StartChristentum, Hoffnung und Transzendenz„Ein Kind ist uns geboren“

„Ein Kind ist uns geboren“

  • „Maria, illegitim…“ – oder ein Stück päpstlich-bayerische Familiengeschichte
  • „Ein Kind ist wie ein Kunstwerk.“
José Antolínez: Verzückung der hl. Magdalena, um 1660–1670, Ölgemälde.

Um ein Wortzitat Bischof Aupetits zu wiederholen. „Ob schön oder hässlich…“

Ob – füge ich hinzu – ehelich geboren oder unehelich. Ob das Kind, wie es in vergangenen Zeiten nach fehl geleitetem kirchlichem sowie altbürgerlichem Verständnis hieß, ein Geschöpf der „Schande“, „illegitim…“ oder ein „ehrenwertes“ Kind war. Aber –

Kinder sind dazu berufen, in der Ewigkeit des Lebens und der Liebe Gottes zu leben.

Alle. Ohne Ausnahme.

Zahlreich sind sie, die Kinder, die nicht ehelich geboren sind. Die Liebesbeziehungen entstammen, welche nicht gesetzlich legitimiert wurden/werden. Liebesbeziehungen, die heute unterschiedlichsten Wertvorstellungen entspringen.

Aber auch in früheren Epochen waren die unehelich geborenen Kinder, gerade auch in bestimmten Landstrichen und oftmals bedingt durch wirtschaftliche Verhältnisse, nicht wenige. Und das, trotz der viel rigideren Gesetze. Der kirchlichen Gebote, der bürgerlichen Vorschriften und Maßregeln. Des sozialen und „sittlichen“ Drucks, der allgemein das Leben beherrschte. Dessen Regeln aber mitunter auch eine gewisse Orientierung gaben.

FARE L‘AMORE – und päpstliche Vorfahren. Zwischen Vergnügen und strengem Moralkodex

JA! Selbst ein Teil der Familie des an Silvester 2022 verstorbenen Alt-Papstes Benedikt XVI. war nicht vor unehelich bzw. vorehelich geborenen Kindern gefeit.

Nein, und deren waren es nicht einmal wenige…

Und das letzte unehelich geborene Kind in der mütterlichen Generationenfolge des einstigen obersten Repräsentanten der Heiligen Katholischen Kirche schenkte dieser den großen Gelehrten unter den Päpsten: Joseph Ratzinger, Benedikt XVI.

Der mit seiner Familiengeschichte beinahe die von ihm unterstützte Sexuallehre seiner Kirche außer Gefecht setzte… Und nicht nur den kurialen Klerikern oder anderen Vatikan-Mitarbeitern 2005, kurz nach seiner Papstwahl, den Schock des Jahrhunderts versetzte… … …

Nein – ich bin nicht schadenfroh. Und ich zeige nicht hämisch mit dem Finger auf diese Katholiken. Und nein! Ich möchte auch keineswegs Benedikt XVI. hinunterziehen oder gar mit Schmutz bewerfen.

Die Entdeckung seiner Familiengeschichte, auf die ich vor nicht allzu langer Zeit stieß, amüsierte mich ganz einfach, sie bereitete mir schlicht Vergnügen.

Sie rückt aber auch für mich gleichsam die Moralpredigten zurecht, wie ich sie als junge Frau lange und ätzend erfuhr (im Gegensatz zu heute, wo alles quer und queer läuft).

Diese explizite Familiengeschichte des bayerischen Papstes zeigt die Menschen in ihrem ganzen Menschsein. Ob von streng katholischer Tradition und Maßgabe beeinflusst oder nicht.

Unverheiratete Mütter im katholischen Südtirol, Österreich und Bayern

Die Alpenregion Südtirol, italienisch: Alto Adige, war das Herkunftsland von Joseph Ratzingers Mutter Maria, die Heimat von Großmutter Maria und von Urgroßmutter Elisabeth Maria.

