Stille Nacht, heilige Nacht

Joseph Mohrs Bild der Inspiration zur 4. Verszeile der 1. Strophe des Liedes Stille Nacht, heilige Nacht: „Holder Knab’ im lockigten Haar“, Hochaltar der Wallfahrtsbasilika Mariapfarr, linke untere Tafel „Anbetung der Könige“, um 1500. Quelle: Schmeissnerro, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Ein 205 Jahre altes „Kirchenlied auf die Heilige Christnacht“ wird zur „ästhetischen Faszination“

Stille Nacht, heilige Nacht!
Alles schläft, einsam wacht
Nur das traute hoch heilige Paar.
Holder Knabe im lockigen Haar
Schlaf in himmlischer Ruh’, schlaf in himmlischer Ruh’!”

Stille Nacht, heilige Nacht!
Hirten erst kundgemacht!
Durch der Engel Halleluja
Tönt es laut von Ferne und Nah:
Jesus, der Retter ist da! Jesus, der Retter ist da!

Stille Nacht! Heilige Nacht!
Gottes Sohn, o wie lacht
Lieb’ aus deinem göttlichen Mund
Da uns schlägt die rettende Stund’
Jesus in deiner Geburt. Jesus in deiner Geburt!

Text: Joseph Mohr (11. Dezember 1792 – 4. Dezember 1848)
Melodie/Tonsatz: Franz Gruber (1787-1863)

Es sind 175 Jahre vergangen. Am Tag der heiligen Barbara, dem 4.Dezember 1848 starb Joseph Mohr, der Dichter des in aller Welt berühmt und beliebt gewordenen, deutschen Weihnachtslieds „Stille Nacht.“ Hierzulande zählt es wohl noch immer zu den bevorzugtesten Liedern überhaupt. Zu Weihnachten 1839, rund 20 Jahre nach seinem Entstehen, wurde es bereits in New York bekannt. Mittlerweile ist es in mehr als 300 Sprachen übersetzt oder durch Kontrafakturen übertragen; seit 2011 gehört es zum immateriellen Kulturerbe Österreichs.

Mohrs Lied eroberte gegen Ende des 19.Jhs. allgemein, insbesondere aber im deutschsprachigen Kulturraum, eine „unangefochtene Spitzenstellung” (I. Weber-Kellermann) und zählt seither zum Hausschatz des bürgerlich-weihnachtlichen Liederrepertoires. Nach wie vor wird es bei vielen weihnachtlichen Familien-, Schul-, Betriebs- und Vereinsfeiern gesungen, nach wie vor bildet es meist den feierlichen Schlusspunkt von Weihnachtsgottesdiensten.

Aus „Alma nox, tacita nox“ wurde „Stille Nacht, Heilige Nacht

Im Jahr 1818 überließ der in Oberndorf bei Salzburg von 1817-19 tätige Hilfspriester Joseph Mohr den Text des Liedes „Stille Nacht“, den er für die Christmette gedichtet hatte, zur Vertonung dem dortigen Organisten Franz Xaver Gruber. Dieser, mit Mohr ein Leben lang befreundet, komponierte umgehend die Melodie.

Am 24.Dezember desselbigen Jahres wurde das Lied in der Christmette in der Oberndorfer Pfarrkirche Sankt Nikola um Mitternacht uraufgeführt. Eine der Überlieferungen spricht davon, dass Joseph Mohr sein Lied „zum Singen nach dem Hochamt vor der Krippe“ gedacht hatte, eine andere, dass er den in der Christmette üblichen Mundartliedern einen hochdeutschen Text entgegensetzen wollte. Was ihm gelang.

Dem ursprünglich 6-strophigen Lied, von dem heute nur drei Strophen bekannt sind bzw. gesungen werden, liegt, wie berichtet wird, ein 3-strophiger lateinischer Text zugrunde. Jener Text zu dem weihnachtlichen Gesang „Alma nox, tacita nox“ (Selige Nacht, stille/schweigende Nacht), der auf einer Dorfkirchenempore im Bayerischen Wald entdeckt worden war, diente Joseph Mohr wohl als Inspiration. Er regte ihn offensichtlich dazu an, die für die bäuerliche Dorfbevölkerung unverständlichen lateinischen Worte in deren Sprache, durchwirkt von eigenen Wortschöpfungen, zu „übertragen“, um den Menschen das göttliche Heilsgeschehen verständlich zu vermitteln.

So schuf Pfarrer Joseph Mohr zu Beginn des 19.Jhs. für die Bewohner der Alpenregion ein hoch-deutsches „Kirchenlied auf die Heilige Christnacht.“ Ein „Lied, … das … gefallen hat.“

Sicher rechnete Mohr nicht im Traum damit, dass dieses Lied, Text wie Melodie, einen Siegeszug nicht nur durch den deutschen Sprachraum, sondern rund um die Welt antreten würde. Es war ein Lied, das Herz und Gemüt des Menschen anrührte, das die „Innigkeit“ und die „Seligkeit“ der Weihnacht, wie sie vor allem in der deutschen Kulturlandschaft seit Beginn des Biedermeier (ab etwa 1800/10) gefeiert wurde, bildhaft, ja ästhetisch untermalte. In einer Epoche, in der Intimität und Familienleben einen namhaften Stellenwert gewannen. „Stille Nacht, heilige Nacht“ wurde, wie der Film mit Tobias Moretti in der Hauptrolle titelt, zum „Ewigen Lied“ (Das ewige Lied, 1997).

