StartChristentum, Hoffnung und Transzendenz“Je vous souhaite une Bonne Sainteté“

“Je vous souhaite une Bonne Sainteté“

Ich wünsche euch eine Gute Heiligkeit
Eine ungewöhnliche Allerheiligen-Predigt über die „Heiligen Gottes“

Die Vorläufer Christi mit Heiligen und Märtyreren. Fra Angelico, 1423-24  (aus Wikipedia)

Auszüge aus der Predigt Mgr Michel Aupetits zum 1.November 2018 in NOTRE DAME, Paris

In seiner herrlichen und tiefgründigen, stellenweise auch humorvollen Predigt, die, wenn auch inzwischen vier Jahre alt, doch immer noch aktuell, verfolgte der emeritierte  Erzbischof Michel Aupetit zwei Stränge des Themas Heiligkeit: er sprach sowohl die Heiligkeit der Getauften, als auch jene der bereits bei Gott Lebenden an, um letztlich beide miteinander verbunden zu wissen.

In seinen Begrüßungsworten zu Beginn der Messe nahm Michel Aupetit bereits einen wesentlichen Gedanken vorweg: er verwies darauf, dass unter den bei Gott lebenden Heiligen nicht nur die „in den Kanon aufgenommenen, von der Kirche Heilig-Gesprochenen“ zu verstehen seien, sondern auch jene unzähligen Menschen, die in ihrem Leben „auf die Liebe Gottes mit ihrem ganzen Herzen geantwortet haben“, jene, die Gott kenne.

Mgr Michel Aupetit. Foto: KTO TV Paris

„Ein schönes Fest euch allen“

ruft Monseigneur Aupetit den Katholiken, die am Allerheiligenfest 2018 in der noch unversehrten Pariser Kathedrale Notre Dame zahlreich versammelt waren, fröhlich zu.

„Ja, heute ist unser Fest, ist euer Fest! Es ist das Fest der Heiligen. Denn wir sind Heilige. Genau das sagt der Hl. Paulus, wenn er an die Römer schreibt und die Getauften als Heilige grüßt. Und ich denke mir, dass der größte Teil von euch getauft ist, also ist das heute euer Fest!

Natürlich wissen wir“, fährt der Erzbischof fort, „dass in Wirklichkeit nur Gott allein heilig ist. Aber durch die Taufe sind wir Kinder Gottes geworden. Der heilige Johannes sagt es in seinem Brief, den wir gerade hörten: ‚Der Vater wollte, dass wir Kinder Gottes sind und wir sind es.‘ Wir sind also von Gott adoptierte Söhne und Töchter.“

An diese Worte schließt er seine weitere Ausführung an, doch, ein feines Schmunzeln um die Lippen, nicht ohne einen kurzen Abstecher in einen fast banalen und geradezu belustigenden Vergleich zu wagen, mit dem er seine Worte zur Gotteskindschaft jedem verdeutlicht: „Ich bringe euch ein Beispiel. Bill Gates ist reich. Wenn Bill Gates, der reich ist, ein Kind adoptiert, wird dieses Kind auch reich. Und wenn Gott heilig ist, sind seine adoptierten Kinder heilig. Ihr seid getauft, ihr seid adoptiert, ihr seid Söhne und Töchter in Christus, also – seid ihr heilig… Und das wird bei unserer Taufe verwirklicht… …“

Die Taufe – die „Teilhabe an der Heiligkeit Gottes“

Diese Aussage vertiefend erschließt Aupetit seinen Zuhörern nochmals die Bedeutung der Taufe, durch die die Getauften Anteil an der Heiligkeit Gottes erlangen. In diesem Kontext stellt er ihnen auch ihren Tauf-Tag als ausgesprochen bedeutenden Tag in ihrem Leben vor, der dem Geburtstag, dem Tag, an dem wir das Licht der Welt erblicken, gleichwertig sei. Schelmisch wirft er die Frage in den weiten Kirchenraum, ob denn seine Gläubigen den Tag ihrer Taufe überhaupt kennen: „Übrigens à propos – könnt ihr mir umgehend das Datum eurer Taufe nennen? … Ah! … Ihr kennt natürlich das Datum eures Geburtstages, dessen bin ich mir sicher, den Tag, als ihr auf diese Welt gekommen seid. Natürlich ist das ein sehr wichtiger Tag, das ist eine große Sache, wenn man den Kopf zum ersten Mal sehen kann… …“ Immer wieder kommt der ehemalige Arzt Aupetit zum Vorschein (der u.a. auch eine Weile auf einer Entbindungsstation tätig war) und mit ihm eine faszinierende Lebensnähe, die ihn von so manchen, auf rosenfarbenen Wolken schwebenden Theologen unterscheidet.