Benedikt selbst machte über die Herkunft seiner Mutter keine Umstände, er verbarg ihre Herkunft nie. Und verbrachte mit Schwester und Bruder viele Jahre den Sommerurlaub in Brixen, ital. Bressanone, im Umland seiner Vorfahren.

Foto (aus „Vita Trentina“, 31 dicembre 2022):
Maria Peintner, die Mutter von Papst Benedikt XVI. als junge, unverheiratete Frau. Eine feinsinnige Schönheit mit mondäner Ausstrahlung. (Oder wie die Franzosen sagen würden: Une jeune femme d’une grande délicatesse)

Die, wie geschildert wird, viel Temperament und Fröhlichkeit besaß. Unvorstellbar ist die Tatsache, dass sie in jener Zeit keinen Ehemann „fand.“ Was wahrscheinlich, wie so häufig, unglücklichen Umständen geschuldet war.

Mit 36 Jahren „blieb“ sie dann, als sie gerade als Patissière in einem Münchner Nobelhotel eine Stelle angetreten hatte, an dem Gendarm Joseph Ratzinger „hängen“, der über ein „katholischs Blattl“, den Altöttinger „Liebfrauenboten“, eine Ehefrau suchte. Eine Ehefrau, die „kochen und nähen“ konnte. Auf die Annonce soll Marias Familie gestoßen sein, die den Stein wohl ins Rollen brachte.

Inwieweit Benedikt XVI. jedoch ausführlicher über die für ihn delikaten Familienverhältnisse seiner mütterlichen Linie sprach, ist mir nicht bekannt. Doch immerhin erwähnte er sie und ging darauf ein, wenn auch in seiner schönfärbenden, fast einfältigen Art. Und immerhin wusste sein Biograph einiges darüber, wusste dieser auch von jener Aufregung zu berichten, die es kurz vor der Hochzeit von Benedikts Eltern um seine Mutter gab. Denn da war plötzlich ein amtliches „Ehehindernis“ aufgetreten.

Ein Ehehindernis!

Denn in einem Beiblatt zum Verlobungsvertrag prangte hinter Name, Beruf und Wohnort der Braut – „Maria Peintner, kath. Köchin, Rimsting am Chiemsee“ – der verräterische Vermerk „illeg. = illegitim.“ Und in ihrer Geburtsakte fehlte der Name des Vaters, genannt war lediglich die Mutter: „Maria Peintner aus Mühlbach bei Brixen, Dienstmagd in Kufstein“ (Peter Seefeld: Benedikt XVI., Das Hindernis). Was hieß, dass Benedikts Mutter nicht nur unehelich geboren war, sondern auch später nicht von ihrem (vermeintlichen) Vater, Isidor Rieger, als sein Kind anerkannt und damit „legitimiert“ wurde.

Hört, hört, sagen jetzt nicht wenige. Schaut, die katholischen Leute! Und – dann!
Die Vorfahren unseres bayerischen Papstes!
Der die „Keuschheit“ in allen Facetten so hochhielt!

Der um die bei der Amazonas-Synode 2020 möglicherweise zu erwartende Lockerung des für ihn ach so „heiligen“, „reinen“ und „großen“ Priesterzölibats schon im Vorfeld heiße Krokodils-Tränen vergossen hatte.

Nebenbei bemerkt – das „Ehehindernis“ konnte aus der Welt geschafft werden, Ratzingers Eltern konnten heiraten.

Maria Peintner die Ältere

Und die Geschichte von Benedikts Großmutter? Ja, die erzählt sich folgendermaßen:

Papst Benedikts Mutter, bereits in Bayern geboren, war 18 Monate alt, als ihre Mutter heiratete. Deren Mann, der junge Bäcker, dann auch Bäckermeister, Isidor Rieger und offenbar ihre große Liebe, war wohl, so die allgemeine Überzeugung sowie auch die feste Überzeugung Benedikts, der leibliche Vater des Kindes. Auch wenn er die vorehelich geborene Tochter, die „er sehr liebte“, nicht „legitimierte.“ Was laut den beschönigenden Worten Joseph Ratzingers auf ein „juristisches Versäumnis“ zurückzuführen sei… Nun denn! Wenn er meinte…

Maria Peintner d. Ä. und Isidor Rieger heirateten in der Wallfahrtskirche Absam bei Innsbruck, der bedeutendsten Marien-Wallfahrtsstätte Tirols. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits zum zweiten Mal schwanger!

