StartChristentum, Hoffnung und TranszendenzKlerikale Narrenspiele – klerikale Trauerspiele.

Klerikale Narrenspiele – klerikale Trauerspiele.

Abschaffung des Zölibats? Homosexualität? Und ein Papa emeritus.

Teil 2. Betrachtungen zu Aussagen über den Priester-Zölibat

Das Thema abschließend möchte ich noch zwei Gedankenstränge verfolgen.

Endre und Ute Koncsik. Sie heirateten 1968 vor seiner Priesterweihe. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt sie. Foto: Theresa Müller, Mainpost

Vermischung von unterschiedlichen Themen: Abschaffung des Zölibats und Homosexualität

Mein erster Gedanke gilt der verhängnisvollen Vermischung verschiedener Beanstandungen an Kritikern bestimmter kirchlicher Lehrsätze.

Die Kritik von Verfechtern des Zölibats an dessen Gegnern wächst. Dabei springen mir insbesondere zwei Aspekte ins Auge:

Zum einen wird die Ablehnung des priesterlichen Pflichtzölibats von seinen Verteidigern gebrandmarkt, als handle es sich um eine sündhafte, ja nahezu kriminelle Auffassung. Und die Kritiker selbst  werden nicht selten in die Ecke von Lehramtszerstörern und schweren Sündern gestellt.

Dabei scheinen die gestrengen Zölibatsliebhaber mehrere Dinge zu vergessen:

  • dass ein verheirateter Priester mit seiner Frau in einem Sakrament lebt. Und
  • dass es viele Priester der lateinischen Kirche gibt, die ein verdecktes Liebesleben (oder „Konkubinat“) führen.

(Über das man übrigens, wie ich aus mehreren Quellen weiß, in manchen Ordinariaten hinwegsieht, wenn der betreffende Priester seine Frauenliebe diskret behandelt oder die Gemeinde, der die Liebe auf Dauer nicht verborgen bleibt, keinen Anstoß daran nimmt. Was sie in der Regel dann nicht tut, wenn der „Herr Pfarrer“ eine unverheiratete Frau liebt und wenn er ein guter Seelsorger ist. Denn „auch unser Herr Pfarrer ist ein Mann, so wie Gott ihn erschaffen hat“).

Zum anderen vermischen die Verfechter des Pflicht-Zölibats häufig die Kritik an seinen Gegnern mit Kritiken an deren Moralvorstellungen, und das in desaströser Weise. Auffallend ist für mich seit geraumer Zeit die explosive Mischung von Themen wie Zölibat, Priesterheirat, Homosexualität, Frauenpriestertum, Wiederverheiratung Geschiedener usw.

Hier möchte ich, insbesondere im Hinblick auf die Homosexualität und homosexuelle Verbindungen, eines einmal deutlich sagen:

Ein Eintreten für die Abschaffung des Pflichtzölibats und für die Heirat von Priestern hat mit Homosexualität absolut nichts zu schaffen.

Die Verteidiger des Zölibats sollten endlich einmal Abstand davon nehmen, die Frage nach der Abschaffung des Pflicht-Zölibats in einem Atemzug mit der Akzeptanz von homosexuellen Partnerschaften zu nennen.

Wenn ein Priester heiratet, wie die meisten Priester der Ostkirchen und der orthodoxen Kirchen, geht dieser die Ehe mit einer Frau ein, d.h. er vollzieht mit ihr vor Gott das Sakrament der Ehe, eingebettet in den Schöpfungsplan Gottes und im Gleichklang mit dem Sakrament der Priesterweihe, das er empfängt.

Homosexuelle Paare hingegen handeln dem Schöpfungsplan Gottes zuwider und leben nicht im Sakrament der Ehe. Sie haben also mit einer sakramentalen Priesterehe nichts im Geringsten zu tun.

