Genau genommen handelt es sich drei Geister, die niemand gerufen hat.
Schon gar nicht der gerissene Geldverleiher Ebenezer Scrooge, seines
Zeichens der gierigste Raffzahn, den die gute alte Stadt London jemals
gesehen hat.
Ja, er war ein Geizhals, der alte Scrooge, ein wahrer Blutsauger, ein
habgieriger das Geld zusammenkratzender und festhaltender, kaltherziger
alter Sünder. Scrooge liebte die Kälte. Nicht der heißeste Sommer hätte
sein Herz erwärmen können. Sein bester Freund war die Dunkelheit.
Dunkelheit kostet nichts. Er hasste die Menschen, aber noch mehr hasste
er Weihnachten. “Weihnachten ist Humbug” , so schnauzte er alljährlich
seinen treuen Buchhalter Bob Cratchit an. “Jeder Idiot, der “fröhliche
Weihnachten” in die Gegend ruft, sollte mit seinem eigenen Pudding
gekocht und mit einem Stechpalmenzweig im Herzen begraben werden!” Der arme Bob Cratchit schwieg. Seine Hände waren eiskalt. Er fror
jämmerlich, traute sich aber nicht, noch eine Schaufel Kohlen auf das
kaum vorhandene Feuer zu legen. Im spärlichen Licht einer einzigen Kerze
konnte er kaum etwas sehen. Seine Augen brannten und tränten und
manchmal kam ihm der Gedanke, daß er keinen weiteren Winter in dieser
dunklen, eisigen Höhle überstehen würde.
Es war wieder einmal Heiligabend. Die Dämmerung brach früh herein und
der alte Scrooge machte sich auf den Heimweg. In den Straßen herrschte
eine fröhliche Stimmung. Die Leute machten ihre Einkäufe, besorgten noch
das eine oder andere Geschenk. Überall hörte man Weihnachtslieder und
das Lachen der Kinder. An diesem Tag spendete jeder was er erübrigen
konnte für die Armen und Bedürftigen. “Bah ! Humbug ” , brummte Scrooge.
Das bunte, fröhliche Treiben ging ihm schrecklich auf die Nerven, bis er
schließlich in eine menschenleere Straße einbog. Scrooge bewohnte die
Zimmer seines verstorbenen Geschäftspartners Jacob Marley, der zu seinen
Lebzeiten auch ein schrappiger Geizhals gewesen war. Das Haus war ein
häßlicher Steinhaufen, die Räume dunkel und kalt und spärlich möbliert.
Immerhin zündete Scrooge das Kaminfeuer an, um seine dünne, wässrige Suppe aufzuwärmen. Plötzlich ertönte im Treppenhaus ein fürchterliches
Gerassel, Gepolter und Getöse. Es wurde immer lauter, es kam immer näher.
Scrooge erschrak fast zu Tode, als er eine durchsichtige Gestalt in
seinem Zimmer sah. Es war der Geist von Jacob Marley, der eine schwere
Geldkassette an einer langen, ebenso schweren Kette hinter sich her zog.
Scrooge wich entsetzt zurück, als der Geist zu sprechen begann : ” Höre,
Ebenezer, ich bin gekommen, um dich zu warnen. Zu meinen Lebzeiten hatte ich kein Herz und nicht das geringste Mitleid mit den Armen und
Hilfsbedürftigen. Diese Kette habe ich selbst geschmiedet mit meiner
Grausamkeit, meinem Geiz und meiner Habgier. Deine Kette wird noch viel
schwerer sein. In dieser Nacht werden drei Geister zu dir kommen. Höre
auf das, was sie sagen und du kannst gerettet werden.” Damit verschwand
der Geist von Jacob Marley. “Humbug, es gibt keine Geister”, sagte
Scrooge zu sich selbst. Er ging zu Bett und schlief sofort ein.
Der erste Geist
Scrooge erwachte als die Uhr Eins schlug. In seinem Zimmer sah er eine
kindliche Gestalt, umgeben von einem strahlenden Licht. “Ich bin der
Geist der vergangenen Weihnacht. Komm, Ebenezer, steh auf und folge mir.