Ja, wenn man die Süße der Liebe einmal gekostet hat… Da verlieren auch moralisierende Kleriker-Predigten und Höllendrohungen ihre durchschlagende Wirkung… Und beugen sich den Realitäten des Lebens… Die beileibe nichts mit Hurerei und „Todsünde“ zu tun haben… (s.u.).

Fünf Wochen nach der Hochzeit erblickte dann Marias und Isidors Junge das Licht der Welt.

Zweimal „Mühlbach“

Zur Geburt ihres ersten Kindes, der kleinen Maria, hatte die Großmutter des Ratzinger-Papstes ihren Arbeitsort Kufstein verlassen. Sie brachte ihre Tochter in einem Dorf zur Welt, das den gleichen Namen trug wie ihr Heimatort, nämlich Mühlbach (s.o.). Doch liegt dieses Mühlbach im bayerischen Landkreis Rosenheim, unweit der österreichischen Grenze. Dort gebar sie ihr Kind im Haus einer Familie, die sich der Unterstützung und der Geburtshilfe für unverheiratete Frauen verschrieben hatte.

Diese Familie war dafür bekannt, in ihrem Haus, einem geräumigen und gepflegten alpenländischen Haus, ledigen Müttern, die im ländlichen Raum gerade unter Dienstboten zahlreich waren, einen würdigen Ort für ihre Entbindung zu schaffen. Das große Engagement dieser Leute, mit dem sie sich dem damaligen Mainstream, der Ablehnung und Ausgrenzung, die diese Frauen erfuhren, entgegenstellten (s.u.), basierte zweifelsfrei auf den Werten des Evangeliums und damit auf der Grundbotschaft des Christentums.

Der gleiche Name beider Orte, der Name des eigenen Heimatorts und der des Geburtsorts ihres Kindes, bot Benedikts Großmutter die Möglichkeit für einen raffinierten Schachzug.

Sie unterließ es bedauerlicherweise, ihre Tochter über die familiären Umstände in ehrlicher Weise aufzuklären – und ließ diese noch bis weit ins Erwachsenenalter hinein in dem Glauben, dass ihr eigenes Heimatdorf Mühlbach bei Brixen und nicht Mühlbach bei Rosenheim der Geburtsort der Tochter sei. Noch kurz bevor Benedikts Mutter Maria ihrem künftigen Ehemann begegnete, gab sie – gleichermaßen über ihre uneheliche Geburt in Unkenntnis – bei ihrer neuen Stelle in München jenes südtirolische Mühlbach als Geburtsort an. Und noch weit bis in die Lebenszeit ihrer Kinder hinein war Maria Ratzinger geb. Peintner der Überzeugung, in Mühlbach bei Brixen geboren zu sein.

Wir finden hier ein Vertuschen in „frommer“ Manier, wie wir es mittlerweile leider zur Genüge kennen und wie es uns noch im Weiteren begegnen wird – eine Geheimniskrämerei, die wohl dafür sorgen sollte, an dem – wieder hergestellten – unversehrten Bild frommer Katholiken nicht – erneut – zu kratzen (schließlich war Isidor Rieger in der Kirche sehr aktiv), stattdessen aber in Kauf zu nehmen, die eigene Tochter ein Leben lang zu belügen…

Laut Joseph Ratzinger, hatten sich seine Großmutter und deren Mann, sein (vermeintlicher) Großvater, „sich früh das Eheversprechen gegeben, aber ohne festen Wohnsitz zunächst einfach noch nicht geheiratet…“ (in: Peter Seefeld, s.o.).

Aber eben dennoch vor der Eheschließung wie so viele junge Menschen die sexuelle Liebe genossen

Die sexuelle voreheliche Liebe, die von der Kirche strikt untersagt ist.