Benedikt XVI. emeritus und der „heilige“ Priester-Zölibat

Mein zweiter und ausführlicher Gedankenkomplex gilt dem Papa emerito, Benedikt XVI. und Auszügen aus seinem Aufsatz „Das katholische Priestertum.“

Dass Benedikt zu den strengen Vertretern des priesterlichen Zölibats zählt, ist hinlänglich bekannt. Und selbst der in den Medien als diesbezüglich verständnisvoll gepriesene Papa Francesco, der in der Tat in den ersten Jahren seines Pontifikats einige Zeichen in eine andere Richtung setzte, scheint in der Sache unnachgiebig. Ja, schlimmer noch –

Francesco führte sowohl die Laien-Katholiken, als auch die Priester, die Hoffnung in ihn setzten, schon wie ein Tanzbär an der Nase herum.

In der traditionalistischen Presse konnte man schon mehrmals die Behauptung, die eine gewisse Schadenfreude durchblicken ließ, lesen, der „Alt-Papst“ habe mit seinem Aufsatz über das Priestertum, den er in dem Buch von Kurienkardinal Sarah über das gleichnamige Thema herausgab, seinem Nachfolger einen Strich durch die Rechnung gemacht, den Zölibat zu lockern; eine Behauptung, die ich nicht teile. (Zu Buch und Aufsatz siehe konkret: Papst em. Benedikt XVI. „Das katholische Priestertum“, in: Sarah, R., Des profondeurs de nos coeurs/Aus den Tiefen unserer Herzen, 2020. Anmerkung: Der Titel Benedikts müsste korrekt heißen: Das katholische Priestertum der lateinischen Kirche).

Widersprüche über Widersprüche

Aus Ex-Papst Benedikts Darlegungen möchte ich nur wenige seiner Sichtweisen herausgreifen. Gesichtspunkte, die insbesondere den Widerspruch dieser starren „lateinischen“ Regel aufscheinen lassen.

Der Emeritus greift zunächst auf einen Text der hebräischen Bibel = Altes Testament, zurück und erläutert wie folgt:

„Im allgemeinen Bewusstsein Israels ist es offenbar klar gewesen, dass Priester in den Zeiten, in denen sie mit dem Kult zu tun hatten, also in Berührung mit dem göttlichen Geheimnis standen, sexuelle Enthaltsamkeit üben mussten. Der Zusammenhang von sexueller Enthaltung und Gottesdienst war im allgemeinen Bewusstsein Israels durchaus klar.“ Und weiter:

„Da die alttestamentlichen Priester sich nur an bestimmten Zeiten dem Kult zu widmen hatten, waren Ehe und Priestertum miteinander durchaus vereinbar.“

Dann leitet er zum „Priester der Kirche Jesu Christi“ über:

„Für die Priester der Kirche Jesu Christi war die Situation durch die regelmäßige oder in vielen Teilen tägliche Eucharistiefeier grundsätzlich verändert. Ihr ganzes Leben steht in der Berührung mit dem göttlichen Geheimnis und verlangt so eine Ausschließlichkeit für Gott, die eine andere, das ganze Leben umgreifende Bindung wie die Ehe neben sich ausschließt.“

Benedikt übersieht bei diesen, seinen Ausführungen m.E. zwei entscheidende Aspekte:

1. die Bedeutung der kultischen Reinheit im Judentum. Sie hat dort bis heute eine große Bedeutung und macht einen Teil der Reinheitsgebote der Halacha, der religionsgesetzlichen Vorschriften, Anweisungen und Normen, aus (siehe z.B. die Verpflichtung für gläubige Juden zum Aufsuchen der MIKWE, des kultischen Reinigungsbades, zu bestimmten vorgeschriebenen Anlässen).

Im Christentum sind die kultischen Reinheitsgebote aufgehoben.

So sagt Paulus: „…alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Dank genossen wird; es wird geheiligt durch Gottes Wort und durch das Gebet“ (1 Tim 4,5).

2. Die Vereinbarkeit von Ehe und Priestertum im Sakrament. Wenn sich für Benedikt bei den katholischen Priestern, die eine tägliche „Berührung mit dem göttlichen Geheimnis“ erfahren (tägliche Feier der Eucharistie), sich eine Ehe und eheliche Begegnungen ausschließen, so widerspricht Benedikts Feststellung der sakramentalen Lehre der katholischen Kirche.