„Stille Nacht” tritt seine Reise an

Schon bald nach seiner Entstehung „wanderte“ das Weihnachtslied, das in diesem Jahr seinen 205. Geburtstag feiert, aus seiner Heimatregion hinaus in die Welt des Bürgertums. Sein Weg dorthin ist folgendermaßen beschrieben:

Im Jahr 1825 reparierte ein Orgelbauer aus dem Inntal die Orgel von St. Nikola in Oberndorf und stieß dabei auf das Liedblatt. Ohne die Verfasser zu verzeichnen (die ihm vielleicht unbedeutend schienen oder auch unbekannt waren), machte er von Text und Noten eine Abschrift und brachte diese vier Geschwistern in seiner Heimat, jungen Menschen, die für ihre Musikalität und ihre schönen Stimmen bekannt waren. Die vier verdienten ihr Brot als Handschuhmacher sowie durch den Vertrieb ihrer Erzeugnisse, der sie auch auf Märkte und Messen führte; ihr kleines Einkommen besserten sie durch Singen auf.

In Leipzig, wohin die Geschwister – Straßer mit Namen – in der Adventszeit 1832 kamen, sollen sie, so die Überlieferung, in einem „volkstümlichen Konzert” das „neue Weihnachtslied“ erstmals gesungen haben. Die „konzertante“ Darbietung seines Liedes, mit der die jungen Leute ihren kläglichen Verdienst aufbesserten und die Menschen erfreuten, dürfte ganz im Sinne Joseph Mohrs gewesen sein, auch wenn, was ihm m. S. unwichtig war, sein Name unbekannt blieb: er war ein Priester, der ein Leben lang ein Herz für die Armen und Bedürftigen hatte und seine eigenen Einkünfte häufig an diese verschenkte.

Im gleichen Jahr 1832 erklang „Stille Nacht“ noch ein weiteres Mal in Leipzig: während der Christmette in der Königlichen Hofkapelle der (1897 abgebrochenen) Pleißenburg. Es sei das zweite Mal gewesen, dass in der Mitternachtsmesse der Heiligen Nacht das Lied gesungen wurde.

Ein Kirchenlied beginnt sich zu wandeln

Von jenem Moment an aber begann sich das „Kirchenlied auf die Heilige Christnacht“ in ein Weihnachtslied des (Bildungs-)Bürgertums zu wandeln. Wieder in Leipzig gehörte es bereits ein Jahr später zum Vortragsrepertoire eines Weihnachtskonzertes im Hotel de Pologne. Nahezu zeitgleich erschien ein Druck auf einem Faltblatt in Dresden, auf dem es neben anderen als „Tiroler Lied“ vorgestellt wurde, „gesungen von den Geschwistern Straßer … mit willkürlicher Begleitung des Piano-Forte“, dem im Bürgertum des 19.Jhs. immer beliebter werdenden und dort allmählich zum Statussymbol aufsteigenden Tasteninstrument.

Im Jahr 1843 publizierte eine Bewegung des sogenannten Folklorismus das Lied im „Musikalischen Hausschatz der Deutschen“ und bezeichnete es als „Tyrolische Volksweise.“ Damit hatte das Kirchenlied den tieferen Sinn seiner ursprünglichen Aussage ein ganzes Stück weit abgegeben.

Entdeckung von Dichter und Komponist

Bis zu diesem Zeitpunkt waren Dichter und Komponist des sich in Windeseile verbreitenden Weihnachtsliedes Sängern wie Zuhörern weiterhin unbekannt. Zeitweise wurde es Michael Haydn zugeschrieben. Erst elf Jahre später konnte Felix Gruber, der Sohn des Organisten und Komponisten Franz Gruber, den Schleier um das Lied lüften. Als die Königliche Hofkapelle von Berlin beim Benediktinerstift St. Peter in Salzburg 1854 um eine „Abschrift“ von „Stille Nacht von Michel Haydn“ bat, konnte Felix Gruber, der zufällig im Stift weilte, den Irrtum aufklären und sandte einen Brief mit Kopie des Liedes nach Berlin. Von dort gelangte es in den folgenden Jahrzehnten in die Sammlungen von Volksliedforschern; einer veröffentlichte es 1893 in Schorers Familienblatt, einem „Blatt für gebildete Leser.“ Das Lied hatte das städtische Bürgertum nun endgültig erobert und avancierte von da an zum weihnachtlichen „Gesellschaftslied.“

„Stille Nacht“ – „Alma Nox.“ Die Erzählung von der Geburt Jesu,

Der Hilfsgeistliche Joseph Mohr schuf seinen Text für die „schlichten Gemüter der Dorfbewohner“, wie Felix Gruber in seinem Brief schrieb (Weber-Kellermann). Seine Intention war, diesen mit seinem Lied „auf die … Christnacht“ vor allem die Botschaft von der Menschwerdung Gottes in einfachen, das Herz berührenden Worten nahezubringen, unterstützt durch die eingängige Melodie Grubers.

Mohr schuf das Lied in sechs Strophen. Gesungen werden seit etwa Ende des 19.Jhs. lediglich noch drei von ihnen: die erste Strophe; die sechste, die zur zweiten wurde sowie die ursprünglich zweite, die zur dritten wurde. Im Folgenden stelle ich das komplette Lied vor:

Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht. Nur das traute hoch heilige Paar. Holder Knabe im lockigen Haar, schlaf in himmlischer Ruh’, schlaf in himmlischer Ruh’!

3 Stille Nacht! Heilige Nacht! Gottes Sohn, o wie lacht. Lieb’ aus deinem göttlichen Mund, da uns schlägt die rettende Stund’: Jesus in deiner Geburt. Jesus in deiner Geburt.

Stille Nacht! Heilige Nacht! Die der Welt Heil gebracht. Aus des Himmels goldenen Höh’n
uns der Gnade Fülle lässt sehn
Jesum in Menschengestalt. Jesum in Menschengestalt.

Stille Nacht! Heilige Nacht! Wo sich heut’ alle Macht väterlicher Liebe ergoss,
und als Bruder huldvoll umschloss
Jesus die Völker der Welt. Jesus die Völker der Welt.

Stille Nacht! Heilige Nacht! Lange schon uns bedacht, als der Herr, vom Grimme befreit,
in der Väter urgrauer Zeit
Aller Welt Schonung verhieß, aller Welt Schonung verhieß.