„Aber der Tag der Taufe, der ist ganz wichtig, er ist der Tag unserer Geburt zum Ewigen Leben …an dem wir an Gott teilhaben … an seiner Liebe, an seinem Leben und an dem, was wir heute feiern: an seiner Heiligkeit – seiner SAIN-TE-TÉ.“ Mgr Aupetit skandiert das Wort Heiligkeit in Silben…

Nochmals wiederholend, dass er überzeugt sei, dass die meisten der in der Kathedrale Versammelten ihr Taufdatum nicht wüssten, offenbart er verschmitzt, dass auch er selbst das seiner eigenen Taufe lange nicht gekannt habe. Bis er ins Priesterseminar eintrat. Aber nun wisse er ihn, diesen wichtigen Tag, den Geburts-Tag zum Ewigen Leben…

Im Weiteren erinnert der Erzbischof daran, dass es allerdings auch dem Getauften freistünde, das Geschenk der Gotteskindschaft abzulehnen, was letztlich mit der Sünde identisch sei. Denn die Sünde lasse die enge Beziehung zwischen Gott und dem Menschen auseinanderbrechen, was Aupetit anhand des Evangelienbildes vom „Verlorenen Sohn“ verdeutlicht. Dieser verließ den Vater (Gott), als sei dieser tot. „Und wie viele Getaufte verhalten sich leider so, als sei Gott tot. Sie, die Söhne und Töchter Gottes durch die Taufe wurden. Das ist schrecklich…, so zu tun, als sei der Vater tot… Und lediglich das Erbe zu verlangen…“ Das einem auch auf die Füße fallen könne. „Die Liebe aber ohne Gott macht keinen Sinn. Sie ist dann ein armseliges Gefühl, dass schnell verfliegen kann… Und das Leben, ein Leben ohne Gott, endet dann wie jedes Leben, in der Verwesung…“ Der Erzbischof betont noch einmal die Heiligkeit, die uns Christus ähnlich mache, die uns zum Abbild Gottes, zum Abbild Christi werden lasse.

Michel Aupetit stellt in diesem Zusammenhang auch den Unterschied zwischen moralischer Verfehlung und der Sünde heraus. Die Sünde könne zwar einen moralischen Fehler nach sich ziehen, sei jedoch viel schwerwiegender. Moralische Verfehlungen würden uns innerhalb der menschlichen Gesellschaft disqualifizieren, die Sünde hingegen würde unsere Gotteskindschaft zerreißen (s.u., aktueller Tweet).

Daher verweist Michel Aupetit insbesondere auf die Intimität mit Christus, in der die Gläubigen ihm ähnlich würden. Ihm, der der Sohn Gottes ist, der als Sohn unsere Gott-Kindschaft ermögliche und uns in die Gemeinschaft Gottes und der Liebe führe. Unser ganzes Erdenleben beinhalte dieses Ziel, in die Gotteskindschaft immer mehr einzutreten, um Jesus Christus ähnlich zu werden. Hieraus seien auch die Seligpreisungen zu verstehen, die im Evangelium gelesen wurden, die Seligpreisungen, die Jesus vollende, und die Tröstungen, die uns in den Seligpreisungen verheißen und durch Gott, den Vater zu Teil werden. Er sei es, so Aupetit, der uns tröste, der uns satt mache, der uns Barmherzigkeit erweise…

Als fundamental für die intime Gemeinschaft mit Christus stellt er im Weiteren die Eucharistiefeier heraus. Schon im Hören auf das Wort Gottes, wenn wir sein Wort nicht nur mit Ohr und Verstand, sondern buchstäblich wie Nahrung in jede Zelle unseres Körpers aufnähmen, würden wir ihm ähnlich – so sage es die Bibel durch den Propheten Ezechiel (Ezechiel 2,8-10). Und im Empfangen des Leibes Jesu nehme jeder Jesus Christus in sich auf, der von seinem Innern Besitz ergreife und ihn zu seiner Liebe befreie, die unsere Berufung sei.

