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EIN GREENHORN IN OXFORD

Kevin Whately als Lewis und John Thaw als Morse. Quelle: https://www.mirror.co.uk/tv/tv-news/detective-drama-lewis-coming-to-an-end-823261

Liebe Leser, wie wäre es wieder einmal mit einer kleinen Abwechslung vom alltäglichen politischen Wahnsinn ? Mein Thema ist heute kein Roman, auch kein Film, sondern die außergewöhnliche Krimiserie um den jungen Inspektor Endeavour Morse. Diese Serie, beginnend in den frühen 60er Jahren, hebt sich in bemerkenswerter Weise von allen anderen 08/15-Krimiserien ab. Das ZDF beschreibt diese Serie mit den Worten “Ermittlungen mit Retro-Charme”, was meiner Meinung nach falscher nicht sein könnte. Mit Charme haben diese Filme nichts zu tun, im Gegenteil, sie zeigen oft in dramatischer Weise, zu welchen Greueltaten Menschen fähig sind (was wir ja bis zum heutigen Tag sehen können).

Die Figur des jungen Endeavour Morse erscheint eher ein bißchen tragisch, ein bißchen traurig und einsam. Wir verfolgen seine Entwicklung mit allen Höhen und Tiefen vom Greenhorn bis zum erfahrenen und etwas verbitterten Detective. Schon der Pilotfilm ist vielversprechend, so daß man gespannt ist auf die Fortsetzung. Und so beginnt die Geschichte des Greenhorns von Oxford :

Der erste Fall

Der junge und unerfahrene Inspektor Morse sitzt in dem gottverlassenen Nest Carshall New Town an seiner antiquarischen Schreibmaschine und tippt mit 2 Fingern seine fristlose Kündigung, als das Oxford-City-Police Präsidium um Verstärkung bittet, um ein verschwundenes junges Mädchen zu suchen. Morse und zwei weitere Kollegen machen sich auf den Weg. Kurz darauf wird das Mädchen in einem Wald tot aufgefunden, wenig später liegt ein junger Mann erschossen am Flußufer. Die nun folgenden Mordermittlungen halten zunächst für Morse eine unerwartete, wunderschöne Überraschung bereit. Er begegnet seiner ganz persönlichen Heldin, der Sopranistin Rosalind Stromming, die er zutiefst verehrt. In einem persönlichen Gespräch gesteht er ihr: “Sie haben mich gerettet. Der Ort, in dem ich aufgewachsen bin, war ein großes, graues, gefühlloses Nichts. Als ich eines Tages ihre Stimme hörte, wußte ich zum ersten Mal : es gibt Schönheit auf der Welt.” 

Die weitere Morduntersuchung gestaltet sich schleppend. Neue Spuren führen immer wieder ins Leere, immer wieder nur fadenscheinige Indizien, keine handfesten Beweise. Schließlich ist es Morse, der die ganze schreckliche Geschichte durchschaut. Mit Entsetzen muß er feststellen, daß sie nie einen Mörder gesucht haben, sondern eine Mörderin. Sie hat das perfekte Verbrechen begangen, bis auf einen winzigen Fehler, der von Morse schließlich entdeckt wird. Die Bühne ist bereitet für das dramatische Finale. Der Vorhang hebt sich, eine schöne Frau beginnt zu singen “un bel di, vedremo ….”. Doch dann sieht sie am Seiteneingang der Bühne Morse und seinen Chef Thursday stehen und sie weiß : es ist vorbei. Die folgenden Szenen verschmelzen miteinander, ganz ohne Worte, nur getragen von den wunderschönen Klängen von Puccinis Meisterwerk. “Che dirà ? Che dira`? Chiamera Butterfly dalla lontana ….”. Morse geht auf die Bühne. Er nimmt die Hand der Sängerin und hält sie ganz fest in der seinen, als wollte er ihr Kraft geben. Nur sie kann den großen Schmerz in seinem Gesicht erkennen, als er sie mit den Worten verhaftet :”Bravo, bravissimo, divina.” Immer noch hören wir nur die Musik, als die Mörderin auf das Polizeirevier gebracht und verhört wird. Hilfesuchend sieht sie Morse an, der ihr nicht helfen kann. Sie wird in eine Gefängniszelle gebracht und dann überschlagen sich die Ereignisse. “E un po per non morire al primo incontro ……..”