2 Stille Nacht, heilige Nacht! Hirten erst kundgemacht. Durch der Engel Halleluja tönt es laut von Ferne und Nah: Jesus, der Retter ist da! Jesus, der Retter ist da!

Schauen wir uns dazu im Vergleich den Inhalt des lateinischen Hymnus „Alma Nox, Tacita Nox“ an, der Joseph Mohr der Überlieferung nach zu seinem Liedgesang „Stille Nacht“ anregte (auf die lateinische Textwiedergabe sowie eine wörtliche Übersetzung verzichte ich). Wann der lateinische Hymnus entstand, ist nicht bekannt. Ich würde ihn in das 18. Jahrhundert datieren.

Sein Inhalt handelt von der Heiligen Nacht, in der die menschlichen Stimmen schweigen, da Christus geboren wurde und die „selige Jungfrau… das zarte Neugeborene“ wärmt…
Das Kind, das den Frieden bringt.
Der Hymnus erzählt weiter von der Nacht, in der die Engel ihre Stimme erschallen lassen, in der sie das Hallelujah singen und den Hirten zurufen:
„Steht auf, ihr Hirten und eilt
Christus, euer Gott ist da!“
Und schließlich handelt die dritte Strophe von der Nacht, in der Jesu Stimme uns von der Liebe spricht und uns durch seine Geburt die Erlösung verkündet.

Wir finden hier zum einen den Bezug zum weihnachtlichen Bericht des Evangelisten Lukas wie auch zu einem Wort des Propheten Jesaja:

zum Bericht über Jesu Geburt, über die Verkündigung der Engel an die Hirten, über die Botschaft der Gnade, der Erlösung (Lk 2,7-14, 16). Mit dem Hinweis auf das „Kind, das den Frieden“ bringt, ist der Bezug zu Jesaja gegeben, der Christus als den „Friedensfürsten“ weissagte (Jes 9,5).

Epoche der Romantik
Die romantisierende Veränderung des Liedes und seine Wirkung

Auch der ursprüngliche Liedtext von Joseph Mohr zeugt vor allem in den Strophen 3 und 4 (teils auch in 5) von der heilbringenden Botschaft, die durch die Menschwerdung Gottes allen Menschen, allen Völkern zu Teil wird. In den Aussagen dieser Verse bewegte sich Mohr auf biblischer Grundlage.

Durch deren Wegnahme im bürgerlichen Milieu bleiben die beiden Verse übrig, die, abgesehen vom einstigen letzten und zur Strophe 2 gewordenen Vers über die Hirten, die anrührende Verklärung des Kindes und seiner Eltern hervorheben: des „holden Knaben im lockigen Haar“, des „trauten hochheiligen Paars.“ Es sind die Strophen, die die Herzen der Bürger, insbesondere der Bildungsbürger des Biedermeier, zu erweichen vermochten. Der Bürger, in deren Kreisen sich Weihnachten während des 19.Jhs. zum innerhäuslichen, ja zum „innig-harmonischen“ Familienfest entwickelte (s.o.), dessen Mittelpunkt schließlich die Kinderbescherung bildete.

Es war eine Entwicklung, die dem Priester und Lieddichter Mohr, der auch das städtische Leben kannte, nicht fremd gewesen war. Dem auch als Kind seiner Zeit die Geisteshaltung und die gefühlsbetonte Sprache der Romantik, mit dem Geist und der Kultur des Biedermeier eng verknüpft, vertraut war, eine Sprache, die sich in der ersten und der heutigen dritten Strophe seines Weihnachtsliedes in romantisierend-volkstümlicher Weise spiegelt.

Die anrührende Wirkung von „Stille Nacht“ ist auch heute noch vielfach ungebrochen. Strophen 1 und 3 des heutigen Lieds, die das Krippengeschehen sentimentalisieren und ästhetisch verbrämen, werden von vielen Menschen nach wie vor geliebt, „umschwärmt“, aber auch „verhöhnt und verkitscht“, wie der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer, der sich mit dem Lied vor etlichen Jahren intensiv auseinandersetzte, feststellte.

Schorlemmer sieht in den genannten zwei Strophen einen scharfen Kontrast zu dem biblischen Bericht des Evangelisten Lukas, der „die Härten des Lebens…aufzeigt“ (Lk 2,4-7), in die Jesus hineingeboren wurde. In dem schon die „Knechtsgestalt“ Jesu aufscheine. Diese beiden Strophen Mohrs präsentierten uns das Bild einer „folgenlosen, profanen Idylle“ und besängen einen Jesus, der in „selig-sattem Glück” schlafe, der kein schlechtes Gewissen mache, dessen Darstellung zur „ästhetischen Faszination gestylt“ sei.

Die Vermittlung eines solchen Bildes lag jedoch sicher nicht in Joseph Mohrs Absicht. Er wandte sich mit seinem Weihnachtslied bewusst „an die schlichten Gemüter der Dorfbewohner“ (s.o., Brief Felix Gruber), an die Menschen, deren Härten er kannte. Die Härten ihres Lebens, die sich weit entfernt von Romantik bewegten. Mohr kannte aber auch deren Sehnsüchte, ihre „Sehnsucht nach Heilung“, nach Heil-Werden. Die Menschen, die er vielleicht über die biblische Frohbotschaft hinaus, die er in den drei nicht mehr gesungenen Strophen als das Wesentliche thematisierte, mit einer in der Sprache seiner Zeit schlichten, aber auch anrührenden Herzens-Idylle in den Unbilden des Lebens trösten und ihnen das Schöne vor Augen stellen wollte.

