„Eine Rose unter den Dornen ist meine Freundin unter den Mädchen. Steh auf, meine Freundin, meine Schöne und komm, komm her ! Zeige mir deine Gestalt, laß mich hören deine Stimme, denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt ist lieblich.“
„Es riechen deine Salben köstlich, dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe, darum lieben dich die Mädchen. Zieh mich dir nach, so wollen wir laufen. Sage mir, du, den meine Seele liebt, wo du weidest, wo du ruhst am Mittag. Siehe mein Freund, du bist schön und lieblich und unser Lager ist grün.“
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Nein, liebe Leser, ich bin nicht unter die Prediger gegangen. Ich habe kein Bibelstudium absolviert und verspüre auch nicht die geringsten Ambitionen, das jemals zu tun. Von Hölle und ewiger Verdammnis hatte man mir in meiner Kindheit schon genug gepredigt. Ich habe auch nie einen Hehl daraus gemacht, daß ich für die Religionen dieser Welt nicht viel Sympathien hege.
Um so erstaunter war ich, als ich zum ersten Mal einige Verse aus dem Hohenlied las, jener bezaubernden Liebeslyrik von König Salomo, den man auch den König der 1000 Gedichte nannte. Genau gesagt geschah das vor vielen Jahren auf einer Heimreise von London nach Köln. Ich hatte wieder einmal eine Woche in England verbracht und mir aus diversen Buchläden ein paar Schätzchen für meine kleine Bibliothek mitgebracht. Eins davon trug den Titel „Flowers and Poetry“, ein wunderschöner Bildband, der heute noch zu meinen Lieblingsbüchern zählt. Schon im Zug nach Dover begann ich, darin zu lesen und kam schließlich auf die Seite mit der schönen, den Maiglöckchen so ähnlichen Staude „Salomonssiegel“. Dazu gehörte folgender Text :
„Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn die Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine gewaltige Flamme. Viele Wasser können die Liebe nicht auslöschen, noch die Ströme sie ertränken.“
Zu Hause angekommen, machte ich mich auf die Suche nach einer Bibel und fand schließlich ein uraltes Exemplar, noch in uralter deutscher Schrift geschrieben, total vergilbt und leicht zerfleddert, vermutlich noch aus der Zeit von Preußens Glanz und Gloria. Auf Seite 631 entdeckte ich dann das Hohelied von König Salomo. Welche Überraschung ! Wie kommen diese Zeilen in die Bibel und was ist ihre Entstehungsgeschichte ? Denn in diesen Versen geht es überhaupt nicht um Gott oder um die Liebe Gottes zu den Menschen. Es geht nicht um den Glauben an Gott oder eine Kirche. Es geht auch nicht um die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, um Nächstenliebe, um Barmherzigkeit oder was man sonst von einem Bibeltext erwarten würde. Nein, in diesem Buch der Bibel geht es einzig und allein um die Liebe eines schönen jungen Mannes mit rabenschwarzen Locken zu einem Mädchen, das für ihn eine Rose unter den Dornen ist.
„Siehe meine Freundin, du bist schön ! Du bist wunderbar schön und kein Makel ist an dir. Du hast mir das Herz genommen mit einem einzigen Blick deiner Augen. Wie schön ist deine Liebe ! Honig und Milch sind unter deiner Zunge, und der Duft deiner Kleider ist wie der Duft des Libanon. Deine Wangen sind lieblich mit den Kettchen und dein Hals mit den Perlenschnüren.“
Du hast mir das Herz genommen mit einem einzigen Blick deiner Augen ……….. . Ja, darum geht es hier, um die ewige, unendliche Geschichte zwischen Mann und Frau seit es Menschen gibt. Um das Glück seelischer und körperlicher Erfüllung, sofern beide ehrlich sind. In schwärmerischer, bildhafter Sprache erzählen die Verse von der Sehnsucht nach dem geliebten Wesen, nach einem Kuss,nach einer Berührung. Sie erzählen von der Suche und dem sich Finden, zärtlich, erotisch, unwiderstehlich. Und nun stelle ich mir unweigerlich die Frage : Wie sieht das für die jungen Leute heutzutage aus ? Was ist für ein junges Mädchen anno 2023 in der Liebe noch geheimnisvoll und unvergesslich ? Kann sie noch von der Liebe träumen in einer Welt bescheuerter Feministinnen, die die Männer zu ihrem Feindbild gemacht haben ? Was gibt es für die jungen Leute noch zu entdecken, was sie nicht schon von Kindheit an in 1000 abgewrackten, billigen Fernsehserien und Filmen an Sexszenen gesehen haben ? Ob nun ein Krimi, die Musikszene oder Werbung ——, ohne Sex läßt sich kaum noch etwas erfolgreich vermarkten. Und welche Vorstellung von Liebe soll ein Kind bekommen, wenn ihm bereits in der Kita durch eine links/grüne, mehr als zweifelhafte Politik ebenso zweifelhafte Dinge vorgeführt werden, die es gar nicht verstehen kann und auch gar nicht sehen will?
„Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, daß ihr die Liebe nicht aufweckt und nicht stört, bis es ihr selbst gefällt.“
So ist es, denn man kann Liebe nicht beschleunigen, nicht erzwingen und auch nicht kaufen. Nicht mit allem Geld der Welt. Man bekommt sie einfach geschenkt und manchmal ist sie da, wenn man es am allerwenigsten erwartet und schon alle Hoffnung aufgegeben hat. Ich kenne eine Dame, die mit 70 Jahren die große Liebe ihres Lebens fand.
Aber, wie wir alle wissen, gibt es nicht nur Liebesglück. Leider wird die Liebe auch oft auf das Schändlichste mißbraucht, verraten und verhöhnt. Liebhaber der klassischen Musik kennen alle die tragische Geschichte der Madame Butterfly, jenes schöne japanische Mädchen, das ihre ganze Liebe einem amerikanischen Offizier schenkt und ihn heiratet. Jeder weiß, daß alles nur ein arrangiertes Schauspiel und die ganze Hochzeit nur Lüge und Täuschung ist, nur Butterfly weiß es nicht. Sie glaubt unerschütterlich an ihre Liebe und an die Rückkehr ihres Geliebten. Ihre Arie „un bel di vedremo“ gehört zu den schönsten überhaupt. Nach drei Jahren kehrt Pinkerton zurück, aber nur um Butterfly ihr Kind wegzunehmen und ihr den Tod zu bringen. Diese Oper ist ein Paradebeispiel von verratener Liebe, Lüge und Täuschung.
Ja, manchmal muß die Liebe viel aushalten, viel ertragen und viel verzeihen. Und dennoch sollten wir uns den Glauben an die Liebe niemals nehmen lassen. Ja, manchmal stehen wir vor einem Trümmerhaufen und es gibt Probleme, Schicksalsschläge und schlaflose Nächte, aber ohne Liebe wäre unser Leben leer und einsam. Ob wir uns nun um unsere Kinder und Familien kümmern oder ob wir uns für die Natur und die Tiere einsetzen, ob wir Blumen pflanzen und Gärten anlegen, egal, die Liebe gibt allem was wir tun einen Sinn. Und ja, es gibt sie immer noch, die Paare, die von der ersten Liebe bis zum Ende des Lebens ihren Weg gemeinsam gehen, auch wenn er zum Schluß beschwerlich sein mag. Ich wünsche mir sehr, daß die jungen Leute auf den Weg der Liebe zurückfinden mögen und den Einflüsterungen einer völlig kranken, widernatürlichen Politik, die übrigens auch von den Kirchen mitgetragen wird, keinen Glauben schenken . Sex ohne Liebe, Drogen und Gier sind keine Option für ein glückliches Leben. Irgendwann fühlt man sich ausgeraubt und leer. Aber so lange wir leben, können wir immer wieder auf den Weg der Liebe zurückfinden. Man sagt nicht umsonst : Nichts auf der Welt kann so zerstört sein, daß die allmächtigen Hände Gottes es nicht wieder heilen könnten.
„Mein Freund ist mein und ich bin sein, der unter den Lilien weidet. Er führt mich in den Weinkeller und die Liebe ist sein Zeichen über mir. Er erquickt mich mit Traubenkuchen und labt mich mit Äpfeln, denn ich bin krank vor Liebe. Seine Linke liegt unter meinem Haupte und seine Rechte herzt mich.“
Bleibt mir zum Schluß nur die Frage : Wie konnte dieses erstaunliche Hohelied der Liebe, das so gar nichts mit Katholizismus und Glauben zu tun hat, bis heute in der Bibel überleben ?? Ich bin kein Experte, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, daß es im Laufe der Jahrhunderte viele Kirchenfürsten und Kleriker gegeben hat, die diesen unheiligen Text gerne aus der Bibel entfernt hätten. Sie verteufelten alles Irdische und Körperliche.Sie maßten sich an, über die Gedanken, den Glauben und die Lebensform der Menschen zu bestimmen, zu regieren, zu richten ! Und es wurde nicht nur gerichtet, es wurde gefoltert und gemordet ! Man konnte es auch Gesinnungsterror im Namen Gottes nennen ! Kann es wohl sein, daß Gott selbst und höchstpersönlich bis zum heutigen Tag seine schützende Hand über Salomos Verse gehalten hat ?
