Von Dr. Peter Forster, Erstveröffentlichung bei bulletin.1.ch
Unentwegt stellt Russland Bilder und Videosequenzen aufs Internet, die belegen sollen: Da und dort ziehen sich eigene Streitkräfte zurück. Die bekannten Fotos und Videostreifen kommen von der Kertschbrücke, die das Asowsche vom Schwarzen Meer trennt. Da weiss man wenigstens, wo die uniformierten Kameraleute standen; auch wenn man der angegebenen Fahrtrichtung – natürlich weg von der Krim – einfach glauben muss.
Die Amerikaner halten dagegen. Ihre zahllosen Denkfabriken überbieten sich mit “Beweisen”, dass der Kreml lüge. Bemerkenswert zurückhaltend berichtet der Dienst “The Atlanticist”, der russische Generalstab verschiebe die “Lager”, also immer noch Verbände in der Lager-Formation, näher zur ukrainischen Grenze. Vor allem aber bringt der Dienst mitten im Gewimmel amateurischer Karten eine Lagedarstellung des Aufmarsches, die auch unter vorsichtigem Aspekt einleuchtet:
Sofort ist zu erkennen: Die Karte schreit nicht, sie sucht zu klären und erklären. Sie prophezeit nicht den Einmarsch morgen oder am Sonntag oder Ende Februar – was im Kontext zu einer Armee, welche die Überraschung in ihrer Doktrin verwurzelt hat, ohnehin ein Unsinn ist. Vielmehr zeigt die Karte auf:
- Erstens mit den langen Pfeilen von Osten und Norden her die Verstärkungen der ohnehin starken Militärbezirke Süd und West aus den Bezirken Nord, Zentrum und Ost. Unbestritten > eine Tatsache seit Monaten!
- Zweitens die vier “Lager”-Schwerpunkte: Belorus, Woronesch, Wolgograd und Krim.
Angriffsgrundstellungen – vorsichtig dargestellt
- Und dann drittens, wie es sich gehört, lediglich gestrichelt die Räume für die Bereitschaftsräume und Angriffsgrundstellungen: im Uhrzeigersinn Brest, Gomel, Klintsy/Bryansk, Kursk/Belgorod/Valuyki/Boguchar, Rostow und Novoozema/Feodosa.
- Viertens nur in wenigen Fällen Pfeile, die schon zur Grenze zeigen: Klintsy, Kursk/Belgorod, Rostow und Krasnodar/Kertsch. Diese Pfeile bestätigen Berichte seriöser Quellen. Im Fall Kertsch widersprechen sie den Brücken-Videos, die einen Rückzug in die Kasernen suggerieren. Keine Pfeile führen am 15. Februaur 2022 im äussersten Westen nach Brest.
- Fünftens russisch besetzte oder annektierte Territorien, von West nach Ost: Transnistrien, die Krim, die Bezirke Donezk und Luhansk. Bemerkenswert, obwohl längst bekannt: In Moldawien, östlich des Stromes Dnjestr, in Transnistrien steht ein Kampfverband, der jederzeit in Richtung Odessa stossen kann.
Panzerstarke Mot-Infanterie-Verbände
- Sechstens die behutsamen Signaturen zu den Kampfverbänden: Es überwiegen die Mot-Infanterie-Formationen, allerdings mit einem taktischen Zeichen, das alles sagt: Auch diese Divisionen und Brigaden sind panzerstark. Sie stützen sich schwergewichtig auf Kampf- und Schützenpanzer, letztere auf Ketten oder Rädern. In Weissrussland zeichnet “The Atlanticist” zusätzlich eine Fliegerformation ein, im Raum Woronesch einen “reinen” Panzerverband (der auch Schützenpanzer umfasst).
- Siebtens erinnert der Massstab an die Dimension des potentiellen Kriegsgebietes. Die russisch-ukrainische Grenze hat eine gesamte Länge von 2’295 km. Auf die Landgrenze entfallen 1’974 km, auf die Seegrenze 321 Kilometer. Die Grenze erstreckt sich vom Schwarzen Meer südlich der Strasse von Kertsch, durchläuft das Asowsche Meer und verläuft bis zum Dreiländereck mit Belarus beim Dorf Senkiwka im Norden.
Alles in allem: eine realistische Darstellung, die eine starke Offensivverbände zeigt, ohne dass sie politisch spekuliert.
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