Altargemälde und Inspiration: Der „Holde…Knabe“

Ein Aspekt, der für die Entstehung der ersten Strophe bedeutsam ist, darf nicht außer Acht gelassen werden. Zur vierten Verszeile, in der Joseph Mohr gefühlvoll, ja fast selig-berührt den „Holde(n) Knab(en) im lockigen Haar“ besingt, soll er durch die Darstellung eines Jesusknaben auf einem spätgotischen Gemälde inspiriert worden sein. Der um 1500 entstandene Hochaltar der Wallfahrtsbasilika Mariapfarr, wo Mohr vor seiner Oberndorfer Zeit als Koadjutor angestellt war, veranschaulicht auf der linken unteren Bildertafel „Die Anbetung der Könige.“ Den dort abgebildeten Jesusknaben verkörpert ein blondgelocktes Kind – ein Kind, das sein Vorbild in den Kindern nord- und mitteleuropäischer Regionen findet.

Vom Kirchenvolk zum „kirchenfernen Weihnachtsvolk“

Wie durch die globale und gesellschaftliche Verbreitung des Liedes nachgezeichnet werden kann, sprechen die besagten, Kritik hervorrufenden Strophen die elementaren Sehnsüchte aller Menschen an, die Sehnsucht eines jeden Menschen „nach Heilung, nach Heil-Sein und Stille.“ So wie das Lied, beobachtet Friedrich Schorlemmer, „besänftigend über die Härten des Lebens wie die Armut… besänftigend über den harten Alltag der alpenländischen Dorfbewohner … hinwegsingt“, so singe es heute gleichermaßen „über den Stress, den Lärm und das Getöse der Stadt“ hinweg… Und so wie das Lied das Großbürgertum des 19.Jhs. mit seinen „versüßenden Beiworten“ von „hold“ und „lockig“ verklärte, so passe es auch in die heutige kommerzielle Welt mit ihren Düften, ihren Illuminationen.

Das einstige „Kirchenlied auf die Heilige Christnacht“ wandelte sich in ein Lied für das „kirchenferne Weihnachtsvolk“, so Friedrich Schorlemmer. Es glorifiziere einen Augenblick des Jahres, es rufe Kindheit und Kindlichkeit in Erinnerung und verspreche für einen „Moment des Jahres“ eine heile Welt, verheiße für einen Moment die „Heilung des kranken Gemüts.“

In einer, wie ich ergänzen möchte, fernen Reminiszenz an die in „Stille Nacht“ noch immer verkündete, wenn auch überlagerte Botschaft von der Geburt Jesu, des Retters: „Jesus, der Retter ist da.“

Joseph Mohr, der Seelsorger und Dichter

Ich möchte am Ende meiner Betrachtung noch auf die interessante und liebenswerte Persönlichkeit Joseph Mohrs verweisen.

Wenn Joseph Mohr sich mit seinem Weihnachtslied stellenweise in einer romantisierten, schwärmerischen Sprache an sein einfaches gläubiges Kirchenvolk richtete, ist noch einmal zu betonen, dass er diese Menschen, deren Härten er kannte, nicht billig einlullen wollte. Und dass er das, was sich letztlich aus seinem „Kirchenlied auf die heilige Christnacht“ für ein „kirchenfernes Weihnachtsvolk“ entwickelte, nicht beabsichtigte.

Joseph Mohr war ein Priester, der zuallererst Seelsorger war. Der an der Seite der Menschen stand. Es ist bekannt, dass er immer für die Menschen da war, insbesondere für die Armen und Bedürftigen, denen er auch in ihrer materiellen Not tatkräftig half, an die er häufig seine Einkünfte verteilte. In Wagrain, seinem letzten Wirkungsort, steckte er diese überdies in den Bau einer Schule und damit in die Bildung der Kinder. Mit der Gründung eines zusätzlichen Schulfonds ermöglichte er auch den Kindern mittelloser Eltern den kostenpflichtigen Schulbesuch. Darüber hinaus kümmerte er sich dort vor allem auch um die alten Menschen; auf seine Initiative geht die Schaffung eines Alten- und Armenheims zurück.

Doch dabei allein beließ er es nicht. Er hatte auch Freude am Schönen. So wie er die Dichtung liebte, liebte er die Musik. So rief er in Wagrain einen Kirchenchor ins Leben, spielte selbst oft Gitarre und sang dazu. Im Wirtshaus, wo er „seine Schafe“, wenn sie nicht den Weg zur Kirche fanden, nicht selten aufsuchte, gab er, ein humorvoller, unkonventioneller und volksverbundener Mann, so manches Mal auch Gstanzln zum Besten, die im Alpenraum beliebten, meist improvisierten, heiter-neckenden Vierzeiler.

Was ihm sein geistlicher Vorgesetzter in Oberndorf – wo übrigens auch sein soziales Engagement mitunter mit Argwohn betrachtet wurde, da es den Finger in die Wunde der armen Bevölkerung legte – übel anlastete – wie auch sein „Scherzen … mit Personen des anderen Geschlechts…“

Nun – Joseph Mohr war, Gott sei gedankt, kein Pfarrer von Ars.

Dieser, sein französischer und natürlich heiliggesprochener Zeitgenosse im Priesterstand, dessen soziales Engagement ebenso durch Schul- und Waisenhausgründungen hervortrat, übte sich im Kasteien sowie in strengem Buß- und Fastenleben. Die von ihm berichteten Verdienste für viele Gläubige als praxisorientierter und gütiger Beichtvater seien nicht unerwähnt, doch vermittelt er andererseits das Bild eines freudlosen Seelsorgers, der selbst jungen Menschen ihre Freude nicht gönnte.