Und so gebe ich der Rose das letzte Wort und zwar in Form eines anderen, wunderschönen Liedes mit dem Titel „The Rose“. Das Lied erzählt von all den Dingen, die Menschen sich unter Liebe vorstellen und endet mit den Worten:
„Und wenn auch die Nacht zu einsam war, und wenn uns auch der Weg zu lang erscheint. Und wenn wir schon glauben, daß die Liebe nur für die Starken und Privilegierten ist, dann sollten wir uns daran erinnern, daß tief in der Erde im bitterkalten Winter ein Saamenkorn liegt, das im Frühling nur die Liebe der Sonne braucht, um wieder eine Rose zu werden.“
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When the night has been too lonely
and the road has been too long,
and you think that love is only
for the lucky and the strong.
Just remember in the winter
far beneath the bitter snow,
lies the seed that with the sun`s love
in the spring becomes the rose.
Wie das Lied der Liebe überlebt hat? Durch Allegorese: die Juden erklären es als Bild für den Bund zwischen Gott und dem auserwählten Volke, die Christen für die Liebe Gottes zur Kirche. So hat es der Verfasser wohl nicht gemeint, aber gut, eine Interpretation schließt andere nicht aus.
Gott gab uns Seine Worte verpackt in weltliche Texte um sie vor Mißbrauch zu schützen. Dies lehrte er uns durch manche Botschaften, wie bspw. in Mt. 13, 3-15 vom Sämann. Die Deutung Seiner Worte hat Er uns durch viele Seiner Propheten erläutert. So auch den Salomo, den Er uns in einer sehr umfangreichen Offenbarung als Sein Kommen in Jesus Christus (Liebe und Weisheit) beschrieb. D. h. daß diese weltlichen Texte einen geistigen Sinn beinhalten. Wer jetzt also versucht den äußeren Buchstaben als weltliche Romantik zu verklären ist damit auf dem gleichen Holzweg wie etwa die sogenannten Zeugen Jehovas. Diese erfüllen voll und ganz das Gebot Lk. 6,39 von Blinden die Blinde führen. Mal kurz eine Bibelstelle lesen und dann versuchen zu deuten bringt so nix. An anderer Stelle hab ich kürzlich die Deutung des Salomo nach meinen Recherchen dargelegt.
Ansonsten liebe Doris ist deine Prosa wie immer sehr einfühlsam und nachdenkenswert.
Liebe Ulfried, ich sehe es genau umgekehrt. Man kann machen was man will, im ganzen Hohenlied kommt das Wort “Gott” nicht vor. Es geht einfach nur um die Liebe zwischen zwei jungen Menschen mit allem, was dazu gehört. Ich habe gar nicht versucht, etwas zu deuten, denn es geht hier auch nicht um Deutung irgendwelcher verborgenen Weissagungen, Propheten oder Offenbarungen oder was auch immer Kirchenmänner oder sonstige Experten (und Nichtexperten) in diese Prosa hinein interpretieren wollen. Genau das ist das Geheimnis. Das Hohelied ist ein Lied der Liebe. Und sonst gar nichts.
Aber natürlich hat jeder das Recht, die Dinge auf seine Art zu sehen.
Danke, Doris.
Doris, wie immer sehr gefühlvoll.
Und doch ist bei all der schönen Poesie Salomos ein Wermuthstropfen dabei: der Verrat an Uriah, seinem Vertrauten und Hauptmann und dessen Frau Bathseba.
Wie dem auch sei – der schönste kleine Vers Deiner Ausführungen ist der – für mich – über die Rose.
Er kann auch als Analogie zur Wahrheit gesehen werden:
Man kann sie noch so tief in der Erde vergraben. Der Same (soviel wie Quintessenz) bleibt bestehen. Er wächst tief in der Erde und treibt aus. Er wächst stetig nach oben in Richtung des Lichtes, das alle Geschöpfe brauchen. Und eines Tages bricht seine Schöpfung, die Pflanze, durch die Erdoberfläche und nichts kann sie davon abhalten, ans Tageslicht zu kommen ! Die Zeit ist nah …
Danke
Ein Plädoyer für die Liebe. 🙂
…sowas im Koran? Undenkbar!