StartChristentum, Hoffnung und TranszendenzO Du fröhliche: Eine Nachbetrachtung weihnachtlicher Beschallungen

O Du fröhliche: Eine Nachbetrachtung weihnachtlicher Beschallungen

Bild: Foto Heller

Von Dietrich Quintilian. Weihnachten ist schon wieder vorbei, doch im Rückblick drängt sich mir die Frage auf: Wie ging es Ihnen eigentlich, verehrte Leser, was die diesjährige Weihnachtsbeschallung betrifft? Mein persönlicher Eindruck ist folgender: Landauf, landab wurden wir mindestens vier Wochen lang permanent mit schwülstigen Songs über ein rotnasiges Huftier, Träumereien von weißen Weihnachtstagen, klingende Schlittenglocken am Rentierschlitten und vielen weiteren meistens aus den Vereinigten Staaten stammenden Weihnachtshits beschallt. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Diese Lieder sind in den meisten Fällen musikalisch gut und haben durchaus ihren festen Platz in der weltlichen Weihnachtsliturgie. Jedoch ist mir aufgefallen, dass die “klassischen“ deutschen Weihnachtslieder immer weniger bis gar nicht mehr gespielt werden. Woran mag das wohl liegen?

Die Weihnachtstraditionen des amerikanischen Kontinents, konkret: der USA, verkommen in unseren Längengraden immer mehr zum inhaltsleeren Shopping-Act, was sich ganz besonders in diesem Jahr zeigte (vermutlich, weil man nach zwei Corona-Jahren besonders auf Kommerz setzte) – weil die europäischen Weihnachtstraditionen viel enger und deutlicher an das eigentliche Ereignis gebunden sind: Die für uns Christen frohlockenden Ankündigung der Geburt des Erlösers in der Adventszeit (lat. advenit, „er wird kommen”) und die Feier der Geburt des Erlösers zu Weihnachten. Der Ausdruck der ehrlichen Freude in vielen europäischen Advents- und Weihnachtsliedern rührt oftmals daher, dass die Dichter und Komponisten tiefgläubige Menschen waren. Und natürlich stören religiöse Gefühle und Ansichten allzu sehr beim Krämern – und darum geht es ja offensichtlich den allermeisten Einkaufszentren und vielen Medien.

Eingebildete und echte kulturelle Aneignung

Obwohl ich der selbsternannten „woken” Idee nichts abgewinnen kann, wundere ich mich schon, dass die üblichen Verdächtigen – oftmals grün hinter den Ohren -, die bereits bei einer weißen Rasta-Locken tragenden Reggae-Musikerin in hysterische Schreianfälle verfallen und lauthals „Kulturelle Aneignung! Igitt!” kreischen, erstaunlich stumm verharren, wenn die europäischen Weihnachtstraditionen durch reale kulturelle Aneignung aus Übersee verhöhnt und oftmals persifliert werden.
Der weißrote Coca-Cola-Weihnachtsmann oder „Santa Claus“ (der heißt bei uns eigentlich “Nikolaus“, und wir gedenken seiner traditionell am 6. Dezember!) ersetzen das Christkind und den Geschenkboten Knecht Ruprecht („….Knecht Ruprecht! Heb Deine Beine und spute Dich schnell!…”). Ist Ihnen eigentlich schonmal folgendes aufgefallen: Wenn man im Wort “Santa“ (welches wir die letzten Wochen in jedem Krämertempel und in jedem Winkel lesen konnten) nur einen einzigen Buchstaben, nämlich das „n”, ans Ende stellt, das Wort „Satan” herauskommt? Nun ja – teuflisch finde ich den Drang, Dinge partout verhökern zu wollen, nicht; nur eben schrill und dem Anlass unangemessen.

Damit wir uns wieder zurückbesinnen auf unsere eigenen Weihnachtstraditionen und unsere Weihnachtslieder, habe ich Ihnen einige “Klassiker“ zusammengestellt und interessante Geschichten, Anekdoten und Erzählungen über ihr Zustandekommen gesammelt. Das bekannteste, das berühmte „Stille Nacht, Heilige Nacht”, habe ich hier einmal bewusst ausgeklammert, da zumindest dieses Lied immer noch im Bewusstsein verblieben ist. Auch wenn Weihnachten nun zurückliegt, vielleicht schon einmal als Anregung für nächstes Jahr: Besinnen wir uns auf unsere Weihnachtstraditionen, füllen wir sie wieder mit Leben!

