er möchte mit Meggie reden und sie um Verzeihung bitten. Doch dann kommt alles ganz anders. Ralph kann die jahrelange,  verleugnete Sehnsucht nach Meggie nicht mehr unterdrücken und so verbringen die beiden die Tage auf Matlock als das glücklichste Liebespaar der Welt. Ralph erfährt eine Freude und einen Frieden, wie er es sich niemals hätte vorstellenkönnen. Er möchte Meggie nie mehr verlassen, tut es aber trotzdem. Meggie trägt es mit Fassung. Sie hat eine Entscheidung getroffen.

Zurück in Queensland stellt sich heraus, daß Meggie von Ralph schwanger ist. Sie trennt sich endgültig von Luke, nicht ohne ihm noch zu sagen, daß er ein aufgeblasener Angeber und Idiot ist, ein Geizhals und ein miserabler Liebhaber.  „Nicht einmal das kannst du! Ich schenke dir meine 14.000 Pfund, Geld, daß rechtmäßig mir gehört, unter einer Bedingung: komm mir nie mehr unter die Augen! Nie mehr, solange ich lebe!“  Dann kehrt sie zu ihrer Familie nach Drogheda zurück, um dort ihren Sohn Dane zur Welt zu bringen.

Kapitel Fünf

Nach langer Zeit kehrt Ralph, inzwischen Kardinal de Bricassart, nach Drogheda zurück. Er hat sich Urlaub genommen und möchte Zeit mit der Familie Cleary verbringen, die ihm immer besonders am Herzen lag. Zuerst trifft er auf einen Jungen im Teenageralter, der sich als Dane O`Neill vorstellt. Ralph ist sprachlos. Erstaunt schaut er Meggies`s Sohn an, von dem er nicht weiß, daß es auch sein Sohn ist. Meggie hat es ihm nie gesagt und so glaubt Ralph, daß Meggie nach Matlock Island zu Luke zurückgegangen ist.

Es ist sehr heiß. Auf der Suche nach Meggie spaziert Ralph hinüber zum Kochhaus. Bei Mrs. Smith gibt es eine gute Tasse Tee, das war schon immer so. „Wie sehr hier doch alles beim alten geblieben ist“, denkt Ralph. Er kann es jetzt kaum noch erwarten, Meggie wiederzusehen. Und dann sieht er sie. Sie kommt näher, springt über den niedrigen weißen Zaun und ist dann ganz nah bei ihm. Und plötzlich ist es so, als wären sie nicht einen Tag getrennt gewesen.  „Meggie, meine Meggie“, sagt er und hält sie in seinen Armen. Dann sieht er sie an. Mit ihren 41 Jahren hat sie nichts verloren von ihrer Schönheit, von ihrer Liebe, von ihrem Zauber für sein Herz. Dann flüstert sie ihm zu: „Ich habe dich einmal gewarnt. Auf Drogheda gehörst du nur mir.“

Aber Meggie merkt schnell, daß Ralph sich sehr verändert hat. Sie entdeckt eine große, alles überschattende Müdigkeit in ihm, nicht des Körpers, sondern der Seele. Sie fragt ihn ganz direkt: „Was ist denn geschehen? Hat der Blick aus der Himmelsperspektive nur Enttäuschungen gebracht?“  „Vielleicht“, antwortet er, „vielleicht habe ich gemerkt, daß auch die Kirche auf tönernen Füßen steht. Habe ich mich für ein Trugbild verkauft? Greife ich nur ins Leere, ins Nichts? Ich bin nichts weiter als eine Masse von Klischees und der Vatikan ist nichts weiter als eine alte, verknöcherte, erstarrte Welt. Ich möchte dort nicht begraben werden, sondern hier auf Drogheda zwischen Menschen, die gelebt haben. Von all meinen Fehlern war der größte, daß ich mich nicht für die Liebe entschieden habe.“

Mit 18 Jahren gesteht Dane seiner Mutter, daß er Priester werden will und nichts ihn davon abbringen kann. Meggie ist zunächst geschockt, dann kriegt sie einen Wutanfall. „Gott hat mich nie verlassen! Er ist immer da, um mir alles, aber auch alles zu nehmen, was ich jemals geliebt habe!“ Doch schließlich fügt sie sich in ihr Schicksal, wie sie es immer getan hatte. Sie schickt Dane nach Rom zu Ralph mit der Bitte, ihm zu helfen und gut auf ihn aufzupassen.  8 Jahre später wird Dane in Rom zum Priester geweiht. Nach der Weihe fährt er  für eine Weile nach Griechenland, um dort Urlaub zu machen. Bei dem Versuch, zwei Urlauberinnen vor dem Ertrinken zu retten, kommt er selbst ums Leben.