Sie widerspricht zum einen der fundamentalen Tatsache, dass die Ehe im Katholizismus (und der Orthodoxie) ein Sakrament ist.

D.h. die im Schöpfungsplan Gottes vorgesehene ganzheitliche (geistig-seelische und leibliche), liebende Verbindung von Mann und Frau wurde durch die Heiligung durch Christus zu einer besonderen Gnadengabe Gottes, zu einer Gnadengabe, durch die gläubige Eheleute permanent in Berührung mit Gott kommen (was z.B. in der orthodoxen Trauzeremonie weit mehr, als in der katholischen veranschaulicht wird).

Weiter widerspricht Benedikts Aussage der Realität der verheirateten Priester der Ostkirchen (die zu gut 90% verheiratet sind). Der Ostkirchen, die zu Rom und damit zur römisch-katholischen Kirche gehören.

Auch widerspricht Benedikts Feststellung der von ihm im Speziellen genehmigten Zulassung verheirateter, ehemaliger anglikanischer und protestantischer Pfarrer zum katholischen priesterlichen Dienst und deren Weihe zum Priester.

Heuchelei versus Charisma

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass es für die genannten Konvertiten auch die Möglichkeit des Diakonats gäbe (ich verweise darauf mit Blick auf die Sicht Benedikts). Diakone sind in der Regel verheiratet. Und ihre Aufgaben entsprechen vielfach denen evangelischer Pfarrer. Eine solche Möglichkeit für Konvertiten würde der Ungerechtigkeit den „alteingesessenen“ Priestern gegenüber entgegenwirken. Abgesehen von der Unwürdigkeit der immer wieder hervorgezogenen Beteuerung den konvertierten Männern wie auch den „Alteingesessenen“ gegenüber, dass diese Regelung ja nur „die Ausnahme“ darstelle und die Pfarrer natürlich „ihre Ehe fortsetzen“ dürften

Welch eine immense Großzügigkeit…!

Was wäre denn die Alternative? Würde man ansonsten dem „Neu-Priester“ die Ehefrau wegnehmen? Sie weit weg von ihm in ein Kloster stecken? Und die Kinder in ein – katholisches – Heim? (Angeblich habe man ersteres einem konversionswilligen Pastor in „Aussicht“ gestellt, bevor Papst Pius XII. 1950 zugunsten des Dispens‘ vom Zölibat entschied…).

Dass Benedikt emeritus, aber auch seine Vorgänger, Paul VI. und Johannes Paul II., mit ihren Auffassungen zu Ehe und „heiligem „Zölibat (Benedikt XVI. und Paul VI.) allerdings die Möglichkeit des Diakonats für Konvertiten nicht in Erwägung zogen oder ausschöpften, verwundert mich sehr. Und hinterlässt nicht nur bei mir einen faden Geschmack (jedoch nicht den konvertierten Pfarrern gegenüber!).

Denn die offensichtlichen Widersprüche, die in sämtlichen Ausführungen Benedikts XVI. aufscheinen, bedingen eine unglaubliche Heuchelei. Und dies nicht nur den anderen Priestern der lateinischen Kirche gegenüber, sondern gegenüber allen Gläubigen sowie in der Gesamtheit des sakramentalen Verständnisses.

Zusammengefasst ist demnach folgendes festzuhalten:

Allein die Priester der lateinischen Kirche bleiben dem Zölibat (zwangs-)verpflichtet.

Er ist eine Verpflichtung, die in Widersprüchen, Absurdität und Heuchelei gipfelt, eine Verpflichtung, die unzählige Ausnahmen gebar.

Ausnahmen, bei denen sich die Frage stellt, wie es denn möglich sein kann, dass diese Ausnahmen-Priester durch ihre eheliche Bindung nicht die „Berührung mit dem göttlichen Geheimnis“, wie sie Benedikt sieht, stören oder gar verletzen? Die anderen aber schon…!!! ???

