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Louise und die kleine Elfenrose

Foto von Willgard, Pixabay

Es war einmal ein wunderschöner Garten, in dem die schönsten und prächtigsten Blumen des Jahres wuchsen. Viele Vögel fanden hier ein Zuhause. Es gab Futter in Hülle und Fülle, Nistkästen und frisches Wasser, denn in der Mitte des Gartens stand ein großer Springbrunnen. Früh im Jahr wagten sich zuerst die Schneeglöckchen ans Licht der noch kalten Wintersonne. Dann folgten bunte Primeln, goldene Osterglocken, farbenfrohe Tulpen und das königliche Blau der Traubenhyazinthen. Auch die Gänseblümchen ließen nicht auf sich warten. Im Mai öffneten sich zaghaft die zarten Blüten der Obstbäume, nicht zu vergessen die bezaubernd duftenden Maiglöckchen. Goldregen, Magnolien und Flieder bereiteten den ausgehungerten Hummeln und Insekten ein wahres Festmahl. Die dicken, runden Knospen der stolzen Rittersporne ließen schon das erste Blau durchschimmern und versprachen einen prächtigen Sommerflor.

Und so ging es weiter durch das Gartenjahr. Pfingstrosen mit Blüten wie Rüschenröckchen, Geranien und fröhliche Margariten, Lavendel, Glockenblumen, Lupinen und roter Mohn brachten die ganze Farben- und Blütenpracht des Sommers. Über allem herrschte die Königin, die Rose. Sie hüllte den ganzen Garten in einen wunderbaren Duft und machte daraus einen Ort voller Poesie und Freude.

Doch auch der schönste Sommer muß vergehen. Ende September waren die Tage schon merklich kürzer, die Abende und Nächte kühl. Ein feiner, grauer Nebelschleier lag über dem Garten, ein milder Herbstregen wusch den letzten Staub des Sommers von den Büschen und Blättern. Auf einmal sah alles ganz anders aus. Schön hörte man große Schwärme Kraniche in Richtung Süden ziehen.

In einem Rosenbeet wurde eine kleine Elfenrose ganz traurig. Sie weinte und klagte den ganzen Tag. Ihre Nachbarin, die weise, alte Bourbonrose Louise Odier neigte ihre üppig gefüllten, duftenden Blüten zu der kleinen Rose hinab. „Warum weinst du, kleine Rose?“, fragte Louise. „Ach, ich fühle mich so elend. Ich bin so traurig“, sagte die kleine Elfenrose. „Nur einen Sommer lang habe ich in diesem wunderschönen Garten mit all den anderen Blumen gelebt und nun soll ich bald sterben. Wo ist der frische Duft des Frühlings? Wo sind meine Freunde, die bunten Schmetterlinge? Wo ist der herrliche Gesang der Vögel bei Sonnenaufgang und wo das Lied der Grillen in der Abenddämmerung? Wo ist das Licht der warmen Sommertage, wo ist die Freude? Was für einen Sinn hat mein Leben gehabt, wenn ich jetzt schon sterben soll? Ach, ich habe solche Angst vor dem Tod.“

Die kleine Elfenrose klammerte sich verzweifelt an ihre zartrosa Farbe. Rings um sie her begann schon das große Verfärben und dann kam das Ende, das wußte sie wohl. Voller Verständnis wiegte Louise ihre prächtigen Blüten hin und her und sah die kleine Elfenrose freundlich an. Dann sagte sie: „Hab keine Angst, kleine Rose, du gehst nicht verloren. Nichts geht verloren. Es ist alles Werden und Vergehen, es ist alles nur ein Wandel der Natur im ewigen Kreislauf der Jahreszeiten. Schau nur auf die Farbenpracht des Herbstes! Ist sie nicht wunderschön? Die milde Herbstsonne schenkt uns ein ganz besonderes Licht. Sie läßt die Farben leuchten, schöner als je zuvor. Erst jetzt haben wir gelernt, alle Farben des Lichts an die Welt abzugeben, denn alles ist Geschenk, das es weiterzuschenken gilt. Und jeder ist nur das, was er von sich weitergeben kann. Du darfst den Tod und das Leben nicht voneinander trennen, denn beide sind auf geheimnisvolle Weise eins. Wer Angst hat vor dem Tod, hat auch Angst vor dem Leben. Nur wer keine Angst hat, dem wird das Leben bunt, lebendig und reich.“  

