EUCHARISTIE

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Photo by Sylvain Brison. Pixabay.

„Es ist der Tag der Sonne, an dem wir uns alle versammeln … der Tag …, an dem Jesus Christus, unser Erlöser, von den Toten auferstanden ist“

TEIL 2

In den ersten fünf Teilen seiner Betrachtungen zur Eucharistie bewegte sich Erzbischof Aupetit ganz in der jüdischen Glaubenswelt Jesu und seiner Jünger. Dort, wo Jesus Christus und seine Anhänger als gläubige Juden lebten, wo sie als gläubige Juden zu Hause waren. Und er stellte den gläubigen Christen und allen Interessierten guten Willens das Neue vor, das Jesus am Abend vor seinem Tod am Kreuz in Teilen aus dem Pessach-Mahl, jedoch überwiegend aus dem jüdischen Schabbat-Mahl mit seinen wunderbaren Segensgebeten über Brot und Wein schuf: die Einsetzung der Eucharistie als sein Gedächtnismahl. Das Geschenk seines Leibes und Blutes in Brot und Wein und damit die Gabe des Sich-Selbst-Schenkens.

In seinen Teilen 6 – 9 beleuchtet Mgr Aupetit nun insbesondere die Liturgie der frühen Christen sowie die Realpräsenz Jesu in der Eucharistie.

Die „Liturgie des Wortes“

Zunächst verweilt Michel Aupetit noch in der jüdischen Liturgie. Er verweist darauf, dass die Jünger Jesu nach seinem Tod und seiner Auferstehung zuerst einmal „weiterhin ihre Religion praktizierten“, dass sie weiterhin am jüdisch-synagogalen Leben teilnahmen.

Jean-Paul Hernandez, den ich hier ergänzend anfüge, verdeutlicht in diesem Kontext den Aufbau der Messe in zwei Teilen: die Wortliturgie und die Liturgie der Eucharistie. Der Herkunft des ersten Teils der Messe aus dem Synagogengottesdienst, der „Liturgie des Wortes“, widmet er in einer Katechese sein besonderes Augenmerk. Diese, die die Schriftlesungen enthält, aber auch aus bestimmten Gebeten und Gesängen besteht, entspreche in etwa der Synagogenliturgie, in der die Heiligen Schriften gelesen und kommentiert werden, wo die Segensgebete rezitiert werden, wo gesungen und der Segen erteilt wird. Denn in seinem Wort wird Gott in seiner Gegenwart erfahren, sein Wort sollte ins Ohr und von dort ins Herz des Menschen dringen.

Präfation und Sanctus: der Lobpreis der Engel aus dem Buch Jesaja 

Mgr Aupetit geht im Weiteren auf die „großen Segensgebete“ der jüdischen Liturgie ein, denen die Jünger Jesu weiterhin verbunden waren. Dabeir zeigt er auf, wie diese allmählich in die Liturgie der Christen und damit letztlich in die Messe integriert wurden.

Zuerst nennt er die Queduschah/Keduscha, den Lobpreis der Engel, dessen Text auf den Propheten Jesaja zurückgeht und der lautet: „Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr Zebaoth“ (Jes. 6,3). Im Sanctus der Messe lebt das jüdische Gebet weiter, vorbereitet durch die Präfation, die dem „Dankes-Segen entspricht, der die Queduschah einleitet.“

Die Keduscha, die den dritten Teil des Achtzehn-Bitten-Gebets (Tefillah) darstellt, preist, wie wir sehen, die Heiligkeit Gottes. Aber auch den gesamten Teffilah, das Achtzehn-Bitten-Gebet in seiner Ganzheit, welches das Hauptgebet der synogogalen Liturgie ausmacht, beteten Jesu Jünger weiterhin sowie das jüdische Glaubensbekenntnis, das Sch‘ma Israel: „Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist ein Einziger.“

Synagogenliturgie und Brotbrechen: die Messliturgie entsteht

Einen interessanten Aspekt erläutert zusätzlich Pater Hernandez: die Juden-Christen feierten ihren Gottesdienst am Anfang nicht nur in zwei Teilen, sondern auch an zwei getrennten Orten. Sie nahmen, wie Mgr Aupetit ebenso beschreibt, zunächst noch an den Gebeten in der Synagoge teil, den zweiten Teil jedoch, das Brotbrechen, feierten sie in den Häusern. Ab einem bestimmten Moment jedoch führten sie die beiden Teile, die Wortliturgie und die eucharistische Liturgie, zu einer Gesamtzeremonie zusammen, womit der Grundstein für die Heilige Messe gelegt wurde.