Liedgut mit reicher Tradition

Wir beginnen mit einem der ältesten Weihnachtsklassiker: „Vom Himmel hoch, da komm ich her” – quasi die Mutter aller deutschen Weihnachtslieder. Text und Melodei stammen von beide von Doktor Martin Luther, dem großen Reformator, der dieses Lied 1533/34 für seine Kinder zur Heiligen Nacht geschrieben hat. Ein paar Jahre später variierte Luther dieser Melodie leicht und schrieb daraus sein wohl bekanntestes Lied, „Ein feste Burg ist unser Gott”. Luthers Idee, nicht nur die Liturgie, sondern auch die Lieder und Bräuche in der Volkssprache zu präsentieren, schlug damals ein wie eine Bombe: Deutschlandweit, vor allem und auch in Böhmen und Mähren, trat „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ einen unvergleichlichen Triumphzug an, und in der Folge begannen in ganz Europa Scharen von Komponisten Weihnachtslieder in ihrer jeweiligen Landessprache zu verfassen.

Ein weiterer „Klassiker“ ist das Lied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich” – die wohl erste Weihnachtshymne. Nikolaus Herman schrieb den ersten Weihnachtshymnus, sowohl was den Text als auch die Melodie betrifft. Inspiriert von Luthers volkstümlicher Kirchenmusik schuf er bewusst eine Komposition, die die Erhabenheit des Weihnachtswunders in die breite Masse tragen wollte – und dies auch geschafft hat. Die Nürnberger Weihnachtsfanfare „Wachet auf, ruft uns die Stimme” wiederum wurde von Philipp Nicolai zu des 16. Jahrhunderts geschrieben, genauer im Jahre 1599 in Nürnberg. Bei der Melodie griff er in Teilen auf die damals populäre “Silberweise“ von Hans Sachs zurück. Wie rapide dieses Lied europaweit populär wurde, verkünden bis heute hunderte von textlichen Variationen und Übersetzungen. Das bringt uns zum nächsten Klassiker: „Der Morgenstern ist aufgedrungen”. Etwas früher als das eben beschriebene „Wachet auf” entstand „Der Morgenstern ist aufgedrungen” – geschrieben hat es Daniel Rumpius zu einer Melodie von Michael Praetorius. Interessant ist die zweite Strophe: „Wacht auf, singt uns der Wächter Stimme / vor Freuden auf der hohen Zinne: Wacht auf zu dieser Freudenzeit! / Der Bräut’gam kommt, nun machet euch bereit!”. Hier wird also tatsächlich bereits die Bildsprache von „Wachet auf” vorweggenommen. EIn Ideenraub zu Weihnachten? Die Frage ist bis heute – was war wohl zuerst da? Huhn oder Ei?

Kirchliche und weltliche Evergreens und Klassiker zur besinnlichen Jahreszeit

Es ist ein Ros entsprungen” ist ein betont zartes Weihnachtslied. Es war der wohl erste Weihnachtshit. Um den 23. Dezember 1609 stapfte Michael Praetorius, der Hofkantor des Herzogs von Wolfenbüttel-Braunschweig und zugleich Bischofs von Halberstadt, zu Fuß von Wolfenbüttel an den Harz bis nach Blankenburg, wo sein Landesherr am nächsten Tag den Heiligen Abend feiernwollte, wozu er seine Dienste benötigte. Die Landschaft war tief verschneit und der verharschte Schnee knirschte unter jedem Schritt. Bei einem Tritt jedoch fiel das Knirschen aus – Praetorius hielt inne, bückte sich und war entzückt: Unter dem vereisten Schnee hatte sich eine kleine Höhlung gebildet. Und in ihr blühte – mitten im Winter – eine Rose, denn in der „Höhle” war es wärmer als draußen. Praetorius erinnerte sich an eine damals rund 10 Jahre alte Melodie aus Speyer, die von einem „Reis” sang und von einem „Blümelein im kalten Winter”. In Blankenburg angekommen schrieb er den Satz, den man bereits am Anfangsakkord des Liedes erkennt, und schuf mit seiner Fassung von „Es ist ein Ros entsprungen” den vermutlich ersten Weihnachtsschlager…