Es geht um dein Wohlergehen.” “Wohin”, fragte Scrooge, der sein Bett
nicht verlassen wollte. “Eine ausgiebige Nachtruhe wäre meinem
Wohlergehen dienlicher.” Der Geist öffnete das Fenster, nahm Scrooge bei
der Hand und schon flogen sie über die verschneiten Dächer der guten
alten Stadt London dahin auf das Licht der Vergangenheit zu. Sie
landeten vor einem Gebäude, das Srooge nur allzu gut kannte. “Sieh nur,
Geist, hier bin ich zur Schule gegangen und da sind meine Freunde. Es
ist Weihnachten und alle freuen sich darauf, nach Hause zu fahren und
Weihnachten zu feiern.” Und dann sah Scrooge einen kleinen Jungen, der
traurig, einsam und allein in der Schule zurückbleiben mußte. Von seinem
grausamen Vater verstoßen und ausgegrenzt, kannte er keinen einzigen
liebevollen Menschen, der sich um ihn gekümmert hätte, denn seine Mutter
war bei seiner Geburt gestorben. In wenigen Sekunden sah Scrooge seine
Kindheit an sich vorbeiziehen. Er sah, wie er sich langsam veränderte,
wie er zu einem Ebenbild seines Vaters wurde. Unbarmherzig, kalt und
berechnend.
Der Geist wechselte den Ort. Jetzt standen sie vor einer großen
Lagerhalle, aus der man die Stimme eines Mannes hörte :” Dick, Ebenezer
! Räumt alles zusammen und schafft Platz ! Heute ist Weihnachten und wir
wollen tanzen, feiern und uns des Lebens freuen !” Scrooge klatschte vor
Freude in die Hände und sprang hin und her, als wollte er auch tanzen.
“Geist, das ist der alte Fezzigwig, mein Lehrherr. Oh, Gott möge ihn
segnen, er hat uns viel Freude bereitet. Er wußte, wie man Weihnachten
feiert.” Alles was zum Hause Fezzigwig gehörte, fand sich in der
Lagerhalle ein. Familie, Freunde und Angestellte feierten ausgelassen
und fröhlich das Weihnachtsfest. Im Laufe des Abends verliebte Scrooge
sich in Fezziwigs Tochter Isabelle. Einige Monate später verlobte er
sich mit ihr. Wieder sah Scrooge die Jahre vergehen, sah, wie er zu
einem Mann wurde, der nur noch dann soetwas wie Freude empfand, wenn er seinen Mitmenschen auch noch den allerletzten Penny aus der Tasche
ziehen konnte. Belle löste die Verlobung auf. “Das Geld ist dir
wichtiger als ich, Ebenezer. Lebe wohl und mögest du glücklich werden in
dem Leben, das du dir gewählt hast.” Scrooge iefen Tränen über das
Gesicht. “Nein, nein, Geist ! Ich möchte nichts mehr sehen. Ich ertrage
nicht, was ich sehe. Bring mich nach Hause !” Der Geist verschwand und
Scrooge fand sich in seinem dunklen, kalten Schlafzimmer wieder. Er war
traurig und erschöpft.
Der zweite Geist
An Schlaf war allerdings nicht zu denken, denn aus dem Nebenzimmer rief
jemand seinen Namen. “Srcooooge !” Ebenezer öffnete vorsichtig die Tür
und staunte nicht schlecht. Was war das ? Der ehemals schäbige Raum war
ganz in goldenes Licht getaucht und festlich geschmückt mit Kerzen,
Kugeln, Lametta und Girlanden. Auf einem großen Tisch war das üppigste
Weihnachtsmahl angerichtet, das Scrooge in seinem ganzen Leben gesehen
hatte. Inmitten dieser Pracht stand eine große Gestalt mit einem langen
roten Bart, bekleidet mit einem grünen Samtmantel und einer Krone aus
Mistelzweigen auf dem Kopf. “Komm zu mir, Ebenezer, und lerne mich
kennen. Ich bin der Geist der gegenwärtigen Weihnacht. Ich warte schon
lange auf dich. Jemanden wie mich hast du bestimmt noch nie gesehen,
dabei waren doch schon so viele meiner Brüder vor mir da.” Scrooge
schüttelte den Kopf. “Ganz ehrlich Geist, ich habe nie verstanden was
alle Welt an Weihnachten findet”, antwortete er. Der Geist lächelte
freundlich. “Komm mit mir hinaus in die Welt und du wirst es verstehen.”
Der Geist nahm Scrooge mit an viele Orte und überall wohin sie kamen
waren die Menschen glücklich und dankbar für ihre kleinen
Weihnachtsfreuden. Seeleute auf hoher See, Bergleute in ihren dunklen
Siedlungen, wohlhabende Händler in vornehmen Villen, Arme und Kranke, ja sogar die Verbrecher in den Gefängnissen sangen “stille Nacht, heilige
Nacht”. Durch wohltätige Spenden bekamen auch die ärmsten der Armen eine köstliche Mahlzeit und ein Glas Weihnachtspunsch.