Die kleine Elfenrose wurde ganz still. Einen ganzen Tag lang dachte sie nach und schließlich verstand sie, was Louise ihr hatte sagen wollen. Sie hielt sich nicht länger krampfhaft an ihrer Farbe fest. Sie begann, sich selbst und die Farben ihres Lebens an die Welt zu verschenken. Am siebten Tag leuchtete sie in den schönsten Farben, von denen sie nie geahnt hatte, sie alle in sich zu tragen. So lernte sie im Geben und Verschenken den Sinn und Reichtum ihres Lebens kennen und das Leben in ihr war das Licht, das niemals sterben konnte. Die kleine Elfenrose blickte zu Louise auf und sagte: „Ich danke dir, liebe Rosenschwester. Du hast mir sehr geholfen und ich habe viel von dir gelernt. Bald werden alle Blumen sterben und unser Duft wird vergehen. Der kalte Wind wird unsere Blütenblätter davontragen, aber im nächsten Jahr sehen wir uns wieder und unser Leben im Licht wird neu beginnen.“

Als einige Tage später der Herbstwind die kleine Elfenrose mit sich nahm, hatte sie keine Angst mehr. „Alles ist gut“, dachte sie bei sich. „Alles ist gut im weisen Kreislauf des Lebens.“

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Liebe Leserinnen und Leser, das ist meine letzte Rosengeschichte in diesem Jahr. In meinem Garten sieht es bereits herbstlich aus. Der große Walnußbaum wirft schon seine Blätter ab und auch die ersten Nüsse. Die Eichhörnchen buddeln fleißig ihre Wintervorräte ein. Gott sei Dank hat es inzwischen einige Male kräftig geregnet, so daß unsere Wiese langsam wieder Lebenszeichen von sich gibt. Heute bläst hier ein kräftiger Wind und fegt schon das erste Laub von den Bäumen.

Das Gartenjahr geht zu Ende. Für mich liegt dann immer so ein Hauch von Wehmut in der Luft. Ob das anderen Naturliebhabern auch so geht?? Ganz still und geheimnisvoll bereitet die Natur ihren Abschied vor, um uns dann im Oktober zum letzten Mal in diesem Jahr das Füllhorn ihrer Farbenpracht zu schenken.

Vornehme Astern, bunt leuchtende Dahlien, das warme Gelb der Sonnenblumen, glutrote Beeren und goldenes Laub haben dann ihren großen Auftritt. Natürlich läßt sich auch die Königin nicht lumpen. Während die remontierenden Sorten ihre letzten duftenden Blüten präsentieren, werfen sich die Wildrosen mächtig in Schale mit ihren roten, gelben und orangefarbenen Hagebutten.

Voller Liebe möchte die Natur uns trösten, daß der Sommer vorbei ist und bald die dunkle Jahreszeit beginnt. Welch ein Fest! Und wir dürfen mitfeiern aus vollem Herzen und in der Gewißheit, daß die Zeit der Rosen immer wiederkehrt und der Blütenreigen des Sommers neu beginnt.

In diesem Sinne möchte ich allen Leserinnen und Lesern und auch Dir, liebe Maria, einen wunderschönen, besinnlichen Herbst wünschen. Und wie könnte man das besser tun, als mit dem folgenden Gedicht von Nikolaus Lenau?

Rings ein Verstummen, ein Entfärben,
wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln!
Ich liebe dieses milde Sterben.

Und weiter geht die stille Reise,
die Zeit der Lieder ist verklungen,
die Vögel haben ausgesungen
und dürre Blätter fallen leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden,
aus dem Verfall des Laubes tauchen
die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen
und Blätter fallen stets, die müden.

In dieses Waldes leisem Rauschen
ist`s mir, als hört ich Kunde wehen,
daß alles Sterben und Vergehen
nur heimlich-stillvergnügtes Tauschen.

