Denk Dir ein Bild. Denk Dir ein weites Meer.
Ein Segelschiff setzt seine Segel und gleitet hinaus auf die offene See.
Du siehst, wie es kleiner und kleiner wird. Und da, wo Wasser und Himmel
sich treffen, verschwindet es. Dann sagt man: “Nun ist es gegangen.”
Aber auf der anderen Seite sagt jemand: “Es kommt!”
Der Tod ist ein Horizont und ein Horizont ist nichts anderes, als die Grenze
unseres Sehens. Wenn wir um einen geliebten Menschen trauern, freuen
sich andere, ihn hinter der Grenze wiederzusehen.
***
Wenn ich diese Worte höre, erinnere ich mich an Bilder, die wohl die meisten Menschen auf dieser Welt allzu gut kennen. Der Schmerz, die Trauer um ein Kind oder einen anderen geliebten Menschen kann so groß und weit sein wie das Meer und jeder geht auf die ihm eigene Weise damit um. Wer trauert, hört 1000 Worte des Trostes, Empfehlungen oder Ratschläge und sie alle sind von Herzen gut gemeint. Du solltest jetzt dieses oder jenes tun. Du mußt deine Trauer verstehen lernen, lernen woher sie kommt, wohin sie geht und wozu sie da ist. Du mußt loslassen, du mußt den Sinn erkennen, du mußt daran reifen, und so weiter.
Ich bin geflüchtet. Ich wollte nur Ruhe, Stille, Einsamkeit. Ich bin ans Meer gefahren, an die Nordsee. Dort kann man lange über den Deich wandern, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Dort kann man allein sein mit sich, mit dem Nordseewind, den Schafen und den Möwen bis zum Sonnenuntergang. Immer wieder kam mir eins meiner Lieblingslieder von Neil Diamond in den Sinn, “Lonely looking sky“…………… Langsam, ganz langsam ließ der Schmerz nach. Diese Zeit am Meer war für mich wie ein Geschenk des Himmels und sehr heilsam. Wieder zu Hause sagte ich zu meinem Mann: “Fahr ein paar Tage weg in die Berge, nach Bayern oder Österreich. Ich bleibe hier und kümmere mich um alles.” Er packte seine Sachen und sein Mountain Bike ins Auto und fuhr nach Tirol. Er liebt die Berge, ich nicht. Heute weiß ich, daß es wichtig für uns war, Abstand voneinander zu gewinnen, so daß jeder auf seine Art trauern konnte. Wenn ich heute mit trauernden Menschen zu tun habe, sage ich nichts. Ich rate zu nichts, ich empfehle nichts. Ich bin einfach für sie da, sonst nichts.
Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust,
wird es dir sein, als leuchten die Sterne,
weil ich auf einem von ihnen wohne,
weil ich auf einem von ihnen lache.
Du allein wirst Sterne haben, die lachen können.
Und wenn du dich getröstet hast, wirst du froh sein,
mich gekannt zu haben.
-A. de Saint-Exupery-
meine gedanken dazu:
memento
vor meinem eignen tod ist mir nicht bang,
nur vor dem tode derer, die mir nah sind.
wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
allein im nebel tast ich todentlang
und lass mich willig in das dunkel treiben.
das gehen schmerzt nicht halb so wie das bleiben.
der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;
– und die es trugen, mögen mir vergeben.
bedenkt: den eignen tod, den stirb man nur,
doch mit dem tod der andern muss man leben.
mascha Kaléko
rowohlt ISBN 3 498 009680 X
@Elisa
Ein wunderschönes Gedicht ! Ich kenne alle Gedichte von Mascha Kaleko, besonders die, die sie nach dem Tod ihres Sohnes gedichtet hat aus dem Band “Die paar leuchtenden Jahre”.
ja, liebe frau mahlberg, ich habe auch einiges von ihr hier stehen lustiges und sehr ernstes. eine bemerkenswerte frau!
aber sie müssen sich diesbezüglich auch nicht verstecken: ihr text oben gefällt mir sehr gut, wenn ich das bei diesem ernsten thema so sagen darf. besonders ihre persönlichen erfahrungen haben mich sehr berührt.
ich wünsche eine gute zeit!