Die im Katechismus – erneut unter einem Kardinal Ratzinger, der offenbar weit entfernt von der Lebenswirklichkeit lebte – nicht nur als Verbot festgeschrieben wurde, sondern als „schwere Sünde“ (Todsünde) und „Unzucht“ deklariert wird. Eine Tatsache, die der Herr Kardinal und Papst, wie wir sehen, dann mit Blick auf die eigenen Umstände seiner Familie schön zu reden wusste und über dem „Eheversprechen“ beide Augen zudrückte oder die „schwere Sünde“ ignorierte…

Eine amüsante Randgeschichte kam noch eigens zum Vorschein: auch Isidor Rieger, der aus der Augsburger Gegend stammende Ehemann von Joseph Ratzingers Großmutter, war ein Kind unehelicher Liebe.

Elisabeth Maria Tauber

Doch ist hier die mütterliche Familienhistorie Papst Benedikts XVI. noch nicht zu Ende.

Und auch nicht die Geschichte der vorehelichen Liebe.

Urgroßmutter Elisabeth Tauber, aus der Gegend des Südtiroler Ortes Mühlbach im Pustertal – der übrigens auf den klangvollen italienischen Namen Rio di Pusteria hört – schenkte seiner Großmutter Maria ebenso als unverheiratete Frau das Leben. Als das Kind drei Jahre alt war, heiratete sie den schmucken, wohl um einige Jahre jüngeren Mühlbacher Müllermeister Anton Peter Peintner, der dem kleinen Mädchen nach der Hochzeit seinen Namen gab. Und somit, unabhängig von der Frage nach der leiblichen Vaterschaft, die angenommen wurde, als sein Kind „legitimierte“ und den Müllermeister als einen Mann von Zärtlichkeit, Fairness und Charakter auszeichnet (s. Foto).

Die beiden letztgenannten Eigenschaften ließ Benedikts Großvater (?) durch die Unterlassung der Anerkennung seiner Tochter, also Papst Benedikts Mutter, bedauerlicherweise vermissen. Auch wenn noch so viele Entschuldigungen diesen Tatbestand zu erklären versuchen…

Papst Benedikts Urgroßmutter,
Elisabeth Maria Tauber, mit ihrem Mann,
dem Müllermeister Anton Peter Peintner
(Foto: aus „Vita Trentina“, 31 dicembre 2022)

„Kinder der Schande“? Rechtlose Mütter.

Meine Generation ging in der Schule schon zu einem Großteil problemlos mit den Kindern um, die keinen Vater nachweisen konnten. Wohingegen die Berichte aus der Generation meiner Eltern und Großeltern diesbezüglich noch eine harte Sprache redeten. Da war von „Bastarden“ oder „Bälgern“ oder gar von „Kindern der Schande“ die Rede, deren „Mutter auch so eine ist.“ Mütter wie Kinder wurden verachtet, beschimpft, ausgegrenzt, diskriminiert. In Taufregistern alter Kirchenbücher, sowohl der katholischen, als auch der evangelischen Kirche, finden sich hinter den Namen unehelich geborener Kinder häufig die Anmerkung „illegitim“, hinter dem Namen unverheirateter Mütter nicht selten die Titulierung „die Hur“ (manchmal auch, wenn die Schreiber fair blieben, der Vermerk „ledigen Standes“).

Eine besonders perfide Tradition ist mir aus einem hohenlohisch-fränkischen Ort bekannt, einem Ort, der sich früh der Reformation angeschlossen hatte und zur württembergischen Landeskirche zählt: dort mussten unverheiratete Mütter nach der Geburt ihres Kindes öffentlich ein hölzernes „Schandkreuz“ tragen. Diese niederträchtige Sitte war noch in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg üblich; gegen sie machte schließlich die Ehefrau eines lutherischen Pfarrers erfolgreich Front (vgl. unten, wo wir einer weiteren Perfidität ähnlicher Art in Salzburg begegnen werden).

