StartRussland und die Ukraine - DebattenbeiträgeSelenskyj riskierte den Krieg – wer führte ihn hinein?

Selenskyj riskierte den Krieg – wer führte ihn hinein?

  • Die Ukrainer sind ein streitbares Volk, das ihn nicht verdient hat
  • Trotz ihrer beachtlichen Kampfkraft werden sie die Verlierer sein
  • Totalversagen der Bundestagspräsidentin beim Selenskyj-Auftritt

Von Albrecht Künstle

Ukraine-Russland-Konflikt (dpa-infografik / Deutschlandradio / Andrea Kampmann)

Wie konnte es so weit kommen, dass der Herrscher im Kreml vom rhetorischen Amoklauf zu einem Krieg überging, ja es ist ein Krieg! Umstritten war eigentlich „nur“ der NATO-Beitritt, die Autonome Republik Krim und die selbsternannten Autonomen Republiken Donezk und Luhansk – zwei von 26 ukrainische Oblaste (Länder). Bei gutem Willen wäre eine Verständigung möglich gewesen. Deutschland musste mehr Länder abtreten, und uns gibt es auch noch ohne die früheren Ostgebiete. Aber nein, Selenskyj hält unnachgiebig an diesen Gebieten fest, die de facto russisch dominiert sind. Ist er ein Pokerspieler, der alles auf eine Karte setzt und riskiert, viel oder alles zu verlieren? Denn im russischen „Blutrausch“ ist es nicht ausgeschlossen, dass die die Truppen die ganze Ostukraine bis zum Dnjepr besetzen. Und Kiew an dieser Lebensader könnte zur geteilten Stadt werden.

Doch Selenskyj ergeht sich in Durchhalteappellen. Diese klingen allerdings nicht schneidend scharf wie jene von Goebbels in den letzten Tagen des Dritten Reiches, sondern sind gekonnt pathetisch, getragen, fesselnd – er war und ist (?) ein gelernter Schauspieler. Als Führer sieht er sich nicht, diese Rolle billigte er in seiner Rede vom 17.03.2022 an den deutschen Bundestag Bundeskanzler Scholz zu. Verbunden mit Vorwürfen an Deutschland, es habe eine Luftbrücke nach Berlin durch die Amerikaner in Anspruch genommen, lasse jetzt aber die Ukrainer alleine. Diese Anmaßung teilt Selenskyj mit seinem Botschafter in Deutschland, der ebenfalls nicht bittet, sondern fordert. Richtig ist, dass mit der Luftbrücke 1948/49 rund zwei Millionen Westberliner versorgt wurden, die aber nicht mehr vom Kriegstod bedroht waren.

Allerdings wurden in den drei Wochen Krieg bereits über drei Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, nicht nur Essen aus „Rosinenbombern“ abgeworfen. Aufgenommene Flüchtlinge bis 14. März (UNHCR): Polen: 1.791.111, Ungarn: 263.888, Slowakei: 213.000, Republik Moldau: 337.215, Rumänien: 422.086, Russland: 142.994, Belarus: 1.226, andere Europäische Staaten: 304.156, darunter 200.000 durch das deutsche Volk. Würde Deutschland an die Ukraine grenzen, wären wir die Hauptanlaufstelle. Aber es ist davon auszugehen, dass Polen nur Durchgangsland nach Deutschland ist. Und noch etwas: Nicht nur in der Ukraine werden Lebensmittel knapp, auch bei uns leeren sich die Regale.

Der Regie der Bundestagssitzung am 17. März kann man nur Totalversagen vorwerfen. Der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fiel nichts Besseres ein, als den Videoauftritt des ukrainischen Präsidenten an den Anfang des Sitzungstages zu stellen. Um im Anschluss daran Geburtstagsglückwünsche verteilen zu lassen. Und wollte sie mit der Coronadebatte die Ukrainer trösten, dass bei uns angeblich täglich mehr an dem Virus sterben als dort durch den Krieg? Warum nur wurde dieser Auftritt des Kriegspräsidenten nicht ans Ende der Tagesordnung gesetzt, um anschließend ausgiebig bis in die Nacht darüber debattieren zu können? Kennt Frau Bas ihre Pappenheimer, die sich umso mehr davonmachen, je länger eine Bundestagssitzung dauert?

„Wir wollen Waffen, damit unsere Leute nicht fliehen müssen“, heißt es in Kiew. Doch die Ukraine wurde schon in den letzten Jahren mit Waffen versorgt und jetzt geradezu damit überschüttet, was allerdings zwei Seiten hat. Zum einen wird die Kriegsausrüstung über dem russischen Geheimdienst bekannte Grenzübergänge geliefert. Und die Russen warten anscheinend nicht, bis diese Waffen zweckentsprechend gegen sie eingesetzt werden, sondern schalten sie aus, sobald sie in der Westukraine eintreffen. So wird der Krieg auch in die westlichen Regionen getragen, die eigentlich nicht im Fokus Putins lagen.

Und es rächt sich, dass Panzerabwehrwaffen aus der Deckung von Wohn- und Kulturgebäuden eingesetzt werden. Man kann zwar mit einer relativ billigen Panzerfaust teure Militärtransporter und Panzer ausschalten. Aber entweder richtet der nachfolgende Panzer sein Geschützrohr auf das Gebäude, aus dem der Feuerstrahl kam, oder die überlebende Panzerbesatzung funkt der russischen Raketenstellung oder Luftwaffe die Koordinaten für die Zerstörung der entsprechenden Gebäude. Krieg ist leider kein Abenteuerspielplatz, er muss schnellstens beendet werden. Jeder weitere Kriegstag fordert mehr Todesopfer auf ukrainischer Seite als auf russischer.

Wie der Krieg weiter gehen, eine Friedenslösung aussehen und der Krieg enden könnte hier einmal aus dem Blickwinkel der Neuen Zürcher Zeitung NZZ: Ukraine und Russland vor bitteren Szenarien. Ergänzt sei, dass die südlichen Oblaste Saporischschja und Cherson am Asowschen Meer selbstverständlich ukrainisch bleiben müssen. Aber die Autobahn zwischen dem Donezk und der Krim sollte frei befahrbar sein nach deutschem Beispiel, als selbst im Kalten Krieg die Autobahnen durch die DDR zwischen der BRD und Westberlin genutzt werden konnte.

Es sollte im Interesse der Ukraine liegen, dass ihr Präsident Selenskyj dem russischen Außenminister Lawrow öffentlich ein Angebot macht, das Putin nicht mehr ausschlagen kann, ohne in der Welt die letzte Reputation zu verlieren.

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