Der verpflichtende Zölibat für die Priester der lateinischen Kirche zerstört letztlich auch das Charisma, die Gabe Gottes, die Jesus nannte (Mt 19,12), die auch Paulus als Kriterium für den Entschluss zur Ehelosigkeit, aber auch zur Ehe definiert (1 Kor 7,7; 1 Kor 12,31).

Die Berufung, die Erwählung von Ehemännern zu Priestern offenbaren die Ostkirchen überdeutlich.

Blickt man in die lateinische Kirche, findet man angeblich nur „ehelose Erwählte… …“ Welche die „Ausschließlichkeit für Gott“ leben. So die Aussagen und Erklärungen Benedikts und einer ganzen Reihe von Klerikern. Was aber eine Lüge ist. In der lateinischen Kirche lässt man nämlich wertvolle Priester-Berufungen links liegen. Berufungen von Menschen, die verheiratet sind oder heiraten möchten. Und – unter den ehelos Erwählten finden sich auch immer wieder nur scheinbar Erwählte.

Der Heilige Geist sieht das Herz des Menschen.

Er sieht, ob ein Menschdas Gebot Gottes und das Gebot Jesu erfüllt, was allein das Kriterium für Gott ist:

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Lk 10,27; 5 Mose, 6,5).

Dieses größte Gebot, wie Jesus von Nazareth es nennt, erfüllen die Priester der Ostkirchen nicht weniger, als jene der Westkirche. Im Gegenteil. Ihre Ehe, die das „ganze Leben umgreifende Bindung,“ macht sie in der Regel offener für die Sorgen der Menschen, der Familien. Der Eheleute, der Kinder, der alten Menschen. Offener als manche ichbezogenen Zölibatäre. Die Priester, für die ihre Nähe zum „göttlichen Geheimnis“ und die Liebe zu ihrer Frau, die sie als Geschenk Gottes betrachten, eine Einheit darstellen.

Und es sind Männer, die keine „Josefsehe“ führen (s.u.). Die eine natürliche Ehe führen, wie sie Gottes Plan ist. Denn sie haben Kinder.

Die „Josefsehe“

Die Josefsehe – eine weitere, bizzar anmutende Reglementierung, die Benedikt XVI. für verheiratete Priester ins Spiel bringt. Er bezieht sich dabei jedoch vor allem auf die Alte Kirche, d.h. die Kirche der ersten vier bis fünf Jahrhunderte. Dazu schreibt er, ohne den Zeitraum der Alten Kirche zu benennen:

„Zur konkreten Gestalt des Zölibats in der alten Kirche ist noch anzumerken, dass verheiratete Priester die Weihe empfangen konnten, wenn sie sich zur sexuellen Abstinenz verpflichteten, das heißt eine sogenannte Josefsehe eingingen.“

Aus historischen Quellen sind mir entsprechende Forderungen ab etwa dem 4.Jh. bekannt. Forderungen! Die von den Priestern häufig nicht berücksichtigt wurden. Forderungen, die man dann glaubte, mit Drohungen erreichen zu können. So forderten z.B. das Konzil von Elvira in Spanien zu Beginn des 4.Jahrhunderts wie auch im Jahr 385 Papst Siricius das Verbot des ehelichen Verkehrs zwischen einem Priester und seiner Ehefrau sowie die Zeugung von Kindern; auch auf der Synode von Orange/Provence 441 wurde von den verheirateten Geistlichen vor ihrer Weihe das Versprechen der fortwährenden Enthaltsamkeit verlangt (vier Jahre später soll Papst Leo I. der Große den Priestern eine „Josefsehe“ empfohlen haben) – Forderungen, die Benedikt lediglich als „Hingabe an den Herrn“ verherrlicht, die beide (unberührten) Eheleute aus Überzeugung lebten. Dass es diese Realität gab, schließe ich nicht aus. Das Fatale aber war, dass eine solche Lebensform schließlich unter Druck und Drohungen verlangt wurde und die von Gott geheiligte Ehe, in der Gottes Liebe aufscheint, als sündhaft gebrandmarkt und „zurückgestoßen“ wurde.