Auch Michel Aupetit betont die Zusammenführung der synagogalen Segensgebete und des neuen Ritus, das Brotbrechen mit den Einsetzungsworten Jesu, die in die jüdischen Gebete eingefügt wurden. Als „die Christen hinsichtlich des jüdisch-synagogalen Kults autonom wurden“, so Erzbischof Aupetit, „nahmen sie eine Verschmelzung zwischen dem synagogalen Segen und dem Segen des eucharistischen Mahls vor. Das …zentrale… Gebet des Sch’ma Israel jedoch … wurde durch die Worte der Einsetzung der Eucharistie ersetzt.“ In der Weiterentwicklung der Messliturgie „nimmt … das eucharistische Hoch-Gebet … den Segen des jüdischen Mahls auf, das durch die Worte Christi lebendig gehalten wird.“

Die Liturgie des frühen Christentums 

Mit den weiteren Darlegungen macht Michel Aupetit den Sprung ins Christentum des 2.Jahrhunderts von Rom, wo bereits das Zentrum des christlichen Glaubens seinen Anfang genommen hatte und stellt die frühe Feier eines eucharistischen Gottesdienstes vor, einschließlich der dort entstandenen „wertvollen Texte“, „die es uns ermöglichen zu erfahren, wie die ersten Christen die Messe feierten.“

Aus diesen zitiert er einen umfassenden Text aus den Apologien des Hl. Justinus, eines im 2.Jh. in Rom lebenden Philosophen und Kirchenlehrers, in denen dieser anschaulich von der Sonntagsmessfeier jener Zeit berichtet. Den Text gebe ich hier wieder, wie ihn Erzbischof Aupetit zitierte (in den Klammern stehen seine Anmerkungen, die er erklärend hinzufügte):

„Am Tag, welcher der Tag der Sonne genannt wird (lat. dies solis), treffen sich alle, die in der Stadt oder auf dem Land leben, am selben Ort“ (die Christen trafen sich wohl deshalb am Tag der Sonne, weil dieser aufgrund seiner Auferstehung Jesu zum Tag des Herrn wurde. S.u.).

Justinus weiter: „Wir lesen die Erinnerungen der Apostel (die Evangelien) und die Schriften der Propheten so lange es möglich ist. Wenn der Vorleser mit dem Lesen zu Ende ist, hält der, der den Vorsitz innehat, eine Rede, um uns darüber zu unterrichten und um uns zu ermahnen, diese schönen Lehren in die Praxis umzusetzen. (Es handelt sich um die Lesungen, die das Alte wie das Neue Testament und selbst die Predigt umfassen). Dann stehen wir alle auf und beten zusammen. (Was wir heute Universal-Gebet nennen).

Wenn wir mit dem Beten fertig sind, bringen wir das Brot, den Wein und das Wasser (Offertorium). Wer den Vorsitz führt, erhebt die Gebete und Danksagungen zum Himmel, so viele er kann, und die Menschen jubeln, indem sie “Amen” sagen (Eucharistisches Gebet).

Dann teilen wir die Gaben aus, über die der Dank gesprochen wurde, und teilen sie mit jedem. Diese Gaben werden auch durch den Dienst der Diakone den Abwesenden gebracht (Kommunion).

 Die Gläubigen, die wohlhabend sind und etwas geben wollen, geben frei, jeder gibt das, was er möchte. Was wir sammeln, wird demjenigen ausgehändigt, der den Vorsitz führt. Er ist es auch, der Waisen und Witwen, der den Menschen, die aufgrund von Krankheit oder aus irgendeinem anderen Grund in Not geraten sind, der den Gefangenen und ausländischen Reisenden zu Hilfe kommt. Kurz gesagt, er hilft allen Unglücklichen (Die Kollekte).