Meggie setzt sich mit Ralph in Verbindung, der inzwischen sehr alt, krank und gebrechlich geworden ist.  Endlich sagt sie ihm, daß Dane auch sein Sohn war. Ralph setzt alle Hebel in Bewegung, um Dane`s Grab in Kreta zu finden und seinen Leichnam heimzubringen nach Drogheda. Dort hält er die Totenmesse für seinen Sohn. Kurz darauf merkt Ralph, daß es ihm nicht gut geht. Die Schmerzen in seiner Brust werden immers chlimmer. Er möchte Meggie noch soviel sagen, kann es aber nicht mehr.“ Verzeih mir, Meggie. Wie konnte ich jemals glauben, daß du zu Luke zurückgegangen bist?  Wie konnte ich nur so blind sein, nicht zu sehen, daß Dane mein Sohn war? Wieviel Torheit, Hochmut und Stolz  gehörte dazu, das nicht zu begreifen?“  Ralph versucht, das Maß seiner Schuld zu ermessen und dann liest er in Meggie`s Augen, daß es darauf nicht mehr ankommt. Sie hat ihm längst verziehen. Dann stirbt er in ihren Armen.

Betrachtung

Ich habe mich gefragt, was den sagenhaften Erfolg der „Dornenvögel“ wirklich ausmacht. Ist es nur die Tatsache, daß Colleen McCullough hier ein striktes Tabuthema in die Öffentlichkeit stellt?? Oder will sie uns sagen, daß kein Mensch durch seinen Beruf zum Zölibat gezwungen werden sollte?? Der Roman schildert die fortwährenden inneren Kämpfe und den Zwiespalt, in dem Ralph lebt. Er ist ein in sich zerrissener Mann.  Zum Teil gehört er Gott, zum Teil gehört er Meggie, aber in Wahrheit gehörter nur seinem maßlosen Ehrgeiz. Er will der erhabene Kardinal de Bricassart sein, der vollkommene Priester. Allein der Wunsch ist schonpure Blasphemie. Und hat Gott jemals von uns verlangt, daß wir vollkommen sein müssen??  Ralph wollte niemals ein Mann sein, auch kein normaler Mensch sein, und er hat Gott als Alibi benutzt. Erst die Zeit mit Meggie auf Matlock haben ihm gezeigt, wie schön es sein kann, einfach ein Mensch zu sein.

Was Dane betrifft, so ist er genau das Gegenteil von Ralph. War er anfangs noch vom Pomp des Vatikans beeindruckt, so verändert sich diese Einstellung im Laufe der Zeit. Er entwickelt sich zu einem kleinen Leidensverherrlicher. Deutlich wird das in den letzten Tage vor seinem Tod. Er bittet Gott um Leiden, Schmerzen, Höllenqualen. Er ist der Ansicht, es ginge ihm viel zu gut und Gott erweise ihm zuviel Freude und Glück. „ O Herr, laß mich leiden! Ich habe nicht genug gelitten! Stoße Deinen Speer in meine Brust. Vergrabe ihn so tief, daß ich ihn nie wieder herausziehen kann! Vernichte mich, und ich werde jubeln! Erniedrige mich, und ich werde vor Freude singen!  Mach einen Märtyreraus mir, nur so kann ich Dir dienen und meine Liebe beweisen.“  Nun ja, ich kenne Menschen, die froh und dankbar sind, wenn sie mit Hilfe von Morphium u.a. Medikamenten für eine Weile keine Schmerzen haben. Und ich kenne keinen Menschen, der sich nach Erniedrigung und Vernichtung sehnt. Ich teile da eher Meggies Meinung, die einmal sagte: „ Ich verstehe diese Art von Liebe nicht.“

Ich glaube, der Erfolg liegt darin begründet, daß Millionen Leserinnen und Leser sich in den „Dornenvögeln“ ein ganz kleines bißchen wiederfinden. Ich glaube, daß wir uns alle hin und wieder die gleichen Fragen stellen wie Meggies Tochter.  Warum ist das Leben ein einziges Verwirrspiel? Warum kann niemals irgendetwas seinen normalen Gang gehen? Warum muß es so etwas geben, wie den Tod eines geliebten Menschen? Ja, warum?  Schwierige zwischenmenschliche Beziehungen, Konflikte jeglicher Art oder familiäre Probleme, schmerzliche Verluste und Enttäuschungen, all das gehört nun einmal zu unserem „Menschsein“ und all das spiegelt der Roman uns wider. Vielleicht, weil wir daraus lernen sollen. Im Grunde genommen war Meggie Gott viel näher als Ralph, Dane und alle Kardinäle im Vatikan zusammen. Denn sie war diejenige, die liebte, bedingungslos, trotz aller Enttäuschungen, Verluste und Widrigkeiten. Sie wollte nicht ständig etwas sein, was sie nicht sein konnte: vollkommen!

Das Rad des Lebens dreht sich und was auch immer wir lernen, ertragen und aushalten müssen ————-, Dunkelheit für immer gibt es nicht. Die Zeit der Rosen wird wiederkommen, solange wir leben. Manchmal, wenn wir es am allerwenigsten erwarten, schenkt uns das Leben eine kleine Auszeit voller Freude und Glück. Oder wir finden die große Liebe, obwohl wir schon lange nicht mehr daran geglaubt haben.