Dies bestätigen noch weitere kirchenhistorische Berichte. Sie bezeugen die Zunahme solcher Forderungen in den folgenden Jahrhunderten und verweisen auf eine ebenso zunehmende leidvolle Geschichte des Priestertums: die geforderte Enthaltsamkeit für Priester versuchten nun Bischöfe (von denen selbst nicht wenige verheiratet waren, sich manche dann später für ein asketisches Leben entschieden) sowie eine Reihe von Päpsten unter massiven Strafandrohungen durchzusetzen. Hier begann eine üble Praxis um sich zu greifen, eine Praxis von Pression, Drohungen und Gewalt, die mitnichten vom Geist Gottes inspiriert war.

Eine Praxis, die sich, wie ich in mehreren Beiträgen ausführte, über die Jahrhunderte zu grenzenlosen Gewalttaten gegenüber verheirateten Priestern, ihren Frauen und Kindern auswuchs (s.u.a. Mailand 1063, Melfi 1089 in: https://beischneider.net/2022/03/03/typisch-roemisch-katholisch-trauer-muesste-ecclesia-tragen/).

Doch darüber spricht Benedikt mit keinem Wort. Mit Sicherheit jedoch hat er als Gelehrter, wie auch seine Vorgänger, von diesen anhaltenden und immer wieder aufflammenden Gewaltexzessen wegen des erzwungenen Zölibats Kenntnis. Dennoch sieht er allein und in leuchtender Verklärung, vor allem aber weit entfernt von der harten Realität seiner Kirche, die Hingabe des ehelosen Menschen an Gott. Gegen diese Thesen verwahrten sich schon mehrfach Priester und Bischöfe der Ostkirchen, die zu Recht darauf verwiesen, dass auch ein verheirateter Priester die „Hingabe an Gott“ lebe („US-Ostkirchen-Bischöfe danken Papst für verheiratete Priester“, Domradio, 21.02.2020.

„Zölibat: Würzburger Priesterehepaar lebt, was Ex-Papst Benedikt fürchtet“, Mainpost, Würzburg, 14.01.2020).

Ich bin allerdings von einem überzeugt: Papst und römische Kurie würden liebend gerne die Ostkirchen-Priester zum Zölibat verpflichten und ihnen das Heiraten verbieten.

Warum sie es nicht tun?

Weil sie genau wissen, dass dann die gesamte Priesterschaft für Rom verloren wäre. Dann würde diese zur orthodoxen Kirche wechseln. Und zwar schneller, als der Papa Buona Sera sagen kann.

Der Ehefrau „Hurenleib“ (Gregor VII.)

Erschreckend ist für mich in Benedikts Traktat vor allem folgendes: er widerspricht der Tatsache der Verachtung von Leiblichkeit und Sexualität, die im Christentum, beeinflusst durch philosophische Strömungen, schon in den ersten Jahrhunderten um sich griff und im Mittelalter besonders unter den Reformpäpsten kulminierte. „Weil in der Kirche die Ehe von Anfang an als eine von Gott im Paradies geschenkte Gabe betrachtet wurde“ blendet Benedikt die leidvolle Realität der durch zahlreiche Kleriker negativ beurteilten, ja bösartig verzerrten Darstellung von Leiblichkeit und Sexualität völlig aus – jene deformierte, erlogene Darstellung, die den Menschen jahrhundertelang in verstörender und heimtückischer Weise eingehämmert wurde (heute erfahren die Menschen das Gegenteil und zerstören vielfach bereits Kinderseelen).

Hat Benedikt emeritus nie darüber gelesen, dass die Frau und mit ihr alles Leibliche über viele Jahrhunderte als unrein verteufelt und eines Priesters für unwürdig erklärt wurde?

Weiß er nicht, dass Papst Innozenz II. auf der Synode von Clermont 1130 die Priester die „im Ehebett liegen“ der „Unreinheit“ bezichtigte?