 Es ist der Tag der Sonne, an dem wir uns alle versammeln, vor allem, weil es der erste Tag (der Woche) ist, weil es der Tag ist, an dem Gott aus Dunkelheit und Materie die Welt erschaffen hat und weil es der Tag ist, an dem Jesus Christus, unser Erlöser, von den Toten auferstanden ist“ (Erste Apologie 65-66. Siehe unser “Dimanche“

Anm. d. Übers.: vgl. dazu auch ital. domenica = Tag des Herrn. Tag der Sonne/Dies Solis wurde der erste Wochentag im Alten Rom genannt, das Wort ist in unserem Sonntag erhalten wie auch im englischen Sunday).

Mit diesem „schönen und sehr bewegenden Text“ stellt Michel Aupetit seinen Lesern und Leserinnen die Liturgie der „ersten christlichen Gemeinden“ vor. Es lässt sich darin, wie er auch betont, unschwer erkennen, dass die grundlegende Struktur der heutigen Messe bereits vorhanden ist.

Anhand dieser fächert er im Überblick die beiden großen Teile der heutigen Messe auf: den Wortgottesdienst und die Eucharistiefeier, die er im Bild der Emmaus-Überlieferung erläutert. In ihr erkläre der Auferstandene den wandernden Jüngern die Schrift – den ersten Schriftlesungen des Alten Testaments vergleichbar – dann erkennen sie ihn im Weiteren am Brotbrechen, das, laut Michel Aupetit, gewissermaßen den eucharistischen Teil der späteren Liturgie vorwegnimmt. Was die „Liturgie des Wortes“ betrifft, die „unsere Herzen vorbereitet,“ sieht Aupetit diese als sehr alt und als „aus der synagogalen Liturgie übernommen“ an (s.o. Hernandez, der diese Herkunft bestätigt).

Entwicklung im 4. – 6. Jahrhundert: Eucharistie und österliches Mysterium

Unter dem Vorsitzenden bzw. dem Leiter der Gottesdienstfeier ist eindeutig der Episcopos, der Bischof, zu verstehen. Es sei davon auszugehen – so der Erzbischof –, dass er die Gebete und Danksagungen, die lange mündlich überliefert wurden, auswendig rezitierte, mit Sicherheit aber die Einsetzungsworte Jesu. Ihre schriftliche Fixierung erfolgte relativ spät. Erst nachdem sich Häresien zu verbreiten begannen, fing man damit an, „die liturgischen Formeln bis ins kleinste Detail schriftlich festzuhalten.“

Zwischen dem 4. und 6.Jahrhundert entstand eine Vielfalt an eucharistischen Formeln. Fünf Hauptzentren sind hierbei wie folgt zu unterscheiden: Ost- und Westsyrisch, Alexandrinisch, Römisch, Gallikanisch, Mozarabisch.

Zwei Formeln waren jedoch allen Gebeten, die in Latein und Griechisch rezitiert wurden, gleich:

  • die Einsetzungsworte der Eucharistie, die in jedem Ritus den Mittelpunkt darstellten,
  • sowie die Anamnese, d.h. die nach den Einsetzungsworten sich anfügende Erinnerung an das österliche Mysterium Christi, also an seinen Tod und seine Auferstehung.

Diesen Erläuterungen fügt Michel Aupetit die eingehende Betrachtung der so genannten Epiklesis an. Hierbei handelt es sich um die Anrufung Gottes mit der Bitte, den Hl. Geist herabzusenden.

Aupetit führt mehrere Varianten der Epiklesis bei der Wandlung an:

  • so die eucharistischen Hoch-Gebete des 4./5. Jahrhunderts aus Antiochia und Jerusalem,
  • jene von Johannes Chrysostomus, des Patriarchen aus Konstantinopel (4.Jh.)
  • sowie aus der Zeit und dem Umfeld des Bischofs Ambrosius von Mailand (4.Jh.).

Alle vier eucharistischen Gebete enthalten die Herabrufung des Hl. Geistes, er möge Brot und Wein in Leib und Blut Jesu verwandeln.