Morse zeigt Rückgrat

Der Fall ist aufgeklärt. Es ist vorbei. Morse ist am Boden zerstört und will Oxford so schnell wie möglich wieder verlassen, doch DCI Thursday überredet ihn zu bleiben. “Hier laufen schon genug Klugscheißer herum. Es fehlen gute Ermittler und Detectives.” Morse läßt sich überreden und so beginnt seine Laufbahn bei der Oxford City Police. Er ist klug und intelligent mit einem Blick für die kleinsten Details, aber manchmal auch schwierig und nervig. DCI Fred Thursday erkennt das Potential in Morse und holt ihn in sein Ermittlerteam für Kapitalverbrechen. Er kümmert sich um Morse und bildet ihn weiter aus. Im Laufe der Zeit werden die beiden soetwas wie Freunde. Dennoch hat unser Greenhorn es nicht einfach in Oxford. Ständige Schikanen und Gehässigkeiten von neidischen Kollegen bleiben ihm nicht erspart und auch der Chef der OCP, Superintendent Bright, hegt zunächst keine Sympathien für Morse. Seine Ermittlungsansätze werden von Bright als “Hirngespinste” und “dummes Zeug” abgelehnt. Das geschieht insbesondere dann, wenn Morse korrupten und bestechlichen Polizisten, Kirchenmännern, Stadträten und Ministern auf die Schliche kommt und rigoros gegen sie ermittelt. Er wird niedergemacht, ausgeschimpft und sogar rausgeschmissen, aber am Ende behält er meistens Recht.

Der Priestermord

So auch in der 2. Episode mit dem Titel “Mädchen”, in der ein Priester den Namen eines Mörders preis gibt, bevor er selbst von diesem ermordet wird. Der Priester versteckt den Namen des Mörders in einem Code aus Kirchenliedern, den die Polizei die ganze Zeit vor der Nase hat, ihn aber nicht erkennt. Erst Morse findet am Ende den Schlüssel, da er in der Army als Dechiffrierer ausgebildet worden war.

Mord nach Noten

In der 3. Folge “Mord nach Noten” treibt ein irrer Psychopath sein tödliches Unwesen in Oxford und hat es auch auf DCI Thursday abgesehen. Da Morse Opernliebhaber ist, durchschaut er schon früh, nach welcher Taktik der Irre vorgeht, was von seinen Kollegen wieder einmal als “Humbug” abgetan wird. Schließlich kommt es zum dramatischen Schowdown über den Dächern von Oxford.

Die Episode “Kleines Vögelchen” erzählt die Geschichte eines verzweifelten Vaters und der Porno-Schmuddelfilm-Mafia. Welch katastrophale Folgen Habgier und Korruption haben können, zeigt uns die Episode “Wolkenschloss”. Aber für mich ist die siebte und zugleich vorletzte Staffel die beste. Sie besteht aus drei Episoden, die aufeinander aufbauen und uns zeigen, wozu vom Wahnsinn besessene Menschen fähig sind, vor allen Dingen dann, wenn sie lange Zeit unentdeckt bleiben. Diese Staffel ist aber auch eine Geschichte der Liebe.