Dass Gregor VII. im leiblichen Zusammensein der Eheleute eine „abscheuliche(n) Befleckung lüsternen Verkehrs“ sah (Zey, S.313), sodass es nicht erlaubt sein könne, dass ein Priester „zugleich einen Hurenleib und den Leib Christi berühre“ (Zey, S.316)?

Weiß er nichts davon, dass die Synode 1089 im süditalienischen Melfi unter Urban II. beschlossen hatte, die Frauen von Subdiakonen den normannischen Fürsten als Sklavinnen zu überlassen, sollten sich ihre Männer nicht von ihnen trennen (Zey, S.314)?

Zölibats-Terror und Ehe-Terror – eine durch Päpste bedingte unendliche, diabolische Geschichte… …

Ich frage mich an dieser Stelle allen Ernstes, in welcher Traumwelt der Papa emerito eigentlich die ganzen Jahrzehnte lebte. Ich frage mich aber auch, inwieweit er von all diesen Gräueltaten Kenntnis hatte, den Gläubigen aber dennoch, wie bei vielen Klerikern üblich, eine großenteils nicht existente, heile, süß-fromme Welt vorgaukelt. Was ich mich ebenso bei Papst Paul VI. frage, der sich, als ihm in den 70er Jahren reihenweise die Priester wegliefen und heirateten, an dem verordneten Zölibat als einem „strahlenden Juwel“ festbiss. Einem Juwel, das seinen „Glanz … über die Jahrhunderte“ nicht verloren habe. Wie kann ich als Verkünder des Jesus von Nazareth mit solchen Lügen leben?

Wie kann ich mich selbst permanent belügen? Wie kann ich alle meine Gläubigen belügen?

(Nach neueren Berichten seien in den vergangenen 15 Jahren viele Priester – zu viele – in Deutschland aus dem Priesterberuf ausgeschieden. Der Grund: sie heirateten. Für die Kirchenleitungen sei dies jedes Mal „ein harter Schlag“… Da wünsche ich noch viele Hammer-Schläge …!)

Josefsehe? Zurück zur sexuell enthaltsamen „Josefsehe.“

Zu einem fragwürdigen Begriff, der auf einer fragwürdigen Interpretation zur Mutter Jesu beruht (wohl seit Ende des 2.Jahrhunderts). Denn bei Matthäus heißt es eindeutig: „Er (Josef) erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar (Mt 1,25). „Erkennen“ in der Ehe aber bedeutete das ganzheitliche Zusammensein der Eheleute. Die sich in der jüdischen Trauzeremonie nach der Heiligung „vor dem Ewigen“ einander „angeloben“ (siehe die Worte des Bräutigams: „Durch diesen Ring seist Du mir angelobt“). Die Eheschließung im Judentum ist bis heute eine Mizwa, d.h. ein Gebot Gottes. Wir wissen aus mehreren Textstellen der Evangelien, dass Miriam/Maria und Yosef/Joseph, die Eltern Jesu, gläubige Juden waren und die religiösen Gesetze achteten.

Es ist sonderbar und bezeichnend gleichermaßen, dass sich X – Männer, Männer wie die Kirchen-Väter, Päpste, Männer und nur Männer, über die „ewige Jungfräulichkeit“ der Mutter Jesu endlos ausließen; diese stellte offenbar deren Hauptproblem dar und weniger die weit wesentlichere Frage der tiefen inneren Hingabe Marias an Gott.