Aus Mailand ist eine eigene Version überliefert: dort sind es bereits – so Aupetit – „die vom Priester gesprochenen Worte Christi…, der die Rolle der Konsekration innehat. Es wird sogar davon gesprochen, es sei Christus selbst, der sie spricht (“ipse clamat”); damit wird die theologische Grundlage für die Feier durch den Priester “in persona Christi” geschaffen. Diese Formel bedeutet, dass, wenn der Priester die Worte Christi spricht ‘das ist mein Leib‘ und ‘das ist mein Blut‘, es Christus ist, der sie durch seine Stimme spricht.“

 Wichtig war dem Erzbischof an dieser Stelle darzulegen, dass „wir uns …“ in der Messe „nicht in einem rein symbolischen Bereich … befinden“, sondern in der „Realität des Leibes und Blutes Christi.“ Und somit in „der Gegenwart des Herrn,“ in der die „alten jüdischen Segnungen durch die Konsekration ihre Erfüllung erlangen,“ wo „der Herr selbst … im Herzen seiner Schöpfung gegenwärtig ist, ‘damit die Welt das Leben hat und dass sie es in Fülle hat‘ (Joh. 10,10).“

Überdies weist Michel Aupetit hier auf einen Zusatz hin, den das II. Vatikankonzil festlegte: in drei der vier eucharistischen Hochgebete, den Gebeten II – IV, gibt es zwei Epiklesen.

In der ersten Epiklese wird Gottes Geist vor der Wandlung angerufen mit der Bitte um die Verwandlung von Brot und Wein in Jesu Leib und Blut.

In der zweiten Epiklesis, die nach der Anamnese, also der Gedächtzeremonie des Ostermysteriums, erfolgt, bittet der Priester um die Einheit und Heiligung der Gläubigen, die die heiligen Gaben empfange – eine Bitte, die m. E. von hoher Bedeutung ist.

Quellen

– Mgr Michel Aupetit, Auszüge aus den „Abhandlungen über die Messe“, Teile 6-9 paris.catholique.fr, Diocèse de Paris, Mgr Michel Aupetit, archevêque de Paris

  • Entretiens sur la messe de Mgr Michel Aupetit, parties 6 – 9

Übersetzung wesentlicher Auszüge und Rezeption: Juliana Bauer

– Jean-Paul Hernandez: 1 -5 Liturgia eucaristica. Kier: Comprendere la messa. 3. La liturgia della Parola. (Die Messe verstehen. Die Liturgie des Wortes)

Übersetzung von Auszügen: Juliana Bauer

Erläuternde Anmerkungen

Zu Justinus

Justinus, genannt der Märtyrer, war ein Kirchenlehrer und Philosoph, der um 100 in der Provinz Palästina geboren wurde und 165 in Rom unter Kaiser Marc Aurel den Märtyrertod starb. Als Platoniker wandte er sich vor seiner Niederlassung in Rom den Schriften der jüdischen Propheten zu und bekehrte sich zum Christentum.

Zur Epiklese

In der christlichen Theologie bezeichnet Epiklese die Anrufung Gottes, im Besonderen die Herabrufung des Heiligen Geistes. Eine solche erfolgt sowohl bei den Feiern von Taufe und Abendmahl/Eucharistie, als auch bei der Diakonen-, der Priester- und der Bischofsweihe.

Bei der Hl. Messe bzw. der Eucharistiefeier ist das Kerngebet, das Hochgebet in sich anamnetisch-epikletisch aufgebaut: es wendet sich preisend und bittend an Gott als den gestern, heute und morgen Handelnden.

Epiklese bezeichnet hier die Herabrufung des Heiligen Geistes auf die Gaben von Brot und Wein: diesog. Wandlungs- oder Konsekrationsepiklese und/oder auf die Empfänger der eucharistischen Speisen: die sog. „Kommunionepiklese“

 

 

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4 Kommentare

  1. Passend zu diesem Artikel erläutert der traditionalistische Bischof Williamson heute in den ‘Eleison Comments’ an Hand des Römerbriefes das Verhältnis Christentum/Judentum.

  2. Man sollte die Kontinuität zwischen Judentum und früher Kirche nicht übertreiben. Seit dem 2. Vatikanum gibt es förmlich eine Manie, das Christentum zu rejudaisieren ( ich meine nicht EB Aupetit). Mache “Leuchten” versteigen sich bis zur Behauptung, der alte Bund würde bis heute weiterbestehen (wie war das mit der Symbolik des entzweigerissenen Tempelvorhanges?).

    Das wahre Verhältnis zwischen Urgemeinde und Judentum kommt in den Morden an Stephanos und Jakobus d. J. zum Ausdruck. An der Haltung des Judentums gegenüber dem Christentum hat sich bis heute nichts geändert, allen peinlichen Anbiederungsversuchen von konzilskirchlicher Seite zum Trotze.

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