„Fröhlich soll mein Herze springen“ ist ein besonders freudiges Weihnachtslied. Der evangelische Pastor und Dichter Paul Gerhard, der mit vielen Werken in den Gesangbüchern über Generationen hinweg verewigt wurde, schrieb diesen Text in beschwerlichen Zeiten: Vermutlich unter den Eindrücken, die der Westfälische Friede und das damit einhergehende Ende des 30 Jahre währenden Vernichtungskrieges hinterlassen hatten (der Krieg begleitete fast Gerhards gesamtes Leben!), jubelte der Pastor über das Ende der Kampfhandlungen und drückte mit diesem Lied seinen Dank an Gott aus. Der (vermutlich sorbische) Lehrer und Kantor Johann Crüger hat diesem Lied einfühlsam jene freudenstarrende Melodie geschrieben, die es heute noch prägt. Und da wir gerade bei Paul Gerhard sind, wollen wir auch seinen zweiten Weihnachtsklassiker nicht vergessen: „Ich steh an Deiner Krippen hier” – ein wahres Weihnachts-Oratorium. Gerhard ist mit diesem Lied neue Wege gegangen: Wurde sowohl in der altgläubigen als auch der frühen protestantischen Liedtradition stets kollektivistisch vom “Wir” gesungen, folgte Gerhard hier erstmalig der lutherischen Orthodoxie und schrieb vom „Ich” – also von einem ganz persönlichen Glaubenszugang zu Weihnachten ausgehend. Dieses Lied wurde 100 Jahre später von Johann Sebastian Bach als zentrales Thema in sein Weihnachtsoratorium eingebaut.

Hochinteressante Hintergründe zu populären Melodien

Sehr bekannt ist auch das aus Ostpreußen stammende festliche Jubellied „Macht hoch die Tür, das Tor macht weit”. Georg Weissel schrieb dessen Text; der junge Theologe bewarb sich mit diesem Text auf eine Pfarrstelle in Königsberg. Dazu gibt es eine rührende Anekdote: In der Nähe der Kirche befand sich das Armenhaus, dessen Bewohner den Weg zur Kirche über die Wiese eines reichen Mannes  abkürzten. Das gefiel diesem nicht und er verschloss den Zugang zu seiner Wiese mit einem Tor. Als er das Gedicht bei der Vorstellung des neuen Pfarrers hörte, soll er erblasst sein und das Tor ganz schnell wieder abgebaut haben… Ein echter Weihnachts-Allrdounder wiederum ist „O Du fröhliche”. Hiermit kommen wir zum ersten Lied in unserer Liste, das kein deutscher Exportschlager ist, sondern der erste „Import-Schlager”: Das Lied stammt ursprünglich aus Sizilien und existierte dort sowohl in der weltlichen „Fischerweise” als auch der sakralen Variante „O sanctissima“. Daniel Falk, der den deutschen Text verfasste, hatte eigentlich vor, ein geistliches Tryptichon zu schaffen. So schrieb er jeweils eine gleichbleibende Zeile zu Beginn “O du fröhliche, o du selige…”, variierte dann aber ab der zweiten Zeile mit “gnadenbringende Weihnachtszeit“ – “gnadenbringende Osterzeit“ – “gnadenbringende Pfingstzeit“. Heinrich Holzschuher aus Wunsiedel schrieb zur ersten Strophe die heute immer noch gesungenen Folgestrophen zur Weihnachtszeit. Die Idee von Falk, sozusagen ein variables Lied für die drei christlichen Hochfeste zu schaffen, ist letztendlich gescheitert; es blieb bei der Weihnachtsverwendung.

Ein weiterer Import, aus Frankreich, ist „Engel auf den Feldern singen”. Im Original lautet der Titel dieses Liedes „Les Anges dans nos campagnes”. Es gibt aus fast 200 Jahren zahlreiche Übersetzungen ins Deutsche; die heute verbreitetste ist wohl die 1954er Übersetzung von der Theologin Marie Luise Thurmair. Seit über 100 Jahren ist dieses Lied im Standartrepertoire geistlicher Chöre vertreten. Ein weiterer „Evergreen“ ist „O Tannenbaum” – das als „mutiertes Weihnachtslied” gelten kann.
Denn wer kennt dieses Lied nicht? Ich behaupte: Die meisten! Unser Lied wurde ursprünglich mit einem gar nicht so weihnachtlichen Text, sondern eher als Anklage gegen eine untreue Geliebte verfasst.