Die Heiligen – „Professoren der Heiligkeit“

„Und diese wunderbare Berufung,“ so der Erzbischof, „haben alle Heiligen, die wir heute feiern, in ihrem Leben verwirklicht. Sie sind unsere Lehrer, sie zeigen uns den Weg. Sie sind Professoren der Heiligkeit. Dabei waren auch sie einfache Leute, die aßen wie ihr esst, die tranken wie ihr trinkt, die Zuneigung verspürten wie ihr, die krank wurden wie die ganze Welt. Aber: was sie taten, taten sie aus Liebe und in alles, was sie taten, gaben sie ihre Liebe hinein…“ Und deshalb sollten wir sie als unser Vorbild nehmen.

Michel Aupetit legt dann seinen Gläubigen, die „im Credo … die Gemeinschaft der Heiligen“ bekennen, ans Herz, die Heiligen, die in der Nähe Gottes lebten, zu bitten, für uns bei Gott einzustehen. Und er ist überzeugt, dass sie unsere Gebete zu Gott tragen. Es sei gut, jeden Tag zu den Heiligen zu beten, „jeden Tag unseres Lebens.“

“Je vous souhaite une Bonne Saintété“

Mit dem Wunsch für die Erfüllung unserer Berufung schließt der Erzbischof mit einem erheiternden Wortspiel, das allerdings nur die französische Sprache hergibt.

„Am Jahresbeginn, dem ersten Januar wünschen wir uns immer eine Gute Gesundheit= nous nous souhaitons toujours une Bonne SANTÉ!

Aujourd’hui, moi, je vous souhaite une Bonne SAINTETÉ… Heute aber wünsche ich euch eine Gute Heiligkeit!“

Quellen

Homélies – Diocèse de Paris. Homélie de Mgr Michel Aupetit, Messe de la Toussaint à Notre-Dame de Paris, Jeudi 1er novembre 2018, L‘église catholique à Paris. KTOTV, Messe de la Toussaint à Notre-Dame de Paris, Messe du 01/11/2018. (Übersetzung: Dr. Juliana Bauer)

Aktuelle Gedanken Mgr Aupetits zu Allerheiligen

Zu den obigen Worten über den Bruch zwischen Gott und dem in der Sünde verharrenden Menschen sowie über die „Heiligkeit“ des gerechten Menschen seien zwei der neueren Tweets Michel Aupetits zitiert (die häufig den Bezug zum aktuellen Sonntagsevangelium oder zur aktuellen Wirklichkeit und ihrer Geschehnisse aufweisen):

„Wenn wir lieben. möchten auch wir geliebt werden. Für einen Christen heißt das, dass er erlöstwerden möchte. Ihn (aber) in seiner Sünde, die ihn von Gott trennt, zu trösten, ist mehr Feigheit, als Liebe.“ (22.Oktober 2022)

„Was für ein prächtiges Gemeindemitglied, dieser Pharisäer (Lk 18, 9–14)! Warum wurde er nicht zum Gerechten? Weil die Gerechtigkeit des Menschen darin besteht, jedem nach den eigenen Taten zu vergelten.
Die Gerechtigkeit Gottes aber besteht darin, uns ihm ähnlich zu machen.

La SAINTETÉ vient de DIEU qui, seul, nous rend justes.Die Heiligkeit kommt von Gott, der uns allein gerecht macht.“ (23.Oktober 2022)

Kleines Nachwort

Vor wenigen Tagen las ich brandneue Kommentare von Pariser Gläubigen, die auf einen der Tweets ihres unvergessenen Mgr Aupetits vom vergangenen Monat antworteten. Nur ein Beispiel:

„Monseigneur, ich vermisse Sie. Wir vermissen Ihre Heilungsgebete. Wann kehren Sie zurück?“

Kommentarregeln: Bitte keine beleidigenden oder strafbaren Äußerungen. Seid nett zueinander. Das Leben ist hart genug.

2 Kommentare

  1. Ich habe den Eindruck, daß Allerheiligen in Frankreich doch etwas anders gefeiert wird als hier bei uns. In meiner Region gedenken wir zu Allerheiligen der Verstorbenen. Die Gräber werden geschmückt, viele Grablichter angezündet und der Pfarrer segnet jedes einzelne Grab. Wenn es dunkel wird, sieht man ein Lichtermeer. Ich finde, es ist ein schöner Brauch, wenn auch nicht jeder ihn mag.

    Hier ist für Sie, Frau Dr. Bauer, und natürlich für alle Leser ein kleines Gedicht :

    Als hätten ganze Engelscharen
    dein federweißes Sterbekleid
    zu einem wunderbaren Festgewand
    aus Sternensaat verwoben,
    fliegt jeder deiner zarten Seelenfäden
    unsterblich und lichtgetragen
    nach oben.

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