Jesus hätte sich nicht die Geburt aus einer Jungfrau gewählt, wenn er sie als so wenig enthaltsam hätte betrachten müssen, dass sie jene Geburtsstätte des Leibes des Herrn, jene Halle des ewigen Königs, durch menschliche Begattung entweihe

waren 392 die Worte des als leibfeindlich und ehefeindlich geltenden Papstes Siricius (s.o.) – eines „Heiligen.“ Sie zeigen eine bereits verbreitete Auffassung, welche sich vom Eheverständnis Jesu und des Judentums als eine von Gott geheiligte, gesegnete Verbindung gelöst hatte. Als eine der Folgen davon wurden die Gläubigen der Christenheit weit über ein Jahrtausend durch die Abwertung von Ehe und ehelichem Zusammensein, verbunden mit Verboten und Strafmaßnahmen, drangsaliert. Drangsaliert von leib- und menschenverachtenden „Heiligen.“

In den Schriften des Neuen Testaments aber wurde von den Männern in einem Dienstamt wie den Presbytern oder Bischöfen, von Männern, die im Verkündigungsdienst standen, die eine Gemeinde leiteten und die Eucharistie feierten, weder die Ehelosigkeit, noch die Enthaltsamkeit gefordert (1 Kor 7,5).

Auch das Konzil von Nicäa, 325, folgte noch dem biblischen Vorbild und bestimmte, die Entscheidung zu Ehe oder Zölibat dem einzelnen Kleriker zu überlassen.

Doch schauen wir noch einmal auf die Ehen der vorgestellten Priester der Ostkirchen.

  • In Stammersdorf/Wien kam der katholische Pfarrer mit Frau und Kindern (wie viele es sind, wurde nicht erwähnt). Bei seinen Vorfahren ist eine Priester-Dynastie nachweisbar. Seit 400 Jahren. In jeder Generation gab es einen Priester. Mit Ehefrau. Mit Kindern (Teil 1).
  • In Hamburg, St. Antonius, hat das aus der Ukraine stammende katholische Priesterehepaar – 2019 – zwei Kinder (Teil 1).
  • In Würzburg lebt der aus Ungarn stammende katholische Priester Endre Koncsik mit seiner Frau Ute (s.o., Würzburger Priesterehepaar…). Vor vier Jahren feierten sie ihre Goldene Hochzeit und sein goldenes Priesterjubiläum. Sie haben einen Sohn.

Auch Endre Koncsiks Vater und Großvater waren Priester. Ihr Pfarrhaus in Ungarn stand immer offen für die Menschen, die Ehefrauen waren oft die ersten Ansprechpartner für die Sorgen oder die Freuden der Gläubigen. Und noch etwas erzählte Endre Koncsik: bei den Ostkirchen-Priestern gab es keinen Priestermangel.

Soviel zur Priester- und zur Josefsehe!

Nachwort: Priester und „Narzissmus“

Vor kurzem las ich ein Interview mit dem katholischen Arzt und Psychiater Martin Flesch „über Defizite in der Priesterausbildung“ (Psychiater Martin Flesch über Defizite in der Priesterausbildung: 

„Klerikaler Narzissmus ist der Grundbaustein für geistlichen Missbrauch“, katholisch.de, 03.11.2022). Ich gehe darauf nicht ein, kann den Artikel jedoch wärmstens empfehlen – inzwischen hat ihn sogar das katholische Online-Magazin Aleteia in seiner französischen Ausgabe aufgenommen (“Un psychiatre s’intéresse aux abus spirituels,“ 07.11.22).

Doch möchte ich kurz ein neues Phänomen in der Priesterausbildung ansprechen, von dem ich seit etwa zwei Jahren, insbesondere in Frankreich, lese und von dem man sich offenbar Wunder für die Ehelosen erhofft: die Einbeziehung von Frauen. Bei der Ausbildung an Seminaren sowie in Priesterräten… … Kürzlich war die Rede auch in der Deutschen Bischofskonferenz davon.

Liebe Bischöfe! Was viele Priester brauchen, ist eine Ehefrau.

Da nützen auch Frauen in der Priesterausbildung nichts.

Viele brauchen eine Frau, von der sie geliebt werden, die sie lieben und mit der sie gemeinsam die eheliche Liebe in die große Liebe zu Gott, zu Christus hineintragen.

Mit weiteren Literaturangaben.

Kommentarregeln: Bitte keine beleidigenden oder strafbaren Äußerungen. Seid nett zueinander. Das Leben ist hart genug.