In seiner Gemeinde verbot er diesen u.a. das „sündhafte“ Tanzen, da dieses für ihn „das Vorspiel für jede Art fleischlicher Versuchung“ darstellte – die von der lateinischen Priesterschaft mehr als ein Jahrtausend lang erklärte „Hauptsünde“ … … …

In Joseph Mohr, der übrigens wie auch seine Geschwister und wie viele Kinder in den Alpenregionen als uneheliches Kind geboren wurde und bei seiner Mutter aufwuchs (seine Eltern heirateten in späteren Jahren), der deshalb von Papst Pius VII. eine Sondergenehmigung zum Priesterberuf benötigte, sehen wir einen engagierten Priester und Seelsorger, der das Leben in allen Facetten kannte, der auch die Not der Menschen nicht übersah, der die Werte des Evangeliums freudig lebte und, wie uns seine Sanges- und Dichtkunst, aber auch sein natürlich-menschlicher Umgang mit den Menschen beiderlei Geschlechts zeigt, seinen Sinn für das Schöne des Lebens und der Schöpfung behielt.

– Weber-Kellermann, Ingeborg: Das Buch der Weihnachtslieder, 2021, Neuaufl.
– Persönliche Aufzeichnungen eines Vortrags von Friedrich Schorlemmer, 2000/01
– Joseph Mohr, Wikipedia. Mit reichen Literaturangaben.
– Siehe auch: Blätter der Stille-Nacht-Gesellschaft. Jahrgänge.
– „Vor 175 Jahren starb der Stille Nacht-Dichter Joseph Mohr“, https://kath.net/news/83123

– Wer „Stille Nacht“ – „Douce Nuit, Sainte Nuit“ in einer wunderbaren Darbietung in französischer Sprache genießen möchte, gehe auf folgenden Link:

Douce Nuit – Concert de Noël à la Cathédrale Notre-Dame de Paris – 24 Décembre 2020

Es ist ein Auszug aus dem Konzert in der Heiligen Nacht 2020 in Notre Dame in Paris,

das die Maîtrise Vocale an einer geschützten Stelle der durch den Brand von 2019 verwüsteten Kathedrale aufführte, im TV übertragen wurde und ein außergewöhnliches Zeichen von Hoffnung war.

Hier finden Sie das ganze Weihnachtskonzert:

Concert de Noël à la Cathédrale Notre-Dame de Paris_24/12/2020

– Und – zu „Schmankerln“ traditioneller Art: Wer sich an originellen Gstanzln erfreuen möchte, der höre Sendungen aus der Sendereihe des BR „Wirtshausmusikanten beim Hirzinger“ mit Traudi Siferlinger.

Kommentarregeln: Bitte keine beleidigenden oder strafbaren Äußerungen. Seid nett zueinander. Das Leben ist hart genug.

24 Kommentare

  1. Danke für den Artikel.

    Vor Jahren hörte ich im Radio eine außergewöhnlche Aufnahme dieses Lieds, gesungen an Weihnachten von Soldaten aus den Schützengräben. Leider weiß ich nicht mehr, ob das eine authentische Aufnahme des Weihnachtsfriedens war (das wäre ein Riesenzufall) oder eine Aufnahme aus dem 2. Weltkrieg.
    Mir liefen spontan die Tränen. Wegen der Stimmen dieser todgeweihten Männer? Der Sinnlosigkeit des Stellungskrieges? Der Magie dieses einfachen Liedes, das für eine Nacht die Waffen schweigen ließ und eine fast verzweifelte Hoffnung auf Frieden ausstrahlt?
    Wenn das Lied irgendwo erklingt, spielt im Kopf immer die andere Version mit.

  2. Montini – alias Papst Paul VI. war der maßgebliche Architekt des II. Vatikanischen Konzil. Als er sah was er da verbrochen hatte, nämlich die freimaurerische Protestantisierung des Felsen Petri sprach er:
    “Jetzt ist der Rauch Satans in die Kirche eigedrungen”.
    Die Einsicht kam zu spät. Oder war es nur eine Rechtfertigung um später sagen zu können ‘ich hab euch ja gewarnt’? Was seitdem mit der Lehre Christi geschah wuchs als Unkraut auf dem Acker unseres Schöpfers und verzerrte dessen froheBotschaft. So auch geschehen der Kathechese.
    Die Unkenntnis des Klerus über die Trinität nutzt der Antichrist gnadenlos aus um ihm die Gläubigen abzuspalten. Dabei tritt der Antichrist unter verschiedenen Facetten auf wie Islam, Atheist, Jehovas Zeugen uvm. Bei vielen schwankenden Schilfrohren im Wind gelingt ihm das auch. Doch eine kranke Mutter verlässt man nicht, sondern steht ihr bei. Dies ist mein Credo und einer der Gründe warum ich am 24. Dezember 2001 vom Protestanten zur katholischen Kirche konvertierte.

  3. Mein großer Wunsch ist die Ökumene – Vereinigung der katholischen Kirche mit der orthodoxen Ost- Kirche im Allgemeinen. Insbesondere der von Moskau. An einer solchen Glaubensgemeinschaft würden alle Versuche des Spaltens scheitern

  4. Zunächst, ich genieße Diskurse wie diesen auf einem Level der erahnen lässt daß er auf einem Niveau basiert der ein großes Wissen an Allgemeinbildung verrät. Dafür bedanke ich mich und widerspreche gleichzeitig
    Adam Rhau:
    “Es ist hilfreich, zwischen diskursiver und illuminativer Philosophie zu unterscheiden. Philosophie bedeutet “Liebe zur Weisheit”
    Nun ja, die Philosophie ist die Suche nach dem Zustand der materiellen Welt (nicht der Erde als Globus). Wer sich auf diesen Pfad begibt ist nicht wissend sondern eher neugierig
    Zu den Begriffen Weisheit und Liebe:
    Die absolute Liebe ist Gott in Seiner Weisheit verbunden durch Seinen Heiligen Geist. Als Er Sein Wort in Fleisch kleidete sandte Er Seine Weisheit zu uns Menschen um uns Seine Liebe als Evangelium zu überbringen. Leider begriffen das nur Wenige.
    Johannes 1,1-11

    • Aber daß das EINE Wesen Gottes aus drei Personen (Hypostasen) besteht, wird nicht nur auf Universitäten gelehrt, sondern steht in jedem katholischen Katechismus.