Auch bei der Mutter Joseph Ratzingers „zierte“, wie wir sahen, jener Vermerk der „Illegitimität“ deren Geburtseintrag – ein Eintrag, der ihr kurz nach dem Ersten Weltkrieg fast die Heirat und Familiengründung gekostet und damit ihr Leben gewissermaßen zerstört hätte, ihr aber jedenfalls erhebliche Schwierigkeiten bescherte.

Aufschlussreich für jene damaligen Realitäten sind auch die in den Akten geführten Vermerke über die Großmutter des Papstes: Maria Peintner hatte zur Geburt ihres Kindes Arbeitsplatz und -ort verlassen und sich in das genannte „Entbindungshaus“ in einer anderen, wenn auch nicht weit entfernten Ortschaft begeben. An ihrem Arbeitsort Kufstein hätten sie wohl massive Repressalien erwartet. Im 19. und frühen 20.Jh. wurden ledige Dienstbotinnen und Arbeiterinnen, häufig als „Dirnen“ beschimpft, in der Regel entlassen, wenn sie schwanger waren.

Bis 1970 waren unverheiratete Mütter selbst in der sich als „christlich“ verstehenden Bundesrepublik noch weitgehend rechtlos; nicht selten wurden ihnen die Kinder weggenommen und zur Zwangsadoption freigegeben oder per Zwangspflegschaft in eine Familie gegeben. Allerdings gab es in städtischen Kommunen, wie z.B. in meiner als liberal geltenden Heimatstadt, Ausnahmen zugunsten dieser Frauen; diese durften ihre Kinder, auch mit Unterstützung von evangelischen und katholischen Mitarbeitern, die keine moralisch-frömmelnden Scheuklappen trugen, behalten.

So weiß ich von meinem Vater, der lange an entsprechender Stelle der städtischen Verwaltung saß, dass er, in Übereinstimmung mit den zuständigen Fürsorgerinnen (übrigens praktizierenden Katholikinnen), stets im Sinne der Mütter und ihrer Kinder entschied (selbst wenn er als gestrenger Katholik den Lebenswandel einzelner Frauen nicht billigte). Im Zuge der Studentenrevolten von 1968 bewirkte dann vor allem der Deutsche Juristinnenbund notwendige positive Veränderungen hinsichtlich der Rechte lediger Mütter. Dass in dieser Frage die christlichen Kirchen versagten und das Feld den aus der Revolte hervorgegangenen politischen Vereinigungen überließen, stellte m.E. ein Trauerspiel dar und spricht Bände…

Im kirchlichen Rahmen gab es in früheren Zeiten für schwangere Bräute einen weiteren diskriminierenden Moment: die Hochzeit selbst. In der Regel verweigerten Pfarrer, oft „in trauter Eintracht“ mit kommunalen Autoritäten, solchen Paaren ein Fest und nahmen lediglich die „notwendige“ Trauung vor, eine Trauung „ohne Sang und Klang.“ Im Eheregister strich dann der Pfarrer beim Namen dieser jungen Frauen nachträglich nicht selten die Bezeichnung „Jungfrau“ und rückte sie damit in die betonte Reihe der „Sünderinnen.“

Der Grund einer bereits bestehenden Mutterschaft sowie einer weiteren Schwangerschaft und des zu befürchtenden möglichen Spießrutenlaufs kann auch den Entscheid von Benedikts Großmutter, Maria Peintner, und ihrem Mann beeinflusst haben, sich in der Tiroler Wallfahrtskirche Absam trauen zu lassen und nicht in ihrem Heimatdorf – obwohl in ihrer Tiroler Heimatregion rund ein Drittel der Mütter im 19. Jahrhundert nicht verheiratet war. Unabhängig davon, erhoffte sich das junge Paar in der Marienbasilika (wo die beiden jungen Leute wohl auch die Beichte ablegten) für seine Ehe, aber auch für seine Kinder sicherlich einen besonderen Segen.