Von der Anklage der lasterhaften Geliebten zum Weihnachtshit

Deshalb möchte ich – eben weil er so unbekannt ist, den Lesern den Originaltext nicht vorenthalten:

O Tannenbaum, o Tannenbaum,
Wie treu sind deine Blätter!
Du grünst nicht nur zur Sommerzeit,
Nein auch im Winter, wenn es schneit.
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
Wie treu sind deine Blätter!

O Mägdelein, o Mägdelein,
Wie falsch ist dein Gemüte!
Du schwurst mir Treu in meinem Glück,
Nun arm ich bin, gehst du zurück.
O Mägdelein, o Mägdelein,
Wie falsch ist dein Gemüte!

Die Nachtigall
Nahmst du dir zum Exempel.
Sie bleibt so lang der Sommer lacht,
Im Herbst sie sich von dannen macht.
Die Nachtigall, die Nachtigall,
Nahmst du dir zum Exempel.

Der Bach im Thal
Ist deiner Falschheit Spiegel.
Er strömt allein, wenn Regen fließt,
Bei Dürr er bald den Quell verschließt.
Der Bach im Thal, der Bach im Thal
Ist deiner Falschheit Spiegel.

Der Originaltext stammt von August Zarnack, der ihn wohl noch als Student verfasste. Die uns weitestgehend bekannte weihnachtliche Bearbeitung stammt – zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Originals – von Ernst Anschütz, der übrigens unter anderem auch „Fuchs, Du hast die Gans gestohlen” und „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach” geschrieben hat.

Auch Hoffmann von Fallersleben fehlt nicht im Repertoire

Morgen kommt der Weihnachtsmann“ ist das politisch wohl aktuellste Weihnachtslied, zumindest, was die erste Originalstrophe betrifft: Der kämpferische Germanistikprofessor Heinrich Hoffmann – genannt von Fallersleben -, der später zwar als der Dichter des „Deutschlandliedes” berühmt wurde, jedoch als Verfasser zahlreicher Kinderlieder (etwa „Summ, summ, summ, Bienchen summ herum”, „Ein Männlein steht im Walde” – „Der Kuckuck und der Esel” – „Alle Vögel sind schon da” – „Winter ade, scheiden tut weh” und viele mehr) völlig in Vergessenheit geriet, schrieb 1835 diesen Weihnachtsliedklassiker. Wenn wir uns heute die Kriegslüsternheit bestimmter soldatisch Unbeteiligter ansehen, finden wir die originale erste Strophe als pointierte Beschreibung aktueller Berliner republikanischer Befindlicheiten:

Morgen kommt der Weihnachtsmann,
Kommt mit seinen Gaben.
Trommel, Pfeifen und Gewehr,
Fahn’ und Säbel, und noch mehr,
Ja, ein ganzes Kriegesheer
Möcht’ ich gerne haben!

Die Weihnachtsromantik beginnt gewöhnlich mit einem anderen bekannten Stück: „Alle Jahre wieder”. 1837 dichtete Wilhelm Hey dieses ebenfalls weithin bekannte Weihnachtslied. Als Melodie schälte sich – gegen seinen Willen – ein romantisches Kinderlied von Friedrich Silcher heraus, für die das Lied bis heute bei uns bekannt ist. Mit Riesenschritten nähern wir uns dem Ende dieses Artikels; die Adventszeit, die ja der Weihnachtszeit vorangeht, ist oftmals als „dunkle Zeit” wahrgenommen worden. Deshalb möchte ich die letzten drei erwähnenswerten Lieder eher in einen „nachdenklichen” Zusammenhang bringe.