  5. Die Autorin dieses Beitrags verstieg sich sogar in die Schizophrenie ihres Pariser Mentors, daß Gott drei Personen sind. Als ich ihr widersprach argumentierte sie, daß ich nicht an einer weltlichen Universität studierte ähnlich wie es der selbst ernannte “Virologe” Dr Gunter Kümel mir schon früher entgegen hielt.
    Als ich ihr das widerlegte mit Fakten am Beispiel bekam ich keine Antwort mehr. Soviel zu den studierten “Philosophen”

  6. Adam Rhau:
    “Das Christentum hat die römisch-griechische Philosophie sehr wohl rezipiert, sonst wäre die Ausbreitung schwer möglich gewesen…”
    Das sehe ich anders,
    niemals verrät das wahre Christentum die Lehre seines Schöpfers an den Antichrist. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich als katholischer Christ, selbst jemals auf solch einen suizidalen Gedanken kam. Doch falsche Freimaurer haben als Wolf im Schafpelz das Christentum unterwandert und die Menschen verwirrt.
    1. Brief des Petrus, Kapitel 5, Vers 8: „Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge
    Adam Rhau;
    “Die hl. Schrift ist interpretationsbedürftig (sofern man über reinen Litteralismus hinausgehen will), und dafür benötigt man ein philosophisches Fundament…”
    Nein dafür benötigt man ein theologisch- religiöses Fundament. Diese Basis heißt;
    correspondentia theoria = Entsprechungslehre
    Diese hat uns Jesus schon in Seinem Evangelium offenbart wie bspw hier;
    Mk 4,1-20. Doch auch Seine Boten haben uns das überbracht und schon weit früher vor Fatima.
    Und auch in den Sanskriten im Allgemeinen und in der Baghavad Ghita wird beschrieben wie ein weltlicher und ein geistig reifer Mensch eine Eichel als Samenkorn bewerten.
    Der weltlich- philosophische Mensch betrachtet den Samen, schneidet ihn auf und interpretiert was er darin sieht.
    Der Weise Mann sieht darin ganze Wälder ohne ihn auch nur zu berühren.

    Der geistig erwachte Mensch weiß, daß die Pflanze zum Sonnenlicht strebt.
    Der Philosoph stellt das infrage und prüft solange bis er sich so verzettelt hat, daß er letztendlich nicht mehr weiter weiß was er eigentlich wollte.
    Ähnlich sind die Psychologen, sie können ihren Patienten einreden was sie wollen, dafür bekommen die sogar Doktor- und Professor Titel.
    Bestes Beispiel ist der Postbote
    Gert Uwe Postel er wurde als Hochstapler bekannt, der zwischen 1980 und 1997 mehrfach mit gefälschten Urkunden als Arzt und Psychiater angestellt worden war.
    Wie sagte Jesus?
    “An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen”

    • Es ist hilfreich, zwischen diskursiver und illuminativer Philosophie zu unterscheiden. Philosophie bedeutet “Liebe zur Weisheit”, und damit ist nicht die Weltweisheit gemeint, sondern die Hagia Sohia, die Heilige, überrationale Weisheit, der die Patriarchalkirche von Konstantinopel geweiht war.
      Die diskursiv-rationale Philosophie, im Westen seit der Scholastik vorherrschend, ist zu vergleichen mit dem Versuch, einem Blindgeborenen das Wesen der Farben zu erklären. Diese Erklärungen sind wohl nicht falsch, aber reichlich irrelevant für den Blinden. Die Farben erkennt er erst, wenn ihm durch eine Operation das Augenlicht wiedergegeben wird. Das ist dann buchstäblich illuminativ für ihn.
      Die großen Unionskonzile des späten Mittelalters scheiterten auch daran, daß die Theo- Philosophie der Ostkirche symbolisch und patristisch ausgerichtet war und daher die westliche Methode des Syllogismus als für die heiligen Dinge unangemessen, ja verwerflich ansahen.
      Was hätten Sie erst zur – jetzt nicht mehr rationalen, sondern rationalistischen – Pseudophilosophie seit dem 18. Jahrhundert gesagt? Leibniz ist noch Realmetaphysiker, danach geht’s steil bergab…

  7. “Augustinus war einerseits ein großer Denker der Theologie u. Philosophie…
    …Andererseits entfernte er sich stellenweise sehr von der Botschaft Jesu.”
    Das ist genau folgerichtig. Das Evangelium ist die wahre Lehre des
    (geistigen) Lebens. Dagegen ist die Philosophie in Wahrheit die Ideologie des (satanisch- weltlichen) Antichrist. Sie beschäftigt sich lediglich mit der toten Materie für den Mammon ohne den Geist erkennen zu wollen. Zwei Herren zu dienen ist nicht möglich ohne einen Spagat der zum totalen Widerspruch führt, Matthäus 6,24

    • Das mag zutreffen auf die Pseudo-Philosophie seit der Aufklärung, wohl aber kaum auf die philosophia perennis. Natürlich ist jede diskursive Philosophie falsifizierbar.
      Ich würde trotz aller Vorbehalte gegen manche Aspekte seiner Lehren Augustinus wirklich nicht als Diener des Satans ansehen. Das Christentum hat die römisch-griechische Philosophie sehr wohl rezipiert, sonst wäre die Ausbreitung schwer möglich gewesen.
      Die hl. Schrift ist interpretationsbedürftig (sofern man über reinen Litteralismus hinausgehen will), und dafür benötigt man ein philosophisches Fundament.