Und der Geist sagte :” Siehst du, Ebenezer, das ist der Geist der
Weihnacht. Das ist es, was zählt. Es ist eine Zeit der frohen Herzen,
der Liebe und der Wohltätigkeit.” Scrooge senkte beschämt den Kopf. “Ich
hatte ja keine Ahnung, Geist. Wohin gehen wir jetzt ? Warum zeigst du
mir diese armselige, baufällige Hütte ?” Der Geist verlor für einen
Moment jede Freundlichkeit und blickte Scrooge streng an. ” Sieh hin,
Ebenezer ! Hier wohnt dein treuer Buchhalter Bob Cratchit. Diese
baufällige Hütte ist alles was er sich leisten kann von dem Hungerlohn,
den du ihm zahlst.” Und zum allerersten Mal sah Scrooge Bob Cratchits
Familie, für die er sich nie interessiert hatte. Er sah ihre viel zu
dünne, verschlissene Kleidung und abgetragene Schuhe, er sah das karge
Weihnachtsmahl, von dem niemals alle satt werden konnten, das aber von
allen hocherfreut und dankbar angenommen wurde. Ein kleiner, sehr krank
aussehender Junge namens Tim sprach das Tischgebet. Neben seinem Stuhl
stand eine Krücke und als die Schatten verschwanden, behielt Scrooge den
kleinen Tim so lange im Auge wie er konnte.
Im nächsten Augenblick befand Scrooge sich auf dem Friedhof und
erschrak. Der Geist sagte :” Ich muß nun gehen, Ebenezer. Meine Zeit auf
Erden ist immer sehr kurz, für dieses Jahr ist sie vorbei. Es wartet nun
der Geist der zukünftigen Weihnacht. Lebe wohl, Ebenezer.” Scrooge rief
ängstlich :” Nein, nein, Geist verlaß mich nicht ! Du kannst mich hier
nicht allein lassen ! Ich habe so viel von dir gelernt und du hast mich
verändert !” Aber der Geist war verschwunden.
Der dritte Geist
Dann war alles dunkel und still. Nur der eisige Wind wehte über die
Gräber und bewegte hier und da etwas dürres Laub. Scrooge drehte sich um
und erblickte in der Ferne eine große,schwarze Gestalt. Der Geist kam
näher. Langsam, schweigend, bedrohlich. Scrooge zitterten die Knie,
dennoch wagte er es, den Geist anzusprechen :”Bist du der Geist der
zukünftigen Weihnacht ? Dich fürchte ich mehr, als jede andere
Erscheinung. Aber ich weiß, es ist nur zu meinem Besten. Geh nur voran,
Geist. Ich bin bereit, dir zu folgen und zu lernen.” Der Geist streckte
seinen dürren Arm aus und zeigte auf zwei Totengräber, die dabei waren,
ein Grab auszuheben. Scrooge konnte hören, was sie sagten :” Nun mach
schon, Kumpel, beeilen wir uns. Ich möchte nach Hause in meine warme
Stube. Zu dieser Beerdigung kommt bestimmt keine Menschenseele. Den
fiesen Geizhals haben wir schnell eingebuddelt.” Uns so ging es weiter.
Mit wachsendem Entsetzen folgte Scrooge dem Geist an verschiedene Orte.
Vor einem großen Handelhaus stand eine Gruppe Kaufleute. Alle lachten
laut, als einer von ihnen sagte.” Ich weiß auch nichts genaues. Ich weiß
nur, daß er tot ist. Letzte Nacht ist er gestorben und ich dachte immer,
der alte Blutsauger würde nie ins Gras beißen.” Dann sah Scrooge einen
Mann, der überglücklich zu seiner Familie gelaufen kam und rief :” Er
ist tot ! Er ist tot ! Jetzt haben wir noch Zeit, unsere rückständigen
Raten zu bezahlen. Wir werden zu Weihnachten nicht ins Armenhaus gehen
müssen !” Scrooge packte das nackte Grauen, als er sich plötzlich in
einer verruchten Gegend wiederfand, in der nur das schlimmste Mörder-
und Verbrechergesindel sein Dasein fristete. In einer Ecke saßen ein
paar Diebe und Scrooge konnte erkennen, daß sie sein Hab und Gut unter
sich aufteilten. Sie lachten hämisch. ” Eine Schande nur, daß der alte
Menschenschinder nicht schon vor Jahren den Löffel abgegeben hat.
Geschieht ihm ganz recht, daß er ganz alleine und ohne eine
Menschenseele sterben mußte. Hoffentlich schmort er für alle Zeiten in
der Hölle.” Die Schatten lösten sich auf und jetzt sah Scrooge in das
Haus von Bob Cratchit. Trauernd und weinend saß die Familie beisammen,
denn der kleine Tim war gestorben.