Weihnachtslied-Dichter Joseph Mohr – der Sohn der unverheirateten Anna Schoiberin

Nicht unerwähnt möchte ich in diesem Zusammenhang ein weiteres Schicksal aus der Alpenregion lassen: das Schicksal einer Frau, die ihr Leben als unverheiratete Mutter meisterte – Anna Schoiberin, die Mutter des berühmt gewordenen Pfarrers und Stille-Nacht-Dichters Joseph Mohr (dem sein Vater, Franz Joseph Mohr, seinen Namen hinterließ, bereits bevor er seine Mutter schließlich ehelichte, s. mein Beitrag zu „Stille Nacht, heilige Nacht“).

Die Salzburger Strumpfstrickerin Anna Schoiber, die bei der Geburt ihres Sohnes Joseph mit zwei weiteren Kindern im Armenhaus der Diözese Salzburg lebte, musste sich, wie berichtet wird, mehr als üble Nachreden gefallen lassen. Nach der Geburt Josephs, der ihr drittes uneheliches Kind war, wurde gegen sie wegen „fleischlichen Verbrechens im 3.Falle“ Anzeige erstattet. Was zum Glück wohl keine weiteren Folgen für sie nach sich zog. Und immerhin kam der Henker von Salzburg, der, wie überliefert ist, auch als Pate auserkoren wurde, für die Taufkosten des Kindes auf.

Joseph Mohr selbst, den manche seiner Obrigkeiten nicht selten seine uneheliche Geburt fühlen ließen, hatte zudem einen großen Gönner an seiner Seite, der ihn, vor allem hinsichtlich seiner hohen Musikalität, förderte und Schule sowie Priester-Studium ermöglichte. Der auch bei Papst Pius VII. das Hindernis für den jungen Mohr ausräumte, als unehelich geborenes Kind Priester werden zu können: der Salzburger Domvikar Johann Nepomuk Hiernle.

Ein Kleriker mit Weitsicht und frei von Herzenshärte.
Der heute im Einklang mit Papst und Glaubenspräfekt handeln würde.

„Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“
„Schandurteile“ in katholischen Kreisen des 21.Jhs.: Sakramenten-Ausschluss alleinerziehender Mütter

Umso mehr erschütterte und empörte mich eine Nachricht, die gerade bekannt wurde. Eine Nachricht – zehn Tage vor dem Fest der Geburt Jesu.

Den Vatikan erreichten mehrfach Klagen, dass in „einigen Ländern sowohl Priester, als auch einige Laien… (persönl. Anm.: sich sündenfrei und fromm wähnende Lehramts-Reiter) …Mütter, die ein außereheliches Kind bekommen haben, daran hindern, die Sakramente zu empfangen und ihre Kinder sogar zu taufen.” Darüber berichtet der Präfekt des Glaubensdikasteriums, Víctor Fernández, in einem Brief, den er soeben veröffentlichte. Er wandte sich, auch im Auftrag des Papstes, gegen diesen Rigorismus und gegen diese Heuchelei, vor allem auch gegen den Ausschluss dieser Frauen vom Kommunionempfang und anderer Sakramente (katholisch.de, 14.Dezember 2023).

Die zentrale Botschaft Jesu für Theologen und (Laien-)Gläubige bei seiner Begegnung mit der Ehebrecherin aber lautet: „Der, der ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“ (Joh.8.7)

Und – Gott liebt Kinder.
Ob schön oder hässlich, arm oder reich, gesund oder behindert, unehelich oder ehelich geboren…

Kinder sind dazu berufen, in der Ewigkeit des Lebens und der Liebe Gottes zu leben.

Kommentarregeln: Bitte keine beleidigenden oder strafbaren Äußerungen. Seid nett zueinander. Das Leben ist hart genug.