  8. Nun doch eine Anmerkung meinerseits zu Augustinus von Hippo, der berühmte Kirchenlehrer, der für viele Theologen der Westkirche das A und O ist, Herr Rhau. Papst Benedikt XVI. berief sich häufig auf ihn, auch Mgr Aupetit zitierte ihn oft. Augustinus war einerseits ein großer Denker der Theologie u. Philosophie, seine Werke sind sprachlich auch toll (ich kenne bei weitem nicht alle). Andererseits entfernte er sich stellenweise sehr von der Botschaft Jesu. Die ganze Erbsündentheologie ist m.E. ein schriftwidriges, theologisch entwickeltes Trugbild, das nichts mit Jesu Verkündigung zu tun hat (das heute vielleicht sogar als seine Dr.-Arbeit durchginge).
    Wir sind alle Sünder, ja. Zu denen Jesus kam, ihnen das Reich Gottes verkündete u. sie zur Umkehr aufrief.
    Nur kann ich Neugeborene nicht für den sündigen, erwachsenen Menschen “haftbar” machen. Den Erwachsenen, der zur Umkehr aufgerufen wird.
    Jesus stellte Kinder eindeutig als Vorbild für die Erwachsenen hin u. sagte klar u. deutlich, dass ihnen das Himmelreich gehöre. Kinder – der Erwachsenen Vorbild.
    Dann kommt rund 350 J. später ein Augustinus daher – der offensichtlich nicht genug mit seinen Seelsorge-Aufgaben ausgelastet war – u. macht den Christen weis, dass sie mit der Erbschuld der ersten Menschen belastet seien u. ein ungetauftes Kind nicht zu Gott komme.
    Eine unglaubliche Lüge.
    Wie schon so viele Lügen von Kirchen-Herrschern. Es sind nicht erst die Heutigen, die Homo-Synodalen, die uns belügen…
    Anstatt, dass die Theologen sich auf Jesus berufen, berufen sie sich immer noch u. immer wieder auf diesen Augustinus. Aber Augustinus war nicht Jesus.
    Und zu seiner Sexual-Lehre, die “mentalitätsmäßig… eine enorme Wirkung entfaltet… hat.” Auf die sich auch die reinheitsfixierten, frauenhassenden Reform-Päpste, die den Zölibat zementierten, beriefen. Augustinus war krank wie viele der “Väter.” Und viele Päpste. Vor seiner “Bekehrung” hurte er herum u. konnte nicht genug kriegen, nach seiner “Bekehrung” mutierte er zum superkeuschen, rein geistig orientierten Unschuldslamm.
    Der sich plötzlich von der Zärtlichkeit einer Frau “heruntergezogen”, d.h. in den Dreck gezogen fühlte. Und natürlich war dann die Ehelosigkeit das Größte unter dem Himmel. Anstatt, dass er die Zärtlichkeit mit einer einzigen, mit SEINER Frau als Geschenk Gottes begriffen hätte, eine christliche Ehe eingegangen wäre u. Gott mit seiner Frau zusammen gedient hätte, rannte er ins Gegenextrem.
    Und solche Leute werden uns als “Heilige” vorgesetzt.
    Am letzten Wochenende schmückte sich Paris ja mit einem riesigen Aufgebot an Priester-Kandidaten. Denen gleich vom Kardinal-Staats-Sekretär, dessen Verbiesterung man oft in seinem Gesicht ablesen kann, der Zölibat eingeschärft wurde… Da werden dann die neuen Augustini u. andere Heilige kreiert… Ich werde mich wohl u.a. dazu noch äußern.

    • Sie haben ja Recht, aber die Kirche hat weder Augustinus’ sexualneurotische Vorstellung vom Sündenfall noch seine pessimistische Auffassung vom postlapsalen Menschen übernommen. Leider hat sie diesen Komplex aber als opinio geduldet, anstatt ihn zu verurteilen – damit wäre viel Unheil erspart geblieben. Auch der irreführende Ausdruck “Erbsünde – peccatum heredidatum” Augustinus’ wurde leider als Begriff übernommen.
      Es gibt keine Erbsünde, sondern eine Schwächung seiner Natur, die den Menschen zwar die aktuellen Gnade und bestimmte präternatürliche Eigenschaften ( z. B. die Unsterblichkeit) raubte, nicht aber deren Gottesebenbildlichkeit, somit gibt es auch keine Totalkorruption der menschlichen Natur, wie Augustinus, Luther, Calvin und die Jansenisten glauben. Auch der ontisch geschwächte Mensch kann durch Zusammenwirken der göttlichen Gnade und seines eigenen freien Willens die Rechtfertigung erlangen. Das ist die katholische Lehre, die von Augustinus und dessen Schülern als “semipelagianisch” diffamiert wurde.
      Deshalb versteht die Ostkirche auch nicht das Neudogma der “unbefleckten Empfängnis Mariä”.

      Ich bin auch nicht grundsätzlich gegen die – optative – Weltpriesterehe, sofern sie unter den gleichen Rahmenbedingungen wie im Osten gehandhabt wird. Allerdings secundum quid, also unter dem katastrophalen Zustand der konzilskatholischen Kirche, würde deren Einführung nur einen weiteren Schritt hin zur Protestantisierung darstellen, wäre daher “für später”, d. h. für die Zeit nach der großen Restauration (Eintretenswahrscheinlichkeit allerdings 0,0001 %), aufzusparen.

    • Eine traurige Erbschaft des Augustinismus sind auch bestimmte “Handbücher für den Beichtvater” des 19. Jahrhunderts, bei denen 3/4 des Umfangs sexuellen Verfehlungen gewidmet ist.

      Aber wir sind weit von ‘Stille Nacht, heilige Nacht’ abgekommen.