Sie beginnt in der Silvesternacht zum 1. Januar 1970. Morse verbringt zwei Wochen Urlaub in Venedig und verliebt sich in die schöne Violetta. Sie verbringen eine leidenschaftliche Liebesnacht. Morse ahnt nicht, daß sie ein schreckliches Geheimnis hütet und vor irgendetwas große Angst hat. Sagt man nicht, daß Liebe blind macht ? Zur gleichen Zeit beginnt in Oxford eine Serie schrecklicher Morde. Morse kehrt nach England zurück und die Jagd nach dem Serientäter beginnt. Dann treffen Morse und Violetta sich auf einer Party wieder und es stellt sich heraus, daß sie verheiratet ist. Dennoch setzen die beiden ihre leidenschaftliche Affäre fort. In all der Zeit verfolgt der Tod Morse auf Schritt und Tritt und er bemerkt es nicht.  Und wieder wird eine Studentin ermordet. Die Nerven auf dem Polizeirevier liegen bei allen blank. Morse und Thursday streiten sich nur noch. Es kommt zum Eklat auch deshalb, weil Thursday hinter die Affäre zwischen Morse und Violetta gekommen ist und diese verurteilt. Niemand bemerkt, auch Morse nicht, daß es zwei Täter sind, die aus völlig verschiedenen Motiven Verbrechen begehen. Dann endlich kommt Morse auf die richtige Spur und verfolgt den Täter, obwohl er weiß, daß es für ihn tödlich enden kann. Er schreibt einen Abschiedsbrief an Thursday und versichert ihn seiner Freundschaft und Dankbarkeit, denn Morse ist sich sicher, daß er diese Sache nicht lebend überstehen wird.

Der “Wolfskopf”

In der letzten Episode “Wolfskopf” spannt sich der Bogen der Ereignisse zurück nach Italien, wo für Morse alles begann. Auf dem Friedhof von Venedig vollzieht sich in einer gespenstischen Szene der letzte Akt des Dramas. Morse hat den Mörder gestellt und will ihn verhaften. Zischen beiden Männern steht Violetta. Der Mörder zieht eine Waffe, zielt auf Morse und drückt ab. In derselben Sekunde, ja im Bruchteil einer Sekunde, wirft Violetta sich vor Morse und wird tödlich getroffen. Aus der Dunkelheit erscheint Thursday und erschießt den Mörder. Ein total verzweifelter Morse hält die schwer verletzte Violetta in seinen Armen. Ihre letzten Worte sind :”Ti amo.” Dann stirbt sie. “Addio del passato……..”, lebt wohl, schöne Träume der Vergangenheit, meine rosigen Wangen sind bleich geworden. Weint nicht und legt keine Blumen auf mein Grab, das alles Sterbliche zudeckt. “Le gioie, i dolori tra poco avran fine …….” Alle Freuden, alle Schmerzen werden enden…………. (La Traviata).

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Nachwort : Die Filme um Endeavour Morse sind sehr facettenreich, berührend, dramatisch und gut erdacht und inszeniert. In der achten Staffel schlagen all die Jahre zu Buche und DCI Thursday fragt sich, wie lange er all den Wahnsinn noch ertragen kann. Morse ist inzwischen vom Greenhorn zu einem hervorragenden Detective geworden, aber auch er ist verbittert und einsam. Mehr und mehr spricht er dem Alkohol zu. Wie wird es weitergehen ? Die drei Episoden der neunten und allerletzten Staffel sind soeben in England fertiggestellt worden. Die deutschen Fans werden wohl noch eine Weile darauf warten müssen.

Ich stelle mir manchmal die Frage : Was hat sich geändert seit den 60er Jahren außer zahlreichen technischen Neuerungen ? Immer noch sitzen die größten Verbrecher an den Schalthebeln der Macht. Die Mörder sind nicht weniger geworden und der Wahnsinn regiert auch heute noch.

Kommentarregeln: Bitte keine beleidigenden oder strafbaren Äußerungen. Seid nett zueinander. Das Leben ist hart genug.

8 Kommentare

  1. Liebe Doris,
    danke für den Überblick.
    Diverse Folgen ‚Der junge Inspector Morse‘ habe ich auch schon gesehen, leider nur wenig der eigentlichen ‚Morse‘ – Serie. Sollte die z.Zt. bei ZDF ausgestrahlt werden, ist mir das Offenbar entgangen. Sendetermine?
    Kevin Whately habe ich auch schon etliche Male in ‚Lewis‘ gesehen und geschätzt.