Kommentarregeln: Bitte keine beleidigenden oder strafbaren Äußerungen. Seid nett zueinander. Das Leben ist hart genug.

11 Kommentare

    • Lieber Serenissima
      Der Angriff auf Dresden war anglo-amerikanisch. Und was viele nicht wissen : Churchill war auch verantwortlich für 25 Millionen Hungertote in Indien. Er hasste die Inder und Ghandi. Inder waren für ihn Tiere mit einer Tierreligion und mußten vernichtet werden. So ordnete er den Abtransport von allem Getreide und Nahrungsmitteln aus dem Bengalen an und ließ die Menschen zu Millionen gezielt verhungern. Selbst seine politischen Weggefährten waren davon angewidert, trauten sich aber nicht, gegen ihn vorzugehen. Außerdem zog Großbritannien während der gesamten Kolonialzeit in Indien ein Vermögen von ca. 45 Billionen Dollar aus dem Land ab. Churchill war ein Dämon, eine Ausgeburt der Hölle, wie sie schlimmer nicht sein konnte. Daß man diese entsetzliche Kreatur hier im Westen bis heute verehrt, ihm in Deutschland noch ein Preis überreicht wurde und alle seine Schandtaten im Westen konsequent in den Geschichtsbüchern gelöscht wurden, haben wir wohl auch den Anordnungen der Amerikaner zu verdanken.
      Nach dem Massaker von Dresden wußte Churchill, daß jemand die Verantwortung dafür übernehmen mußte und er begann, alle seine Spuren zu verwischen und seine Schandtaten anderen in die Schuhe zu schieben. Vielleicht ist dieser Sämon nicht in die Hölle gekommen, denn bei seinem Erscheinen dort wäre selbst Satan vor ihm geflüchtet.

  1. Herbsttag
    von Rainer Maria Rilke

    Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
    Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
    und auf den Fluren laß die Winde los.

    Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
    gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
    dränge sie zur Vollendung hin und jage
    die letzte Süße in den schweren Wein.

    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
    Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
    und wird in den Alleen hin und her
    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

  2. Liebe Doris, danke für Deine wunderschöne und einfühlsame Betrachtung. Obwohl wir heute dem widerlichen Angriff und seinen Opfern gedenken, möchte ich Deiner kleinen Rose und allen dieses Blumenduett von Delibes nicht vorenthalten https://www.youtube.com/watch?v=C1ZL5AxmK_A Ich wünsche euch allen, trotz allem, einen schönen Tag.

  3. Bitte nicht falsch verstehen, aber mir ist heute nicht nach Märchen und Geschichten….
    ::::::::::::::::
    Video ist von 2016, dennoch…

    Memorial-Video to Nine Eleven 2001

    11.09.2016
    Sie hören die große Vaterunserglocke der
    Evangelischen Stadtkirche zu Kitzingen.
    Sie erklingt im tiefen fis° und mahnt sehr nobel täglich um 21 Uhr für den Weltfrieden!

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    • Alles gut, lieber Semenchkare. Jedem das Seine. So schlimm wie der 11. September für Amerika auch war, man sollte nicht vergessen, daß Amerika das und noch viel Schlimmeres seit 200 Jahren anderen Ländern und Völkern angetan hat und noch immer antut und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Ich erinnere mal an den unfassbaren Feuersturm von Dresden, dessen Opferzahlen (mehr als eine halbe Million) von der Politik und den Verantwortlichen bis heute kleingeredet und verleugnet werden.

      Aber Schluß damit ! Heute ist Sonntag und heute möchte ich von Mord und Totschlag und Verbrechen nichts hören oder lesen. Das hören wir jeden Tag die ganze Woche über und heute ist für mich definitiv Pause ! Machen Sie mal einen schönen Spaziergang, freuen Sie sich an den schönen Dingen des Lebens. Das hilft. Wir werden täglich mit so viel negativen Dingen bombardiert, da tut es wirklich not, wenigstens einen Tag in der Woche davon wegzukommen. Schönen Sonntag ………………

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