  9. Jaaa, das Barock, hier eher das Rokoko…
    Das hatte schon was. 🙂

    Die Stimme….
    Bei der behelmten Sängerin liefs mir kalt den rücken runter…..
    Douce Nuit – Concert de Noël à la Cathédrale Notre-Dame de Paris – 24 Décembre 2020
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    Gute Musi
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    Advent in der Ramsau (Musi und Gsang im Wirtshaus)

    77.367 Aufrufe 30.12.2021
    Es gibt Orte wie aus dem Märchenbuch: So ein Ort ist der Hintersee in der Ramsau, am Fuß des mächtigen Hochkalter in den Berchtesgadener Alpen. An diesem See liegt – ganz einsam und idyllisch – der Gasthof Auzinger. Ihn kannten schon die Münchner Maler der Romantik, die hier gern residierten, um die faszinierende Berglandschaft zu malen. So wurde der Auzinger Mitte des 19. Jahrhunderts zum angesagten Künstler-Treffpunkt.
    Heute geben hier die Sänger und Musikanten aus dem Berchtesgadener Land den Ton an. Denn die Wirtsfamilie Hillebrand ist nicht nur bekannt für eine gute, bodenständige Küche, sondern auch für ihre Volksmusik-Abende. An denen wirken sie auch selbst mit. Vom Seniorchef bis zu den Enkeln sind alle begeisterte Sänger und Musikanten.
    BR-Moderator Markus Tremmel freut sich auf einen stimmungsvollen Adventsabend beim Auzinger. Und weil in der Ramsau auch das alte Brauchtum sehr geschätzt wird, begleitet er einige Musikanten in ihre Häuser und Dörfer und lässt sich zeigen, was sich dort in der Adventszeit tut. (text youtube)

    ca 44 min

    • Hallo Semenchkare,
      ich habe vor Jahren im TV eine bayrische-, südtiroler- oder österreichische Sendung gesehen, in der so eine Art “Klatschinstrumental” von schon etwas älteren Herren zelebriert wurde. Leider weiß ich nicht unter welchem Begriff ich im Netz suchen soll. Vielleicht wissen Sie oder ein hier Mitlesender* was ich am Suchen bin.
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      Die Verwendung des generischen Maskulinums (hier: Mitlesender) ist ohne jeden Zweifel korrekt. Denn das Genus hat absolut nichts mit dem Sexus zu tun! Hinter dem generischen Maskulinum ist eine männliche oder weibliche Person oder einer der ca. inzwischen 70 Geschlechtervarianten oder Neutren zu subsumieren. Das generische Maskulinum hilft, Sprache eindeutig und prägnant zu nutzen. Die ständige Missachtung der deutschen Sprachsystematik bedeutet entweder fehlenden Intellekt, die präzise Begrifflichkeit zu transferieren oder völlige ideologische Beseeltheit, zuverlässige Strukturen zu zerschlagen. Die sog. „einfachen Menschen“ vermögen die weitaus klügere Anwendung der amtlichen deutschen Grammatik, als überschätzte Moderatorinnen. Das Gendersternchen sieht da aus wie fünf Deppenapostrophe.

    • Vielen Dank für die Antwort. Das habe ich auch schon gefunden, ist aber nicht das, was ich seinerzeit im TV gesehen hatte. Es saßen urige Bayern oder Südtiroler im gehobenen Alter am Tisch und klatschten teils unterschiedlich aber melodisch, teils im Kanon. War echt “urig”. Danke nochmal.

  10. Die Sexualangst lateinischer Kleriker geht großteils auf Augustinus, einen bekehrten Wüstling und vormaligen Manichäer, der er mental sein Leben lang blieb, zurück.
    Auf ihn geht die – völlig schriftwidrige – Vorstellung zurück, der Sündenfall hätte im Sexualverkehr zwischen Adam und Eva bestanden. Die Kirche hat diese Sonderlehre nie zu ihrer eigenen gemacht, mentalitätsmäßig hat sie aber eine enorme Wirkung entfaltet. Es ist auch kein Zufall, daß sich Luther, Calvin und die Jansenisten in ihrer pessimistischen Anthropologie alle auf Augustinus berufen.

    Der niederösterreichische “kleine Pfarrer von Ars” hieß übrigens Michael Brenner und war, abgesehen von seinem Rigorismus, ein sehr verdienst- und wertvoller Priester. Aber auch er hielt Tanzvergnügungen für das Vorspiel zur “Unzucht”. In der guten Gesellschaft wäre ihm schnell die Türe gewiesen worden, die Landjugend mußte seinen Jansenismus ertragen. Mehr über ihn unter http://www.fsspx.at unter “aktuell” 19. und 28. Juli 23. Die Piusbruderschaft beurteilt seinen Rigorismus – wen wundert’s – offenbar positiv.

  11. Vielen Dank für diesen Artikel. “Stille Nacht” ist eines der ganz wenigen Lieder, das mich ein Leben lang begleitet hat. Und ob man nun an den christlichen Hintergrund glaubt und schätzt oder nicht – kaum ein anderes Lied geht mir so nahe und bewegt mich derart. Beim Hören dieses Liedes kommen die Erinnerungen an die ganz ferne Kindheit und Jugend hoch, mit der damaligen Familie, an die ich mich heute mit großer Wehmut entsinne. Aber auch in späteren Jahren merkte ich immer wieder auf, als ich das Lied – in der Regel zufällig – hörte. Ihr Beitrag heute zeigt mir zudem, was wir in der “modernen Welt” wohl unwiederbringlich verloren haben. Und dabei kommt so etwas wie Trauer auf..
    Wie auch immer: Danke!

  12. Sehr schöner Beitrag!

    Mit der sogenannten “Aufklärung”, welche das Wirken der Kirche zur Moralpolizei erniedrigen will, und mit dem Eindringen bürgerlich-jansenstischer Mentalitäten im Zuge von Französischer Revolution und Säkularisierung führen auch manche kirchliche Würdenträger einen Kampf gegen die Reste des lebensfrohen Barockkstholizismus im allgemeinen und gegen das Tanzen insbesondere. Auch im niederösterreichischen Waldviertel gab es zur gleichen Zeit einen – im übrigen sehr verdienstvollen – kleinen Pfarrer von Ars, welcher der Landjugend unbedingt das Tanzvergnügen und die “Trunksucht” abgewöhnen wollte (ich persönlich allerdings glaube, daß die Trunksucht nur eine Folge der Frustration durch die Verhinderung des Tanzvergnügens war).

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