Und vielleicht ist es dann wirklich so, als ob der kleine Dornenvogelsein allerschönstes Lied singt. Und die Welt steht still um zu lauschen und Gott im Himmel lächelt …………..

Kommentarregeln: Bitte keine beleidigenden oder strafbaren Äußerungen. Seid nett zueinander. Das Leben ist hart genug.

12 Kommentare

  1. Liebe Doris, auch zu mir gehörten dieses Buch und die Serie im Fernsehen.
    Dieser Dornenvogel der so lieblich singt, ist nun aber leider verstummt, denn das Leid der Welt ist so groß geworden, dass dieser Vogel kaum noch Inspiration bekommt.

    Viele Menschen müssen sich sich heute auch entscheiden, auf welcher Seite sie stehen sollten und viele wählen die falsche Seite, die Seite der Macht, des Geldes und die Seite der Hoffnung, der Liebe zu den Menschen und das Vertrauen bleibt auf der Strecke und wird sehr schnell und leichtsinnig für sehr wenig geopfert.
    Danke dir für die schöne Anregung aus alten Zeiten!!
    Gruß Ingrid

    • @Liebe Ingrid, Du hast wieder einmal genau verstanden, was ich sagen wollte. Darum habe ich die Dornenvögel ausgewählt, denn Ralph steht für die Macht, für das Geld, auch für die Lüge und die Heuchelei. All diese Dinge regieren gerade die Welt. Ralph hatte die Wahl und er hat sich für das Unrecht entschieden. Auf Unrecht war alles aufgebaut. Meggie steht für die naive Liebe, die alles erträgt und am Ende alles verzeiht.
      In meinem vorhergehenden Beitrag habe ich gefragt “wo ist die Liebe geblieben ” ? Sie scheint im Moment verschwunden zu sein, aber dennoch glaube ich, daß sie niemals ganz untergeht. Diese Hoffnung sollten wir uns nicht nehmen lassen.

  2. Unter “kitschig ” versteht wohl jeder etwas anderes. Die einzige , wirklich kitschige Szene war für mich die Szene auf dem Friedhof nach Dane`s Begräbniss, als Ralph erfährt, daß Dane sein Sohn war. Aber das weicht ja auch total von der Handlung des Romans ab. Die Serie ist manchmal ganz anders als das Buch, gibt den Inhalt des Romans nur sinngemäß wieder. Im übrigen ist die Serie mit Starbesetzung gedreht worden. Jean Simmons als sture, versteinerte Fee war großartig. Auch Barbara Stanwyck als fiese Mary Carson war gut, Christopher Plummer als weiser, etwas undurchsichtiger Kardinal Contini-Verchese hat mir auch gefallen. Die Serie ist nicht schlecht, aber das Buch ist besser.

      • Falscher knopf… Macht nix,
        Habs trotzdem gelesen und finds gut. 🙂
        :::::::::::::
        (Auszug)
        „Die Dornenvögel“: So geht es Rachel Ward heute
        23. Mai 2022

        Mit ihrer Rolle als Farmers-Tochter „Meggie Cleary“ in „Die Dornenvögel“ feierte Rachel Ward ihren internationalen Durchbruch als Schauspielerin. …..

        …Rachel Ward lernte am Set Bryan Brown kennen

        „Die Dornenvögel“ bescherte Rachel nicht nur internationale Bekanntheit. Bei den Dreharbeiten lernte sie ihren Ehemann Bryan Brown kennen, der „Luke O’Neill” verkörperte. 1983 heiratete sie ihn. Die beiden haben drei gemeinsame Kinder.

        Im Großen und Ganzen lebt sie sehr zurückgezogen mit ihrer Familie in Australien und unterstützt unter anderem ihre Tochter, die sich als Farmerin selbstständig gemacht hat. ….

        https://www.promipool.de/stars/die-dornenvoegel-so-geht-es-rachel-ward-heute

    • Wenn ich auch die ‘Vögel’ nicht gelesen habe (oben),
      aber doch zwei ihrer Geschichten mitbekommen:
      Colleen McCullough
      The October Horse,( 2002)
      Masters of Rome #6 – die ‘römische’ Serie
      (Keine Ahnung wie der Titel auf Deutsch heißt)
      und
      ‘The Touch, (2003).

      • @CC
        Colleen McCullough starb im Januar 2015. Sie hat 12 (oder 13 ?) Bücher geschrieben, konnte aber den sagenhaften Erfolg der “Dornenvögel” nie mehr wiederholen. Das wäre auch unmöglich gewesen und ist, soviel ich weiß, noch keinem anderen Schriftsteller gelungen. Es lohnt sich, den Roman zu lesen. Auch in der deutschen Übersetzung ist er sehr gelungen.

  3. Ich habe damals die Serie gesehen, fand es kitschig, aber ich mochte den Hauptdarsteller! Richard Chamberlain verkörperte immer den Strahleman, den Held! Ausser hier: eine gespaltene und letzlich gebrochen Figur.

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