Scrooge fiel auf die Knie. Verzweifelt ergriff er das Gewand des
Geistes. “Geist, ich weiß, was ich dich nun fragen muß. Wer war die
erbärmliche Kreatur, dessen Tod so vielen Menschen Glück und Freude
gebracht hat ?” Gnadenlos wies der Geist mit seiner knochigen Hand auf
einen Grabstein mit dem Namen “Ebenezer Scrooge”. “Nein, nein, bitte
nicht, Geist “, flehte Scrooge. “Ich bin nicht mehr der Mensch, der ich
war. Ich möchter ein anderer, ein besserer Mensch sein und der kleine
Tim soll nicht sterben. Warum zeigst du mir das alles, wenn es doch
keine Hoffnung für mich gibt ? Ich verschließe mich den Lehren von euch
Geistern nicht. Ich werde das Weihnachtsfest in Ehren halten und den
Armen helfen wo immer ich kann. Aber bitte, Geist, entferne den Namen
auf diesem Grabstein, bitte ………….”
Der neue Scrooge
Srooge bettelte und flehte und plötzlich war der Geist verschwunden. Was
war geschehen ? Scrooge blickte erstaunt um sich. Es war wie ein
Weihnachtswunder ! Er war wieder zu Hause und lachte und tanzte vor
Freude im Zimmer herum wie ein kleines Kind. Die Geister hatten alles in
einer Nacht erledigt und es war Weihnachtsmorgen. Kurze Zeit später sah
man Scrooge durch die Straßen laufen und jedem eine frohe Weihnacht
wünschen. Den größten und schönsten Truthahn, den man in der guten alten
Stadt London finden konnte, ließ er zu Bob Cratchit bringen. Später
verdoppelte er Bobs Gehalt und tilgte die Hypothek auf seinem Haus.Dem
Armenhaus machte er eine großzügige Spende. Scrooge war überglücklich,
denn nun konnte er alles besser machen. Er konnte seine Zukunft ändern.
Der kleine Tim mußte nicht sterben, denn Scrooge sorgte dafür, daß er
wieder ganz gesund und kräftig wurde.
Schließlich machte der alte Scrooge sich auf den Weg zu seinem einzigen,
noch lebenden Verwandten, zu seinem Neffen Fred. Fred hatte seinen Onkel
in der Vergangenheit immer wieder zum Weihnachtsessen eingeladen, war
jedoch stets nur abgewiesen worden. “Weihnachten ! Bah ! Humbug !” Es
war ein schwerer Gang für Scrooge. Mehr als ein Mal wollte er umkehren,
tat es aber nicht. Schließlich stand er vor Freds Tür und klopfte. Das
Dienstmädchen öffnete und führte ihn ins Wohnzimmer, wo Fred mit Frau
und Freunden Weihnachten feierte. Vor lauter Aufregung begann Scrooge zu
stottern : ” I-I-Ich bins, Fred, d-d-dein Onkel Ebenezer. Wirst d-d-du
einem alten,dummen Mann verzeihen u-u-und mich in dein Haus aufnehmen ?
Frohe Weihnachten Fred, frohe Weihnachten euch allen.” Fred schloß
seinen Onkel in die Arme. Dann ließen sich alle das wunderbare
Weihnachtsmahl schmecken. Später gab es Punsch, es wurde gesungen und
getanzt. Sogar Scrooge forderte eine reizende ältere Dame zu einer Polka
auf und schwang das Tanzbein wie in jungen Jahren. Alle freuten sich
über das gelungene Weihnachtsfest. Aber keiner im ganzen merry old
England freute sich so sehr, wie der alte Geizhals Ebenezer Scrooge.
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Diese Weihnachtsgeschichte habe ich frei interpretiert nach dem Roman “A
Christmas Carol ” von Charles Dickens.
Ich wünsche allen ein frohes Weihnachtsfest.
Liebe Grüße und eine schöne Zeit von Doris Mahlberg.
Wir wissen nie, welche Aufgaben wir vielleicht gestellt bekommen https://www.youtube.com/watch?v=yKLDCdS_eCs
Vielen Dank, Doris, für diese wunderbare Geschichte, die uns immer das, was wichtig im Leben ist, wieder ins Gedächtnis ruft. Auch Dir, Deiner Familie und allen anderen wünsche ich ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest und Frieden im neuen Jahr. https://www.youtube.com/watch?v=rAf6b4BHcAs
Wunderbar. Ich liebe diese Geschichte. Frohe Weihnachten auch für Sie!