    Nun ja, ansonsten – die deutschen Serien sind ohnehin nicht mehr goutierbar – ‚Inspector Barnaby‘ – aber nur die Folgen mit ‚Tom‘ (John Nettles), so etwa wie die oben bereits genannten und andere, und ja, auch, ‚Miss Fischer‘ (AUS)

    Man muß heute wirklich suchen, was man sich noch ansehen kann.

    Lb. Grüße!

    • Lieber CC, die Serie vom jungen Inspektor Morse läuft zur Zeit auf Zdf neo, immer dienstags (also heute) um 23.oo Uhr/ 23.15 Uhr. Das ist ziemlich spät, aber ein Mal in der Woche kann man etwas später schlafen gehen. Ich bin sowieso eine Nachtseule, mir macht das nichts aus. Wir sind gerade erst bei Staffel 2 angekommen.

      Lewis und Hathaway mag ich auch. Die Serie von “Inspektor Barnaby” hat sich schon lange tot gelaufen, sie sollte wirklich beendet werden. Ich finde sie langweilig. Ansonsten hat man langsam den Eindruck, daß jedes Dorf in Europa seine eigene Krimiserie hat und eine ist nichtssagender und uninteressanter als die andere. Ich habe keine Ahnung, was heutzutage überhaupt im Fernsehen läuft. Alles ist nur noch politisch. Da haben wir 300 Sender, die niemand braucht oder will und überall läuft nur Müll.

      • Danke lieb Doris,
        ja die Serie ‘Der JUNGE Inspektor Morse’ läuft z.Zt. mit Shaun Evans, davon habe ich schon diverse Folgen gesehen. Mal schauen, nachher.
        Aber das ist jetzt nicht die, die Du oben angesprochen hast, davon gibt’s auch etliche Staffeln und Folgen, aber davon läuft z.Zt. nichts soweit ersichtlich im dt. Fernsehen.

        Zu ‘Barnaby’ teile ich absolut Deine Meinung, wie ich ja eben auch schon geschrieben habe, anschauen mag ich mir (allerdings immer wieder) die Folgen mit Tom/J. Nettles. Davon habe ich mir gesten abend (ZDF neo) wieder zwei Folgen gegönnt, obwohl ich die inzwischen fast auswendig kenne.
        Aber mal sehen, ob’s da DVD’s gibt und an die heranzukommen ist.

        Die spaäteren mit dem Nachfolger N. Dudgeon schätze ich nicht uind die fließen inzwischen, vor ‘Poliotical Correctness’, vor Quotennegern und gedöns geradezu über, wie das allerdings bei den deutschen Serien auch der Fall ist.-

        Ausnahme wieder alte Folgen, hier bei ‘Hubert & Staller’ l#äuft z.Zt. dienstag abend – also nachher – bei Servus. Das finde ich auch sehr lustig, auch H. Ringlstetter als Döner- und Werkstatt – ‘Türke’ ist noch gut zu ertragen.

        Ansonsten ja – viel Schweigem, wenig Licht und viel Schatten.

        Liebe Grüße!

      • P.S. Aus Deinern Bemerkungen und der Schilderung schließe ich aber, Du meinst in Wirklichkeit ‘Endeavour’, also, den ‘jungen Inspector’, obwohl Dein Artikelbild oben (mit K. Whateley) offensichtlich aus der originalen ‘Inspector’ Serie stammt.
        ‘Endeavour’ wie auch ‘Lewis ‘ sind ja bekanntlich ‘spin-offs’, wie das heute auf neudeutsch heißt, der Original-Serie.

      • @CC
        Lieber CC, das Foto oben führt zu Mißverständnissen. Es zeigt den älteren Morse, aber die Serie kenne ich gar nicht. Ich habe nur den jungen Morse angesprochen (Shaun Evans). Ich freue mich schon auf die neue Episode heute abend. Liebe Grüße ……….

      • Liebe Doris,
        ha richtig: es ist offenbar wie ich vermutete.
        Aber ich schätze, auch die ältere Serie dürfte ganz interessant sein – aber m.E. in Deutschland eher wenig ausgestrahlt. Ich meine, mal ein oder zwei Folgen gesehen zu haben, könnte aber auch in England gewesen sein.

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