2 Kommentare

  1. Ich habe hier schon einmal argumentiert, daß der Katholizismus mit dem reinen Christentum nichts gemein hat und in meinen Augen reine Heuchelei und Verdrehung von wahren Christlichen Werten darstellt.
    Außerdem schöpft er immer wieder aus dem Alten Testament, was nichts aber auch rein gar nichts mit dem Christentum gemein hat! Dann kann man sich gleich den Koran oder den Talmud zum Vorbild nehmen (“Auge um Auge, Zahn um Zahn” & Co.).
    Daß ein Benedikt XVI. seine Argumentation aus derart niederen Quellen rekrutiert, läßt tief blicken! Dann stimmt es wohl doch, daß dieser Papst auch dem Satanismus verfallen ist und damit der Freimaurerei. Ich habe vor mehreren Jahren einmal ein Foto im I-Net mit ihm und anderen (Politikern und/oder Klerikern) gesehen, auf dem er das Zeichen des Baphomet/Satans mit erhobener rechter Hand macht und höhnisch triumphierend in die Kamera grinst: Daumen, Mittel -und Ringfinger runter und Zeigefinger und kleiner Finger noch oben!
    Ich bin der Ansicht, daß Maßstellungen und Werte -und Verhaltensregelungen – übernommen aus dem Alten Testament – nichts im Christentum zu suchen haben!
    Und so auch nicht der anachronistische Zölibat. Diese Vorgabe ist typisch frreimaurerisch, um auf lange Sicht Unsicherheit, Unzufriedenheit und Verwirrung zu stiften. Das ist ihr Rezept seit dem Gründer Hiram, dem Baumeister Salomons – wie’s ihm nachgesagt wird.
    Überdies ist es menschlich völlig unlogisch und widersinnig: ein Hirte, der seine Schäfchen (nicht Schafe!) hüten und führen (beraten) soll, muß selbst in jeder Art von menschlichem Miteinander bewandert sein, damit er den Notleidenden welcher Art auch immer Hilfestellung und Trost spenden und ihnen menschliche Wärme vermitteln kann. Dazu gehört auch ein vernünftiges Ausleben seiner Gefühle und Bedürfnisse.
    Meine Überzeugung …

    Gruß Rolf

  2. Die Frankfurter Allgemeine feiert die Protestanten als Gesellschaftswissenschaftler, verhunzt Luther als Revolutionär, das er seinem christlichen Glauben treu blieb, davon keine Spur. Wollte Luther eine Abspaltung oder nicht, er hat sich gegen den Betrug der Obrigkeit gewehrt, die im Vatikan damals prassen, saufen und huren und dem Volk den letzten Pfennig ab pressen, die vor einem Stück Speck trotz harter Arbeit schmachten. Er vertrat wohl die Meinung die Hirten müssen für ihre Schafe da sein, sie nicht ausbeuten im Egoismus.

    Es war nicht das jüdische Volk, das schrie Kreuziget ihn, kreuziget ihn, sondern ein nach Macht und Pfründen strebender Klerus.

    Die ideologischen Spinner, die die ideologische Utopie von Karl Marx feiern wollen, missbrauchen jetzt auch Luther für den Materialismus und der Gott Leugnung. Bestes Beispiel, Käßmanns Weihnachtsmesse in Wittenberg zum Reformationsjahr, die Luther scharf auf die längst verblichen Maria, als flotten Hüpfer verklären wollte und aus Migranten, ist halt SPD Mitglied, Gott gebärende macht, im einheimischen Volk nicht.

    Die Protestanten unter Jan Huss haben gegen klerikale Missstände und den Missbrauch “im Namen Gottes rebelliert, vielleicht auch Thomas Müntzer, aber Luther, der nach seinem Glauben nach Gott suchte, hat seine ungeliebten Brüder nie verraten. War eher traurig über das Blutbad, das im Machtkampf angerichtet wurde.

    Ferdinand Freiligraht kann das in seinem Gedicht Bartholomäusnacht wieder spiegeln.

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