Zum einen ist da der weihnachtliche Gamechanger „Wisst ihr noch, wie es geschehen?”. Christian Lahusen, vor dem Jahrhundertwechsel ins 20. Jahrhundert als jugendlicher Pianist durch ganz Europa durchgereichtes “German Wunderkind“, zog als draufgängerischer Kriegsfreiwilliger in den ersten Weltkrieg und wurde dort ein gefürchteter Jagdflieger. Nach dem Krieg erlebte er in München – im Vergleich zu Berlin damals nicht minder „roaring” – alle hedonistische Facetten. Als Revuekomponist war er der beliebte Bohemien der Flatterkultur und des Boulevards. Erst der überraschende Tod seiner jungen Frau zwang ihn in die Knie. Er zog sich mitsamt seinem Schmerz in die Berge zurück und wurde praktisch zum Eremiten; später holte ihn der Markgraf von Baden als Musiklehrer auf das Internatsschloss Salem. Als Einsiedler wandelte er seine Kompositionskunst radikal um und schrieb danach nahezu ausschließlich geistliche Lieder. „Wisst ihr noch wie es geschehen” ist die erste bekannte Komposition aus seiner geistlichen Schaffensphase. Damit ist aus seinem tiefen Verlustschmerz eine grundlegende Veränderung seiner Kompositionsart entsprungen.

Grausame und tragische Begleitumstände

Auch in der Schweiz gibt es die Tradition des Dreikönigs-Singens; die Sänger heißen Sternsinger. „Es ist für uns eine Zeit angekommen“ ist das wohl meist missbrauchte Weihnachtslied – und zugleich eines der populärsten Sternsingerlieder in der Schweiz. Seine Popularität stieg nach dem Ende des ersten Weltkrieges – gerade im südlichen Deutschland – rasant an. Es wurde so beliebt mit seiner tiefchristlichen Botschaft, dass die staatstragenden Nationalsozialisten 1938 eine Umdichtung in Auftrag gaben, die umfänglich “entchristianisiert“ werden sollte: Die heute meistens bekannte Fassung („…übers schneebeglänzte Feld – wandern wir, wandern wir – durch die weite, weiße Welt…”) ist tatsächlich die 1938 ihrer christlichen Botschaft beraubte Fassung.

Das letzte Lied, das ich Ihnen vorstellen möchte, ist auch dasjenige, das in dunkelster Stunde die größte Hoffnung verbreitet. Damit ist es wieder – und immer noch – aktuell: “Die Nacht ist vorgedrungen“. Dieses wahrhaft hoffnungsgebende Weihnachtslied stammt von Jochen Klepper, einem der talentiertesten deutschsprachigen geistlichen Dichter des 20. Jahrhunderts. Er hatte schon früh seine große Liebe, eine Jüdin, geheiratet, musste aber bereits im Oktober 1932 die SPD (!), seine Partei, verlassen – zu groß war der innerparteiliche Druck auf ihn wegen seiner jüdischen Frau geworden. Ab spätestens 1938 war er durch das Regime dann nahezu vollumfänglich ins gesellschaftliche Abseits gestelltworden. Hätte er nicht mit Hilfe von Freunden seinen Roman „Der Vater” veröffentlicht und wäre der nicht erfolgreich gewesen, wäre er komplett mittellos gewesen. Die Repressalien auf ihn und seine Familie wurden von Tag zu Tag schlimmer und widerwärtiger. Als sicher war, dass er zwangsgeschieden werden sollte und seine Frau und Töchter in ein Lager überführt werden sollten, entschieden die Eheleute mit ihren Kindern, kollektiv Suizid zu begehen. Am 11. Dezember 1942 nahm sich die gesamte junge Familie das Leben.

Denkwürdiges Vermächtnis

Kleppers Erbe an uns heute Lebenden – in dieser ebenfalls dunklen, wenn auch nicht mit damals vergleichbaren Zeit – ist sein beeindruckender Text zu diesem etwas anderem Adventslied. Die kongeniale Vertonung dieses Liedes fertigte Johannes Petzold an:

Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.

Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll’ nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.

Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.

Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.

Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt!
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt!
Der sich den Erdkreis baute,
der läßt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht!

Erstveröffentlichung: Ansage

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4 Kommentare

  1. Bevor die Party steigt, möchte ich zu dieser guten Nachbetrachtung gerne ein paar Worte sagen (wohlgemerkt, in total nüchternem Zustand, hihi !) :

    Zu meinem Artikel “Die stille Zeit” schrieb der Kommentator @Artushof einen Beitrag, den ich auch hier sehr passend finde. Ich zitiere sinngemäß :” Das heutige Bild der deutschen Gesellschaft ist das Ergebnis, das seit Ende des 2. Weltkriegs durch die Siegermächte auf den Weg gebracht wurde. Eine starke, selbstbestimmte und souveräne deutsche Nation sollte es nie mehr geben. Und ja, wir Deutschen haben es zu keinem Zeitpunkt verstanden, uns gegen die “Veramerikanisierung” unserer Kultur zu wehren.” Zitat Ende.