6 Kommentare

  1. Ja, “Engel”. Sie sprechen nun etwas an, das immer noch häufig negiert wird. Aber mir auch bekannt ist. Ich kannte von Betschwestern, den weibl. Ober-Moralaposteln, diese Auffassung, dass der “arme Herr Pfarrer” von dem begierigen Weib “verführt” wird… … …
    Aber jetzt rede ich mal Tacheles. Auch wenn das vielleicht manchen Theologen, die eventuell meine Texte lesen, nicht schmecken wird. Meine persönliche Erfahrung als junge Frau in Freiburg war einige Male die, dass wenn einen Herrn Pfarrer der Hafer sticht, er oft nicht mehr zu halten ist. Dann steht er vor der Tür seiner Angebeteten/”Auserwählten” und lässt so schnell nicht locker. Zölibat hin oder her…!!!
    Auch aus Berichten anderer Frauen weiß ich das. Was ich, wie gesagt, nur bestätigen kann.
    Wenn ein Priester sich verliebt, macht er nämlich oft den ersten Schritt. Nicht die Frau (das gibt es natürlich auch, wie überall).
    Ich beziehe nicht umsonst so massiv Stellung gegen den Pflicht-Zölibat, der häufig eine Riesen-Verlogenheit darstellt. Wie gesagt: der Pflicht-Zölibat der lat. Kirche. Vor welch üblem Hintergrund der zustande kam, habe ich ja dargelegt. Und – ich kannte genug Priester in meinem Leben…
    Aber in dieser verlogenen Kurie will man das nicht wahrhaben. Weil man dort seine Lobby pflegt. Entgegen des Evangeliums. Man sollte sie zerschlagen, diese Kurie.
    Und verlogen ist vor allem die Tatsache, dass uns in vielen Predigten zum Thema sowie früher im Religionsunterricht viele Realitäten der römischen Kirche unterschlagen wurden. Z.B. die Tatsache, dass es kath. Ostkirchen gibt. Deren Priester zu 90% verheiratet sind. Da war nie die Rede davon. Das bestätigten mir auch andere Katholiken.
    Sie erfuhren davon anderweitig. Ich selbst erfuhr davon bei der Trauermesse von Johannes Paul II. Als ein Bischof der kath. Ostkirche das Evangelium in Griechisch las. Was dann bei mir intensive Recherchen auslöste.
    Und eine Riesensauerei, die ich jetzt mal anspreche u. die bisher schön unter dem Teppich gehalten wird, war folgende:
    der in aller Presse so berühmte Kardinal Lustiger, seiner Zeit Erzbischof von Paris, zum Katholizismus konvertierter Jude, war als EB von Paris auch zuständig für die Ostkirchenkatholiken u. ihrer Priester in Frankreich (wie Kard. Schönborn in Wien f. dieselben in Österreich). Was Lustiger dazu veranlasste, seine Macht auszuspielen u. alle Ostkirchen-Priester kalt zu stellen, sie nicht als Gemeindepfarrer einzusetzen, sie auszuschließen. Raten Sie mal, warum? Weil sie verheiratet waren u. er ein Zölibats-Fanatiker war!
    Wie seine Freunde Joh. Paul II. u. der ach so reine Benedikt XVI., bei dessen Vorfahren, wie wir sehen, es nur so wimmelte von unehelichen Kindern…
    Dante Alighieri, der große ital. Dichter des Mittelalters, versammelte in seiner “Göttlichen Komödie” nicht umsonst viele Bischöfe u. Kardinäle in der Hölle (wie ich mich erinnere, im untersten Höllenschlund) !!!

  2. Papst Johannes XI. war das “illegitime” Kind von Papst Sergius III. mit der Senatrix Marozia.
    Und da sage noch einer, daß außereheliche Kinder von der Kirche benachteiligt werden! ?

  3. Man könnte noch hinzufügen:

    Und sonderbarerweise kam keiner dieser “Gerechten” je auf die Idee, doch auch den Kindesvater, der doch genauso “Unzucht” getrieben hatte, sozial zu bestrafen, von den Sakramenten auszuschließen etc.

    • Leider spiegelt sich darin die uralte Vorstellung der „sündigen Eva“, die den unschuldigen Mann verführt (was für ein Trottel ist das eigentlich?). Auch wenn ein Priester „fällt“, ist die „Schlampe“ schuld. Besonders gerne von tugendhaften Frauen wie Pfarrermüttern so benannt…

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