    Unsere Kreuze werden abgeräumt. Das ehemals schöne Erntedankfest, das meinen Großeltern noch heilig war, wurde zu “Halloween”. Ein Bismarck-Zimmer darf es nicht mehr geben und die Worte “Dem Deutschen Volke” sind auch nicht mehr zeitgemäß. Die deutsche Sprache wurde verhunzt und verstümmelt nach allen Regeln der Kunst. Die Zerstörung einer Nation beginnt immer mit der Zerstörung der Sprache und der Kultur. Das kommt eben dabei heraus, wenn man sich Politiker wählt, die bekennende Deutschhasser sind und darüber hinaus alle Maßstäbe der Grenzdebilität erfüllen. Na dann, Prost Neujahr !!

    • Liebe gute Doris,
      ich, bzw. wie wünschen Euch ein frohes und vor Allen gesundes
      neues Jahr, hoffe, Ihr seit gut “hinein gerutscht”.
      Wie waren vorgestern beu unseren Freunden hier eingeladen, war
      sehr nett aber als wir auf die Politik zu sprechen kamen stockte mir
      der Atem. Von einem Soros, einem Klaus Schwab, für mich ein irrer
      Psychopath, einer der gefährlichsten Männer der Welt, hatten die noch
      nie etwas gehört …
      Dann zur Merkel, die hätte ja so ungeheuer viel Gutes für Deutschland
      getan … als ich fragte was denn, wußte aber keine eine Antwort.
      Und so ist die Mehrzahl hier in diesem verblödeten Land.
      Weihnachten, erster Feiertag, traditionell bei uns hier Gänsebratenessen,
      irgendwann kam es zum Gespräch mit meiner wirklich sehr lieben
      Enkelin, Gymnasium, 11. Klasse. Ich fragte ob sie denn Prozentrechnung
      könne, Antwort NEIN … ich fragte ob sie denn den Dreisatz oder wie wir
      damals sagten, die Verhältnisgleichung beherrsche Antwort NEIN …
      Ich ffragte weiter, ob sie denn noch Gedichte in der Schule lernen müßten,
      Antwort …, na Du weißt schon … Fragte weiter ob sie denn in Literatur die
      Klassiker, wie wir damals in der Schule behandelt hatten kenne, z.B. Goethes
      Faust, Antwort, nur Goethe aber in Kurzversion … alles Andere nicht …
      klar was hier in diesem Land abläuft ?
      Aber vielleicht wird sie ja mal eine “gute” Außenministerin …

      PS.: Dem Mädel kann man keinen Vorwurf machen, den Dreisatz und wie man
      Prozente ausrechnen kann, hatte ich ihr an diesem Tag noch beigebracht !

  2. Vielen Dank. Ja, auch ich störe mich am permanenten Berieseltwerden mit amerikanischen “songs”. Das sage ich als Amerikaliebhaberin und -kennerin. Es ist fast unmöglich, außerhalb des Gottesdienstes auf deutsche Weihnachtslieder zu setzen. Ich versuche es im Rahmen meiner Möglichkeiten im Religionsunterricht, aber wenn dann im Schulchor nur Jingle bells etc. gesungen wird….tja. Trotzdem werde ich es weiterhin so machen.

    • Liebe Patricia,
      Amerikaliebhaber war ich auch einmal, hatte das Vergnügen
      einige Male dort gewesen zu sein, im Norden, Chicago und
      in Florida kenne ich mich recht gut aus ABER wenn ich heute
      nur die drei Buchstaben U S A lese, könnte ich nur noch Kot…
      Vom absoluten Amifreund zum Amihasser !
      Die ganze Biden Bande usw., verstehe nicht, daß die Leute
      dort, so wie damals zu Zeiten des Vietnamkrieges, nicht gegen
      diese verbrecherische Regierung, aufbegehren.
      Ihnen auch ein gesundes neues Jahr !

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